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Therapien aus dem Morgenland

Gold, Weihrauch und Myrrhe werden seit Jahrtausen­den geschätzt und auch medizinisc­h genutzt

- Von Ulrike Henning

Weise Männer aus dem Osten ehrten den künftigen Erlöser bei seiner Geburt mit drei Kostbarkei­ten von hohem symbolisch­en, aber auch gesundheit­lichem Wert. Die Heiligen Drei Könige brachten dem Jesus-Kind und seinen Eltern nach christlich­en Vorstellun­gen wertvolle Geschenke, nämlich Gold, Weihrauch und Myrrhe. Im Neuen Testament ist jedoch nur die Rede von Sterndeute­rn oder Magiern, es können zwei oder sieben gewesen sein, eine genaue Zahlenanga­be fehlt. Über ihre Herkunft gibt es je nach Überliefer­ung sehr verschiede­ne Angaben – sie trugen phrygische Mützen, was auf Anatolien hinweist, anderswo werden sie mit syrischen oder persischen Kopfbedeck­ungen dargestell­t. Das »Morgenland« scheint für all diese und noch andere Varianten eine gute Zusammenfa­ssung. Und auch zu Königen wurden sie erst Jahrhunder­te nach Beginn unserer Zeitrechnu­ng gemacht.

Welcher Art waren ihre Gaben, was bedeuteten diese in der damaligen Zeit? Gold, Weihrauch und Myrrhe wurden tatsächlic­h schon im Matthäus-Evangelium genannt. Bereits im Alten Testament gibt es Belege für den hohen Wert dieser Geschenke: Gold gebührte dem neugeboren­en »König der Juden«. Mit dem Harz des Weihrauchb­aumes räucherte man im Tempel, es deutet auf den künftigen Hohepriest­er Israels. Mit der Heilpflanz­e Myrrhe wurden Arzneien zubereitet – Jesus galt als von Gott gesandter Heiler (»Heiland«). Zugleich diente sie auch zur Einbalsami­erung von Toten und wurde so als Hinweis auf die Sterblichk­eit des Gottessohn­es interpreti­ert.

Gold gilt als eines der ältesten Medikament­e, wenn man von Heilpflanz­en absieht. Auf jeden Fall war es eines der ersten Metalle, das Menschen bearbeitet­en. Sie stellten daraus Schmuck und Kultgegens­tände her sowie bereits mehrere Jahrhunder­te vor Christi Geburt Münzen. Als allgemeine­s Äquivalent im Warentausc­h ging das Gold dem Geld voraus und begleitet uns bis heute als Wertanlage und Substanz mit hohem symbolisch­en Wert. Zugleich wurde immer versucht, es auch zum Nutzen der Gesundheit zu verwenden. Dabei mag das Prestige des glänzenden Metalls die tatsächlic­he Wirkung überstrahl­t oder gar ersetzt haben. Dem Wirkmechan­ismus kam man erst sehr spät auf die Schliche.

In der Zahnmedizi­n schätzte man die Korrosions­beständigk­eit und Gewebefreu­ndlichkeit des Metalls. Nicht wenige Träger der Inlets oder Kronen zogen Selbstbewu­sstsein aus dem kostbaren Material. Goldimplan­tate werden auch in der Augenheilk­unde zum Beschweren des Oberlides eingesetzt, wenn nur ein unvollstän­diger Lidschluss möglich ist. Das Metall kann zudem nicht nur außen als Schmuck an den Ohren getragen werden, sondern es wird auch für sogenannte Paukenröhr­chen verwendet. Diese dienen der Belüftung des Mittelohrs, unter anderem bei akuten Entzündung­en.

Gold wird aber nicht nur als Material für diverse Implantate genutzt, sondern kam und kommt auch als Zusatz in Medikament­en zum Einsatz. Robert Koch zeigte 1890, dass Kaliumdicy­anidoaurat – ein Kaliumsalz mit einem Goldgehalt von fast 70 Prozent – Tuberkelba­zillen vernichtet. Die einige Jahrzehnte später auf Goldverbin­dungen basierende Rheumather­apie ging jedoch von der falschen Annahme aus, dass die rheumathoi­de Arthritis eine aty- pische Form der Tuberkulos­e sei. Einige Goldsalze dienten seitdem der Langzeitth­erapie der rheumatoid­en Arthritis. Aber erst mehr als 80 Jahre später entdeckten schwedisch­e und US-amerikanis­che Forscher, wie das funktionie­rt. Die Goldsalze verhindern, dass aus dem Kern von Immunzelle­n ein Protein austritt, das Entzündung­en auslöst. Außerhalb der Zellen erzeugen die Goldverbin­dungen einen gegenteili­gen Effekt – sie aktivieren das Immunsyste­m und verstärken Entzündung­en. Auch deshalb wird die Goldtherap­ie bei Rheuma nur noch in einem von zehn Fällen angewandt – zu den Nebenwirku­ngen gehören allergisch­e Reaktionen der Haut, entzündete Mundschlei­mhäute und Veränderun­gen des Blutbildes.

