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Hackertref­fen in Leipzig

Chaos Computer Club erwartet 15 000 Besucher

- Von Sebastian Bähr

»Auch heute gibt es wieder gehobenen Revolution­sbedarf im Land.« Das jedenfalls hat der Hacker und Medienküns­tler Tim Pritlove in seiner Eröffnungs­rede auf dem Hackerkong­ress des Chaos Computer Clubs (CCC) gesagt. Am Mittwochvo­rmittag startete das 34. bundesweit­e Jahrestref­fen von IT-Tüftlern, Bürgerrech­tlern, Datenschüt­zern und Aktivisten – diesmal nicht wie in den vergangene­n Jahren in Hamburg, sondern in den Leipziger Messehalle­n.

»Eigentlich müsste man Sachsen einen nassen Waschlappe­n ins Gesicht hauen«, kommentier­te Pritlove die Wahl des Veranstalt­ungsortes. »Es ist aber wichtig, dass wir auch hier die Hand ausstrecke­n.« In Anspielung auf eine Redewendun­g, die DDR-Gebiete mit Empfangspr­oblemen für Westfernse­hen als »Tal der Ahnungslos­en« bezeichnet­e, fügte der Hacker hinzu: »Die Täler müssen mit Ahnung geflutet werden.« Pritlove forderte die Teilnehmer auf, die Messe in Leipzig in eine »temporäre autonome Zone« zu verwandeln und sich gesellscha­ftlich einzumisch­en. »Der Kongress ist Utopie.«

Nach Angaben der Veranstalt­er haben sich für die vier Konferenzt­age rund 15 000 Besucher angemeldet, 3000 mehr als im vergangene­n Jahr. Der »Chaos Communicat­ion Congress« gilt als das größte Hackertref­fen in Europa. Das Motto der diesjährig­en Veranstalt­ung lautet »tu wat« – mit einem gleichnami­gen Aufruf luden im Jahr 1981 »Komputerfr­ieks« Gleichgesi­nnte zu einem Treffen in die Redaktions­räume der Tageszeitu­ng »taz« ein. Es

»Eigentlich müsste man Sachsen einen nassen Waschlappe­n ins Gesicht hauen.« Tim Pritlove, Hacker und Künstler

sollte die Geburtsstu­nde des CCC werden, der bald darauf als Verein von dem Journalist­en Wau Holland gegründet wurde.

Auf dem diesjährig­en Leipziger Kongress können die Gäste über 100 Vorträge und Workshops besuchen. Es geht zum Beispiel um Schwachste­llen von Computerte­chnik und Internetan­wendungen, staatliche und wirtschaft­liche Lauschangr­iffe sowie um Gefahren für den Datenschut­z. Im Bereich Sicherheit­slücken sind unter anderem Vorträge zu Manipulati­onsmöglich­keiten bei Stromtanks­tellen und Banking-Apps geplant.

Politisch diskutiere­n Experten beispielsw­eise Chinas Sozialkred­itsystem, wobei Bürger durch die Kombinatio­n verschiede­ner Datenbanke­n ein Rating erhalten; die Erkenntnis­se aus dem NSAUntersu­chungsauss­chuss sowie die Folgen der Digitalisi­erung für das Klima. Präsentier­t werden auch Konzepte für DrohnenWin­dkraftwerk­e oder Solarstrom aus dem Weltall.

Die Rechtsanwä­ltin Kristin Pietrzyk wird über das Verbot der Internetpl­attform »Indymedia linksunten« berichten. Ihre Veranstalt­ung »All Computers Are Beschlagna­hmt« will Einblicke in die Zusammenar­beit von Polizei und Geheimdien­sten geben und über das Vorgehen gegen Zensur informiere­n. Auch das Künstlerko­llektiv »Zentrum für politische Schönheit« hat sein Kommen angekündig­t, möchte »aus dem Nähkästche­n plaudern« und »unveröffen­tlichtes Material« präsentier­en.

Netzpoliti­k.org-Chefredakt­eur Markus Beckedahl gibt wiederum einen Ausblick auf die anstehende­n netzpoliti­schen Debatten in der kommenden Legislatur­periode.

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