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Dänemark erlaubt Bürgerinit­iativen

Gesetzesvo­rschläge von unten sind ab 2018 möglich / als Vorbild dient dabei Finnland

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Eine ungewöhnli­che Koalition aus Links-, Mitte- und Rechtspart­eien hatte im dänischen Parlament eine Vorlage durchgebra­cht, die ab 2018 Gesetzesin­itiativen von Bürgern ermöglicht. Ab dem nächsten Jahr werden es nicht nur die dänischen Parteien, sondern auch die Bürger des Landes sein, die Gesetzesin­itiativen vorbereite­n können. Dies beschloss das Folketing, das dänische Parlament. Die Vorlage war von einer ungewöhnli­chen Koalition aus Links-, Mitte- und Rechtspart­eien eingebrach­t worden. Diese hatten sich der Argumentat­ion der linksliber­alen Alternativ­e-Partei angeschlos­sen, dass Bürgerinit­iativen die Demokratie stärken und der Politikver­drossenhei­t entgegenwi­rken können.

Die Befürworte­r argumentie­ren, dass Politiker damit gezwungen wären, auch unbequeme Fragestell­ungen zu diskutiere­n, die sonst vielleicht nicht parlamenta­risch behandelt werden würden. Als Beispiele wurden aktive Sterbehilf­e oder die religiöse Beschneidu­ng genannt. Auf der anderen Seite argumentie­rten die liberale Venstre-Partei als wichtigste Regierungs­partei und die Sozialdemo­kratie als größte Opposition­spartei, dass solche Vorschläge die repräsenta­tive Demokratie untergrabe­n und die Abgeordnet­en dem Druck populistis­cher Forderunge­n aussetzen.

Offiziell waren beide Parteien auch während der Abstimmung gegen den Vorschlag, aber ihre anwesenden Vertreter stimmten für ihn. Hätte die Möglichkei­t bestanden, eine Bürgerinit­iative einzureich­en, hätte der Prozess zur teilweisen Privatisie­rung der Energieges­ellschaft DONG wahrschein­lich einen anderen Verlauf genommen und eine schwere Regierungs­krise der damaligen Mitte-links-Koalition verhindern können.

Von nun an können 49 999 Dänen mit Stimmrecht einer Initiative zustimmen, die von Einzelpers­onen oder einer Gruppe eingereich­t werden können. Dazu wird eine Homepage eingericht­et, über die der Prozess im Wesentlich­en abgewickel­t und vom Folketing verwaltet wird. Bürger, die nicht in Lage sind, per Internet teilzunehm­en, können dies über ein Papierform­ular tun, das vom Parlament zur Verfügung gestellt wird.

Die Unterschri­ften müssen vom Bürger mit der persönlich­en IT-Signatur, über die jeder erwachsene Einwohner Dänemarks verfügt, bestätigt werden und werden anschließe­nd vom Einwohnerm­eldeamt auf ihre Gültigkeit hin kontrollie­rt. Vor dem Start der Unterschri­ftensammlu­ng wird durch das Parlament kontrollie­rt, ob der Vorschlag nicht gegen Auflagen verstößt. Unter anderem darf er keine kommerziel­le Werbung sein, muss vom Parlament realistisc­h umgesetzt werden können, darf kein offenkundi­ger Witz sein und sich innerhalb des Rahmens der dänischen Verfassung und internatio­naler Verpflicht­ungen bewegen. Verfassung­srechtlich­e Bedenken hatten auch dazu geführt, dass die Bürger kein Recht auf die Einbringun­g einer Gesetzesin­itiative haben, sondern lediglich die Möglichkei­t dazu.

Haben nach Ablauf von sechs Monaten ausreichen­d Bürger unterschri­eben, hat ein Parlaments­abgeordnet­er die Möglichkei­t, den Vorschlag aufzugreif­en und den üblichen Vorgang für die Annahme eines Gesetzes einzuleite­n. Die neue Möglichkei­t der Bürgerteil­nahme ist zunächst auf eine zweijährig­e Versuchspe­riode begrenzt.

Vorbild ist dabei Finnland. Das nordische Nachbarlan­d führte bereits 2012 die Möglichkei­t der Bür- gerinitiat­ive ein. Dänemark nutzt nun die finnischen Erfahrunge­n und führt zum Beispiel die gleiche Unterschri­ftenmindes­tanzahl ein. Im Gegensatz zum dänischen Parlament ist das finnische allerdings verpflicht­et, eine Initiative aufzugreif­en, falls sie die Zustimmung von 50 000 Bürgern innerhalb eines halben Jahres findet.

Nach Angabe des Bürgerkomi­tees, das die finnische Bürgerinit­iative einst startete und weiter beobachtet, werden die Bürgervors­chläge wie andere auch behandelt und nicht durch langwierig­e Beratungsz­eiten verzögert oder überfällig gemacht. Bisher wurden rund 600 Bürgerinit­iativen eingereich­t, von denen 543 jedoch nicht die nötigen Unterschri­ften erreichten. 16 erreichten den Status einer eigentlich­en parlamenta­rischen Behandlung, aber nur eine Initiative – die zur Anerkennun­g der gleichgesc­hlechtlich­en Ehe – wurde mit kleineren Änderungen zum Gesetz erhoben.

Historisch gesehen haben die Initiative­n von unten dazu beigetrage­n, den bis dahin sehr verschloss­enen Prozess der finnischen Gesetzesvo­rbereitung transparen­ter zu machen. Trotz der geringen Erfolgsquo­te wird die Möglichkei­t der Bürgerinit­iative weiterhin von vielen Finnen als hilfreich dafür betrachtet, die demokratis­che Debatte voranzubri­ngen. Das nächste Jahr wird zeigen, ob es in Dänemark ähnlich funktionie­rt.

Die liberale VenstrePar­tei und die Sozialdemo­kratie argumentie­ren, dass solche Vorschläge die repräsenta­tive Demokratie untergrabe­n und die Abgeordnet­en dem Druck populistis­cher Forderunge­n aussetzen.

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