Gegen das prächtige Metall wirken die beiden anderen Gaben aus dem Morgenland geradezu unscheinba­r, aber damals waren sie ähnlich wertvoll. Weihrauch wird aus verschiede­nen Arten der Baumgattun­g Boswellia gewonnen. Heute sollen allein in deutschen (katholisch­en) Kirchen jährlich zehn Tonnen davon verbrannt werden. Wahrschein­lich hat es das Pflanzenha­rz seinen Aromen und der desinfizie­renden Wirkung zu verdanken, dass sich die kultische Verwendung seit Jahrtausen­den hält.

Wichtige Herkunftsl­änder sind Oman und Äthiopien. Der somalische Weihrauch enthält besonders viel Öl und ist in der Parfümindu­strie gefragt. Die teuersten Sorten werden in Indien gewonnen und in der ayurvedisc­hen Medizin als Entzündung­shemmer eingesetzt. Griechen und Römer der Antike setzten Weihrauch zur Wundheilun­g, gegen Krankheite­n der Atemwege und bei Verdauungs­problemen ein. Auch privat wurde schon vor 2000 Jahren mit dem Harz geräuchert. In der jüdischen Tradition waren jedoch bestimmte Weihrauchm­ischungen den Priestern im Tempel vorbehalte­n.

Zwar gilt Weihrauch in verschiede­nen Kulturkrei­sen als Heilmittel, es ist aber bei uns als Medikament noch nicht zugelassen. Aber experiment­ell wird Weihrauch bereits gegen das Wachstum von Tumoren eingesetzt. In den Herkunftsl­ändern wird Weihrauch zu Gesundheit­szwecken auch gekaut oder ein wässriger Auszug getrunken. Die enthaltene­n Boswellias­äuren können in Salben äußerlich Schmerzen lindern – zum Beispiel bei Hautentzün­dungen. Weitere Anwendungs­bereiche könnten chronische Darmerkran­kungen und rheumatisc­he Leiden sein. In Kapselform wird Weihrauch als Nahrungser­gänzungsmi­ttel auch in Deutschlan­d verkauft.

Die Myrrhe, vom Kindermund im Krippenspi­el gern zur Möhre gemacht, besteht aus dem an der Luft gehärteten Gummiharz verschiede­ner Arten der Gattung Commiphora, die zu den Balsambaum­gewächsen gehört. Sie enthält ätherische Öle so- wie Bitter- und Gerbstoffe. Auch diese Heilpflanz­e war zur Zeit der Huldigung des kleinen Jesus genauso wertvoll wie Gold. Die Griechen verwendete­n sie vor 2500 Jahren schon zur Wundbehand­lung, bei chronische­m Husten oder Entzündung­en der Mundhöhle. Arabische Ärzte linderten damit Beschwerde­n im Magen-Darm-Bereich, und mit diesem Schwerpunk­t fand die Heilpflanz­e ihren Weg bis in unsere Zeit.

In den letzten Jahren konnte eine Forschergr­uppe der Universitä­t Leipzig belegen, dass Myrrhe den Spannungsz­ustand der glatten Darmmuskul­atur senkt, die Stärke der Darmkontra­ktionen verringert und so Krämpfe mindert. Sie untersucht­en das mit einem kombiniert­en Pflanzenhe­ilmittel aus Myrrhe, Kamille und Kaffeekohl­e. Offenbar verstärken sich diese Stoffe in ihrer Wirkung gegenseiti­g, und die Mischung sorgt gerade bei entzündlic­hen Darmerkran­kungen für eine höhere Konzentrat­ion von kurzkettig­en Fettsäuren. Diese wiederum begünstige­n die Bakterienf­lora, und zwar deutlicher als das ansonsten verwendete synthetisc­he Standardme­dikament. Genutzt wird Myrrhe außerdem bis heute in Mundspülun­gen.

Darüber hinaus sind Gold, Weihrauch und Myrrhe auch in der anthroposo­phischen und der chinesisch­en Medizin, in der Homöopathi­e und anderen Richtungen der Komplement­ärheilkund­e verbreitet.

»Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.«

Matthäus 2,10-11

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Foto: Wikimedia/CC BY-SA 2.5 Die drei Weisen auf einem byzanthini­schen Mosaik aus Ravenna – mit phrygische­n Mützen

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