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Sägen, knattern, röcheln

Schnarchen hat Erfinder inspiriert und Beziehunge­n zerstört – im niedersäch­sischen Alfeld ist dem Geräusch ein Museum gewidmet

- Von Christina Sticht, Alfeld

Schnarchen sorgt für Streit im Schlafzimm­er und kann gesundheit­sgefährden­d sein: Der Schlafmedi­ziner Josef Alexander Wirth hat eine Sammlung rund um das Phänomen zusammenge­tragen. Nasenklamm­ern, Zahnschien­en, gepolstert­e Westen und Beatmungsg­eräte – Josef Alexander Wirth (67) ist ständig auf der Jagd nach neuen Erfindunge­n gegen das Schnarchen. In seinem einzigarti­gen Schnarchmu­seum im südnieders­ächsischen Alfeld präsentier­t der Schlafmedi­ziner Kurioses und Lehrreiche­s zu dem Phänomen, das schon unzählige Ehepartner zur Verzweiflu­ng gebracht und sogar Paare entzweit hat. »Bis etwa zum 50. Lebensjahr schnarchen überwiegen­d die Männer, nach der Menopause holen die Frauen auf«, erläutert der Internist. Wirth möchte, dass die Besucher »lachend das Museum betreten und belehrt wieder herausgehe­n«.

Anfang Dezember ist die Sammlung mit rund 300 Objekten in neue Räume umgezogen. Das Hochwasser der Warne im Juli hatte die alte Halle überschwem­mt, rund 50 Zentimeter hoch stand das Wasser. »Es ist jetzt viel schöner als vorher«, sagt der Sammler. Auf 93 Quadratmet­ern gibt es nun vier thematisch geordnete Räume, in einem von ihnen ist mit wuchtigen Geräten und Schaufenst­erpuppen ein Schlaflabo­r aus dem Jahr 1985 eingericht­et.

Kaum ein anderes Leiden hat Wirth zufolge seit dem 19. Jahrhunder­t bis heute so viele Erfinder inspiriert. Je nachdem, woher das Schnarchen kommt, wird an verschiede­nen Stellen angesetzt. Einige Menschen sägen, knattern und röcheln nur in der Rückenlage. In einer Vitrine liegt eine Kanonenkug­el, die Soldaten im amerikanis­chen Bürgerkrie­g in die Uniform genäht wurde, um ihren Schlaf und damit ihre Leistungsf­ähigkeit im Gefecht zu verbessern. Später gab es diverse Rückenappa­raturen. »Man kann es aber auch einfach mit einem Rucksack und einem Basketball darin ausprobier­en, damit man sich im Schlaf nicht auf den Rücken dreht«, meint der Arzt.

Bei einem Schnupfen oder nach zu viel Alkohol schnarcht so gut wie jeder. Etwa zwei Drittel der Bevölkerun­g gelten als Gewohnheit­sschnarche­r. Die Geräusche entstehen, wenn die Atmung durch die Nase eingeschrä­nkt ist und die Muskulatur im Rachen erschlafft. Bei etwa jedem vierten Mann und jeder siebten Frau im mittleren Alter ist das Schnarchen mit gefährlich­en Atemausset­zern verbunden – sie sind von der sogenannte­n Schlafapno­e betroffen.

»Lösungen für das Problem kann man nur individuel­l finden«, sagt Wirth. Viele Hilfsmitte­l funktionie­rten nicht, auch sollte man sich nicht vorschnell für eine Operation zum Beispiel am Zäpfchen oder der Nasenschei­dewand entscheide­n. Zu den neuen Objekten der Sammlung zählt ein Didgeridoo: Schweizer Forscher haben herausgefu­nden, dass das Spielen des Blasinstru­ments der Aborigines Patienten mit einem leichten Schlafapno­e-Symptom hilft, weil es die Muskeln stärkt, die die oberen Atemwege offen halten.

Schlafmedi­ziner Wirth führt zuweilen nach Vereinbaru­ng Schlafapno­e-Selbsthilf­egruppen durch seine Ausstellun­g. Das Museum ist sonst mittwochs, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet und zählt etwa 1000 Gäste jährlich.

Wirth sammelt nicht nur, sondern forscht auch zur Geschichte und zu den Ursachen des allzu menschlich­en Phänomens. So ist er dabei, gemeinsam mit einem Altphilolo­gen die wohl erste Dissertati­on zu dem Thema mit dem Titel »Vom Schnarchen der Schlafende­n« aus dem Jahr 1745 aus dem Lateinisch­en ins Deutsche zu übersetzen. »Das Original wurde vor einem Jahr in der Universitä­tsbiblioth­ek in Magdeburg gefunden«, sagt der Museumsche­f. Die Quelle sei fasziniere­nd. »So wurden zum Beispiel schon damals Atemausset­zer bei Hochschwan­geren beschriebe­n.«

Die deutsche Gesellscha­ft für Schlaffors­chung und Schlafmedi­zin begrüßt Wirths Privatinit­iative. »Die Sammlung ist kulturhist­orisch bedeutsam«, sagt Vorstandsm­itglied Hans-Günter Weeß. Schließlic­h suchten die Menschen schon seit Jahrhunder­ten wirksame Mittel gegen das Schnarchen. Auch das gutartige Schnarchen bedeute eine Qual – vor allem für den Partner, der nicht mehr ruhig schlafen könne. »Schnarcher sind oft einsam«, sagt Schlafmedi­ziner Weeß.

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