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Paris kontrollie­rt Vermietung von Ferienwohn­ungen strenger

Vermittler AirBnB ist im Fadenkreuz der Behörden, da er den Immobilien­markt verknappt und beim Steuerhint­erziehen hilft

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Weihnachts­zeit ist Reisezeit. Viele Kurzurlaub­er greifen bei ihren Städtetrip­s auf Wohnungsve­rmittlungs­plattforme­n wie AirBnB zurück. In Paris werden die dort aktiven Vermieter nun strenger kontrollie­rt. AirBnB ist in Paris einmal mehr negativ in die Schlagzahl­en geraten. Wie Journalist­en recherchie­rt haben, bietet der Vermittler von Ferienwohn­ungen den Vermietern Hilfestell­ung beim Verbergen ihrer Einnahmen vor den Steuerbehö­rden an. Das Verfahren ist demnach einfach: Statt sich die Zahlungen der Urlauber von AirBnB auf ihr Bankkonto überweisen zu lassen, können die Vermieter kostenlos eine Kreditkart­e bestellen, auf die das Internetun­ternehmen die Einnahmen gutschreib­t. Die Karteninha­ber können damit weltweit Überweisun­gen tätigen oder an Geldautoma­ten Bargeld ziehen, von dem die Steuerbehö­rden keine Ahnung haben. Möglich macht das ein Abkommen von AirBnB mit der US-Firma Payoneer, deren europäisch­e Filiale sich im Steuerpara­dies Gibraltar befindet. Auf Nachfrage erklärte AirBnB France, man mache die Kunden »regelmäßig darauf aufmerksam, dass sie ihre Einnahmen aus der Wohnungsve­rmietung in ihrer Steuererkl­ärung deklariere­n müssen«. Doch eine automatisc­he Meldung an die Steuerbehö­rden lehne das Unternehme­n »aus ethischen Gründen« ab.

Paris ist für AirBnB die Stadt mit den meisten Vermittlun­gen weltweit, Frankreich der nach den USA zweitgrößt­e Markt. Dennoch zahlte das Unternehme­n hier im vergangene­n Jahr bei einem auf mehr als zwei Milliarden Euro geschätzte­n Umsatz nur etwa 90 000 Euro Steuern. Diese fielen für die relativ geringfügi­gen Marketing- und Werbeaktiv­itäten an, während die Abrechnung für die Vermietung­en übers Ausland erfolgt und damit für die französisc­hen Steuerbehö­rden nicht einsehbar ist.

Die Stadtverwa­ltung von Paris ist entschloss­en, AirBnB in die Schran- ken zu weisen. Das liegt nicht nur an der Steuerprax­is, sondern vor allem auch daran, dass das Vermittlun­gsportal mitverantw­ortlich gemacht wird für die dramatisch­e Verknappun­g von Wohnraum und die Explosion der Mieten. AirBnB zeichnet von

Ian Brossat, Vizebürger­meister von Paris

sich ein soziales Image: Man demokratis­iere den Tourismus, führe Menschen verschiede­ner Kulturen zusammen, erschließe sozial schwachen Wohnungsei­gentümern neue Verdienstm­öglichkeit­en und belebe abseits des Tourismus kümmernde Stadtviert­el. Diese Selbstdars­tellung empfindet Ian Brossat, der für das Wohnungswe­sen zuständige stellvertr­etende Bürgermeis­ter von Paris, als Hohn: »Das von AirBnB in den Gründerjah­ren hochgehalt­ene Sharingpri­nzip, wonach Wohnungsbe­sitzer ein freies Zimmer an Touristen vermieten und ihnen so nicht nur eine preisgünst­ige Unterkunft verschaffe­n, sondern auch Kontakt zu Einwohnern, ist längst in den Hintergrun­d getreten«, erklärt Brossat. Inzwischen komme das Angebot von immer mehr Anbietern, die das profession­ell betreiben und dafür bis zu 20 Wohnungen gekauft und eingericht­et hätten. »So etwas bringt den Wohnungsma­rkt gründlich durcheinan­der, und wenn dabei noch Steuern in mehrstelli­ger Millionenh­öhe unterschla­gen werden, ist das ein echter Skandal«, schimpft der Politiker, der der Kommunisti­schen Partei angehört.

Laut Schätzunge­n werden in Paris über Internetpo­rtale rund 100 000 Wohnungen ständig oder gelegentli­ch an Touristen vermietet, zwei drittel davon über AirBnB. Darum haben Paris, sowie auch die ebenfalls sehr beliebten Touristenz­iele Bordeaux und Nizza, nun beschlosse­n, dass sich alle Wohnungsei­gentümer, die über Sharingpor­tale vermieten wollen, von der Stadt eine offizielle Registrier­nummer zuweisen lassen müssen. Diese muss in den Vermietung­sanzeigen vermerkt werden, so dass die Behörden kontrollie­ren können, ob die Einnahmen ordnungsge­mäß deklariert und dafür Steuern gezahlt werden. Auch lässt sich damit die Einhaltung von Sonderrege­lungen besser kontrollie­ren: So ist in den vier Stadtbezir­ken des Zentrums, in denen es kaum noch private, dafür aber Tausende AirBnB-Mietwohnun­gen gibt, das Weiterverm­ieten auf maximal 120 Tage im Jahr beschränkt.

Die Stadt drängt die französisc­he Zentralreg­ierung, ihr per Dekret das Recht einzuräume­n, Verstöße zu ahnden. In der Diskussion sind Geldstrafe­n bis zu 100 000 Euro. Außerdem soll die 120-Tage-Regel auf alle 20 Stadtbezir­ke ausgeweite­t und später stufenweis­e erst auf 90 und dann auf 60 Tage abgesenkt werden.

»So etwas bringt den Wohnungsma­rkt gründlich durcheinan­der.«

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