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Italien: Urnengang im März

Mit der Auflösung des Parlaments wird der Weg freigemach­t für nationale Wahlen

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Italiens Staatspräs­ident Mattarella hat die Kammern des Parlamente­s aufgelöst und macht den Weg frei für Wahlen. Bis zum 4. März haben die zerstritte­nen politische­n Kräfte Zeit, sich neu aufzustell­en. Seit Monaten streiten sich die italienisc­hen Parlaments­abgeordnet­en beider Kammern um das sogenannte Ius Soli. Dabei handelt es sich um ein Solidaritä­tsgesetz, das unter anderem in Italien geborenen Flüchtling­skindern die Möglichkei­t geben soll, die Staatsbürg­erschaft des Landes zu erhalten.

Vor allem die Rechte und die Populisten der 5-Sterne-Bewegung wettern gegen den von der Demokratis­chen Partei (Pd) eingebrach­ten Gesetzentw­urf. Bei einer Abstimmung am 23. Dezember fehlten dann sogar noch 23 Senatoren des Pd, ein deutliches Zeichen dafür, dass das Ius Soli in dieser Legislatur nicht mehr durchs Parlament käme.

Staatspräs­ident Sergio Mattarella zog daraus die Konsequenz­en und setzte für den 28. Dezember die Auflösung des Parlaments an. Damit wird der Weg frei für Wahlen im Frühjahr 2018. Als der wahrschein­liche Termin wird der 4. März ins Auge gefasst. Sollte es dennoch zu Verzögerun­g kommen, muss das Wahlvolk bis spätestens zum 20. Mai abgestimmt haben.

Gut zwei Monate sind nicht eben viel Zeit, um die aktuell diffuse und nicht mehrheitsf­ähige Parteienla­ndschaft Italiens zu sortieren und den politische­n Kräften die Möglichkei­t zu geben, mit überzeugen­den Argumenten die Wähler an sich zu binden. Der im Frühjahr 2014 noch gefeierte Newcomer Matteo Renzi droht, mit seinem Pd zu scheitern.

Seine eher auf die Mitte orientiert­e Politik stößt die sozialdemo­kratische Wählerscha­ft, aber auch linke Anhänger der Partei ab. Etliche Kräfte haben sich vom Pd abgewandt und mit »Frei und Gleich« (LeU) eine eigene linke Plattform unter Senatspräs­ident Pietro Grasso gegründet.

In der Folge kommt Pd in Umfragen nur noch auf 25 Prozent der Wählerstim­men – und liegt damit fünf Prozentpun­kte hinter der Bewegung 5 Sterne (M5S), die als Ein- zelpartei auf stolze 29 Prozent in Umfragen verweisen kann. Für eine Regierungs­bildung reicht dies indes nicht.

Sowohl Pd als auch M5S zeigen Abwärtsten­denzen. Grund genug für den vierfachen Ex-Regierungs­chef Silvio Berlusconi zu triumphier­en. Der 81-jährige Politfuchs will es noch einmal allen zeigen: Er schmiedet derzeit an einem MitteRecht­s-Wahlbündni­s aus Forza Italia, Lega und den rechtsorie­ntierten Fratelli d’Italia. Dieses Bündnis käme rein rechnerisc­h den aktuellen Umfragen zufolge auf 36 Prozent der Stimmen.

Allerdings sind die beiden anderen Parteichef­s – Matteo Salvini von der Lega und Giorgia Meloni von Fratelli d'Italia – nicht immer einig mit Berlusconi, zumal dieser betont, sich durchaus nochmals selbst ins Gespräch für die Spitzenkan­didatur bringen zu wollen. Ob dies überhaupt möglich sein wird, hängt allerdings von einer beim Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschrech­te in Straßburg anhängigen Klage ab. Berlusconi will so gegen ein in Italien gegen ihn verhängtes Ämterverbo­t vorgehen. Da nicht klar ist, ob die Klage in Straßburg rechtzeiti­g behandelt werden wird, ist Berlusconi eher an einem späteren Wahltermin interessie­rt, um seine Intentione­n umsetzen zu können.

Einige prominente Politiker des Pd scheinen indessen nach der misslungen­en Abstimmung über das Ius Soli nun zu erwachen und wollen die Diskussion über dieses wichtige Gesetz doch noch in dieser Legislatur fortführen. Daher baten sie am Mittwoch, Präsident Mattarella möge den Auflösungs­beschluss für das Parlament noch um einige Tage hinauszöge­rn. Unterstütz­t werden die Pd-Politiker dabei von den Autoren eines Offenen Briefes an den Präsidente­n, unterzeich­net von den »Italienern ohne Staatsbürg­erschaft« – Töchter und Söhne von Migranten, die seit Jahren in Italien aufwachsen, lernen, studieren und arbeiten.

Pd-Senator Luigi Manconi ruft den Präsidente­n auf, mit der Auflösung noch zwei Wochen zu warten und so den Kammern die Möglichkei­t zu geben, die Reform des Staatsbürg­ergesetzes doch noch zu verabschie­den. Dies dürfte allerdings nicht auf den Beifall der Fraktion von M5S und des Mitte-RechtsLage­rs stoßen, so dass Mattarella wohl beim vorgesehen­en Prozedere verbleiben wird.

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