Dänemark erlaubt Bürgerinitiativen
Gesetzesvorschläge von unten sind ab 2018 möglich / als Vorbild dient dabei Finnland
Eine ungewöhnliche Koalition aus Links-, Mitte- und Rechtsparteien hatte im dänischen Parlament eine Vorlage durchgebracht, die ab 2018 Gesetzesinitiativen von Bürgern ermöglicht. Ab dem nächsten Jahr werden es nicht nur die dänischen Parteien, sondern auch die Bürger des Landes sein, die Gesetzesinitiativen vorbereiten können. Dies beschloss das Folketing, das dänische Parlament. Die Vorlage war von einer ungewöhnlichen Koalition aus Links-, Mitte- und Rechtsparteien eingebracht worden. Diese hatten sich der Argumentation der linksliberalen Alternative-Partei angeschlossen, dass Bürgerinitiativen die Demokratie stärken und der Politikverdrossenheit entgegenwirken können.
Die Befürworter argumentieren, dass Politiker damit gezwungen wären, auch unbequeme Fragestellungen zu diskutieren, die sonst vielleicht nicht parlamentarisch behandelt werden würden. Als Beispiele wurden aktive Sterbehilfe oder die religiöse Beschneidung genannt. Auf der anderen Seite argumentierten die liberale Venstre-Partei als wichtigste Regierungspartei und die Sozialdemokratie als größte Oppositionspartei, dass solche Vorschläge die repräsentative Demokratie untergraben und die Abgeordneten dem Druck populistischer Forderungen aussetzen.
Offiziell waren beide Parteien auch während der Abstimmung gegen den Vorschlag, aber ihre anwesenden Vertreter stimmten für ihn. Hätte die Möglichkeit bestanden, eine Bürgerinitiative einzureichen, hätte der Prozess zur teilweisen Privatisierung der Energiegesellschaft DONG wahrscheinlich einen anderen Verlauf genommen und eine schwere Regierungskrise der damaligen Mitte-links-Koalition verhindern können.
Von nun an können 49 999 Dänen mit Stimmrecht einer Initiative zustimmen, die von Einzelpersonen oder einer Gruppe eingereicht werden können. Dazu wird eine Homepage eingerichtet, über die der Prozess im Wesentlichen abgewickelt und vom Folketing verwaltet wird. Bürger, die nicht in Lage sind, per Internet teilzunehmen, können dies über ein Papierformular tun, das vom Parlament zur Verfügung gestellt wird.
Die Unterschriften müssen vom Bürger mit der persönlichen IT-Signatur, über die jeder erwachsene Einwohner Dänemarks verfügt, bestätigt werden und werden anschließend vom Einwohnermeldeamt auf ihre Gültigkeit hin kontrolliert. Vor dem Start der Unterschriftensammlung wird durch das Parlament kontrolliert, ob der Vorschlag nicht gegen Auflagen verstößt. Unter anderem darf er keine kommerzielle Werbung sein, muss vom Parlament realistisch umgesetzt werden können, darf kein offenkundiger Witz sein und sich innerhalb des Rahmens der dänischen Verfassung und internationaler Verpflichtungen bewegen. Verfassungsrechtliche Bedenken hatten auch dazu geführt, dass die Bürger kein Recht auf die Einbringung einer Gesetzesinitiative haben, sondern lediglich die Möglichkeit dazu.
Haben nach Ablauf von sechs Monaten ausreichend Bürger unterschrieben, hat ein Parlamentsabgeordneter die Möglichkeit, den Vorschlag aufzugreifen und den üblichen Vorgang für die Annahme eines Gesetzes einzuleiten. Die neue Möglichkeit der Bürgerteilnahme ist zunächst auf eine zweijährige Versuchsperiode begrenzt.
Vorbild ist dabei Finnland. Das nordische Nachbarland führte bereits 2012 die Möglichkeit der Bür- gerinitiative ein. Dänemark nutzt nun die finnischen Erfahrungen und führt zum Beispiel die gleiche Unterschriftenmindestanzahl ein. Im Gegensatz zum dänischen Parlament ist das finnische allerdings verpflichtet, eine Initiative aufzugreifen, falls sie die Zustimmung von 50 000 Bürgern innerhalb eines halben Jahres findet.
Nach Angabe des Bürgerkomitees, das die finnische Bürgerinitiative einst startete und weiter beobachtet, werden die Bürgervorschläge wie andere auch behandelt und nicht durch langwierige Beratungszeiten verzögert oder überfällig gemacht. Bisher wurden rund 600 Bürgerinitiativen eingereicht, von denen 543 jedoch nicht die nötigen Unterschriften erreichten. 16 erreichten den Status einer eigentlichen parlamentarischen Behandlung, aber nur eine Initiative – die zur Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe – wurde mit kleineren Änderungen zum Gesetz erhoben.
Historisch gesehen haben die Initiativen von unten dazu beigetragen, den bis dahin sehr verschlossenen Prozess der finnischen Gesetzesvorbereitung transparenter zu machen. Trotz der geringen Erfolgsquote wird die Möglichkeit der Bürgerinitiative weiterhin von vielen Finnen als hilfreich dafür betrachtet, die demokratische Debatte voranzubringen. Das nächste Jahr wird zeigen, ob es in Dänemark ähnlich funktioniert.
Die liberale VenstrePartei und die Sozialdemokratie argumentieren, dass solche Vorschläge die repräsentative Demokratie untergraben und die Abgeordneten dem Druck populistischer Forderungen aussetzen.