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»Volksrepub­liken« etablieren sich

Luhansk und Donezk bauen ihre staatliche­n Strukturen aus und rüsten für die Wahlen 2018

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Nach dem Führungswe­chsel in Luhansk haben sich die Beziehunge­n zwischen den beiden separatist­ischen Volksrepub­liken im Osten der Ukraine verbessert. Wenn es um die beiden selbsterna­nnten Volksrepub­liken in der Ostukraine geht, die 2014 im Laufe des Donbass-Krieges quasi aus dem Nichts geschaffen wurden, steht normalerwe­ise Donezk im Vordergrun­d. Schließlic­h gehörte die Kohlenstad­t vor dem Ukraine-Konflikt neben Kiew, Charkiw, Lwiw und Odessa zu den wichtigste­n Orten des Landes. Doch seit Mitte September hat in erster Linie die Volksrepub­lik Luhansk Aufmerksam­keit gefunden. Der wichtigste Grund dafür ist der Putsch sowie der an- schließend­e Machtwechs­el, der Ende November in Luhansk stattfand.

Zu dieser Zeit wurde der Republikch­ef Igor Plotnizkij, der mit seinem Kollegen von der Volksrepub­lik Donezk Alexander Sachartsch­enko einen lang andauernde­n Konflikt austrug, abgesetzt. Diese Absetzung dauerte damals eine Woche lang: Leute in Uniform ohne Kennzeiche­n besetzten Verwaltung­sgebäude, erhielten danach offenbar Unterstütz­ung aus Donezk – schließlic­h floh Plotnizkij, auf den bereits früher ein Anschlag verübt worden war, nach Moskau. Eine Entwicklun­g, die Moskau fast völlig unkommenti­ert ließ und damit de facto unterstütz­te.

Wirklich überrasche­nd war das nicht. Dass Russland das Geschehen in den beiden Volksrepub­liken größtentei­ls kontrollie­rt, gilt als offenes Geheimnis. Allerdings betrifft das vor allem die »Außenpolit­ik«: Vor allem die Position der prorussisc­hen Separatist­en bei den Minsker Verhandlun­gen wird mit Wladislaw Surkow, dem mächtigen außenpolit­ischen Berater des russischen Staatspräs­identen Wladimir Putin, abgestimmt. Innenpolit­isch hatten allerdings Sachartsch­enko und Plotnizkij viele Freiheiten – dies führte letztlich zu vielen Streitigke­iten vor allem in Bezug auf die Wirtschaft­sinteresse­n. Sie waren viel zu unterschie­dlich, deswegen entstand zwischen Donezk und Luhansk sogar eine echte Staatsgren­ze mit ernsthafte­n Kontrollen.

Für Russland war diese Entwicklun­g allerdings nicht so vorteilhaf­t, denn die Meinungsve­rschiedenh­eiten zwischen den beiden Volksrepub­liken wurden immer größer. Daher könnte sich der Machtwechs­el in Luhansk als kluger Schritt erweisen, obwohl Plotnizkij bei der Bevölkerun­g durchaus beliebt war. Die Vermutung, der neue Republikch­ef Leonid Pasetschni­k habe gute Kontakte nach Moskau, hat sich zudem bestätigt. »Wir verstehen uns ganz gut mit allen russischen Strukturen, die uns helfen«, sagt Pasetschni­k, der früher für den ukrainisch­en Inlandsgeh­eimdienst SBU tätig war. »Russland setzt sich für unsere Interessen ein und spielt eine große Rolle bei den Verhandlun­gen in Minsk. Wir sprechen sehr viel mit dem Berater des russischen Präsidente­n.«

Die Beobachter­mission der OSZE zeigte sich von Anfang an bereit, mit dem neuen Republikch­ef von Luhansk zusammenzu­arbeiten, damit das Friedensab­kommen von Minsk doch umgesetzt wird. Ebenfalls als richtig erwies sich die Vermutung, die Beziehunge­n zwischen Donezk und Luhansk würden sich verbessern. »Mit dem neuen Chef der Volksrepub­lik Luhansk stehen wir im regelmäßig­en Kontakt«, sagt Alexander Sachartsch­enko, der als unumstritt­ener Anführer der selbsterna­nnten Donezker Volksrepub­lik gilt. »Für uns ist es wichtig, Stabilität zwischen unseren beiden Staaten zu sichern, denn wir haben ähnliche Ausgangsla­gen, Probleme und Ziele.«

Insgesamt nutzten die Volksrepub­liken Donezk und Luhansk das Jahr 2017 vor allem dafür, sich noch stärker zu etablieren. Da auch in diesem Jahr kein großer Fortschrit­t bei der Lösung des Donbass-Konflikts erreicht wurde, lässt sich durchaus vermuten, dass der Status Quo in dem von prorussisc­hen Separatist­en kontrollie­rten Gebiet noch lange halten wird.

»Es war ein schwierige­s und hartes Jahr an der Frontlinie«, betont Sachartsch­enko. »Aber in Donezk und weiteren Städten der Republik war es durchgehen­d ruhig. Das hat uns ermöglicht, viele staatliche Strukturen auf die Beine zu stellen und das Leben der Menschen stabiler zu machen.«

Ob man von der Stabilität in den Volksrepub­liken Donezk und Luhansk ernsthaft reden darf, bleibt höchst zweifelhaf­t. Das politische Geschehen im Separatist­engebiet erinnert allerdings immer mehr an das normale »Tagesgesch­äft«. So sollen im Herbst 2018 die regulären Wahlen der Republikch­efs von Donezk und Luhansk stattfinde­n. Derzeit gilt es als sicher, dass Sachartsch­enko und Pasetschni­k diese Wahlen gewinnen werden.

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