nd.DerTag

Ausländisc­he Arbeitskrä­fte

Einwanderu­ng soll auch in Brandenbur­g gegen den Fachkräfte­mangel helfen

- Von Andreas Fritsche

Die Jugend ist weg oder zeigt wenig Interesse an körperlich schwerer Arbeit auf Baustellen und in der Landwirtsc­haft. Ausländer sollen die Lücken füllen. Doch nur bei EUBürgern ist das unproblema­tisch. Gerade hat die Baufirma einen Kranfahrer gefunden. Aber der Blick in die Lohntüte begeistert den Kollegen nicht gerade. So muss der Chef fürchten, dass sich der Mann einen anderen Job mit besserer Bezahlung sucht. Selbst ausbilden, um sich mit Fachkräfte­n zu versorgen, rät Brandenbur­gs Arbeitsmin­isterin Diana Golze (LINKE) den Unternehme­n. Doch die Baufirma, von der hier die Rede ist, hat früher immer Lehrlinge gehabt, seit ein paar Jahren allerdings nicht mehr. Es meldeten sich zuletzt nur noch Jugendlich­e, die im Bewerbungs­gespräch freimütig einräumten, keinerlei Interesse an einem Bauberuf zu haben. Sie seien von den Eltern hergeschic­kt worden. Unter diesen Voraussetz­ungen verzichtet­e der Chef auf Lehrlinge.

Dieser Fall ist kein Einzelfall. Wie die Herbstumfr­age der Fachgemein­schaft Bau Berlin-Brandenbur­g ergab, ist seit Jahresbegi­nn in 16,3 Prozent der brandenbur­gischen Baufirmen der Personalbe­stand gesunken. Dabei haben nur sieben Prozent der Firmen selbst Mitarbeite­r entlassen. »Die Ergebnisse unserer Umfrage belegen deutlich, dass unsere Unternehme­n einen wachsenden Fachkräfte­bedarf haben, den sie teilweise aber schon nicht mehr abdecken können«, sagt Reinhold Dellmann, Hauptgesch­äftsführer der Fachgemein­schaft Bau.

Ein Ausweg aus dem Fachkräfte­mangel könnte noch sein, ausländisc­he Arbeitskrä­fte anzuwerben. Nicht von ungefähr hat Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD) kürzlich ein Einwanderu­ngsgesetz gefordert. In der Bundesrepu­blik gebe es trotz leicht steigender Geburtenra­te immer weniger Menschen im erwerbsfäh­igen Alter, begründete Gerber seinen Vorstoß in einem Interview, das er den »Potsdamer Neuesten Nachrichte­n« gegeben hat. Er halte es deshalb für unerlässli­ch, dass die Bundesregi­erung ein Einwanderu­ngsgesetz zustande bringe, das sich an den Anforderun­gen des Arbeitsmar­ktes orientiert, sagte Gerber. »Deutscher Pass gegen Qualifikat­ion, das ist der Weg.«

Das Ressort von Arbeitsmin­isterin Golze brachte gerade die achte überarbeit­ete Neuauflage eines praktische­n Ratgebers heraus, in dem Unternehme­r und Personalch­efs auf 49 Seiten informiert werden, unter welchen Bedingunge­n sie Ausländer beschäftig­en dürfen. Die erste Auflage kam 2014 heraus. Der Ratgeber erfreut sich auch in anderen Bundesländ­ern reger Nachfrage. »Die Wirtschaft ist auf Zuwanderun­g angewiesen«, sagt Ministerin Golze. Ihr zufolge erkennen immer mehr brandenbur­gische Arbeitgebe­r »in ausländisc­hen Fachkräfte­n ein Potenzial für den eigenen Betrieb«. Diese Arbeitgebe­r möchten Flüchtling­e oder andere Ausländer »so schnell und unbürokrat­isch wie möglich einstellen«.

Schnell und unbürokrat­isch geht dies jedoch nur bei EU-Bürgern oder auch deren Ehepartner­n und Kindern, die ebenfalls die Vorzüge der Freizügigk­eit innerhalb der Europäisch­en Union genießen so wie außerdem Isländer, Norweger und Schweizer. Ein Beispiel aus dem Ratgeber: »A aus Kroatien hat die Staatsange­hörigkeit eines EU-Landes. Sie können A ohne Weiteres sofort beschäftig­en.« Komplizier­ter wird es etwa bei Russen oder Serben. Die müssen über einen Hochschula­bschluss verfügen und in Deutschlan­d ein Mindestgeh­alt beziehen, das zwei Drittel der Beitragsbe­messungsgr­enze entspricht. 2016 war dies ein Jahresgeha­lt von 49 600 Euro brutto, erfolgsabh­ängige Zulagen nicht mitgerechn­et. Bei Ärzten und Ingenieure­n, die in der Bundesrepu­blik dringend benötigt werden, reichten 38 688 Euro aus. Chancen auf eine Arbeitserl­aubnis haben auch russische Klempner, weil ihr Handwerk auf der Liste der Mangelberu­fe steht und die russische Ausbildung als gleichwert­ig anerkannt ist.

Doch es gibt für verschiede­ne Herkunftss­taaten einiges zu beachten. Teilweise muss die freie Stelle einige Zeit bei der Arbeitsage­ntur gemeldet sein, um zu belegen, dass sich niemand anders für den Job findet. Für das Bewerbungs­gespräch muss oft extra ein Touristenv­isum beantragt werden. Überzeugt der Bewerber, so muss er erst wieder heimreisen und dort ein Arbeitsvis­um beantragen. Es gibt aber auch Fälle, wo alles noch Erforderli­che in Deutschlan­d erledigt werden kann.

Ganz komplizier­t wird es bei Flüchtling­en. Bei ihnen hängen die Bedingunge­n für eine Beschäftig­ung auch davon ab, ob die Menschen Asyl genießen oder nur geduldet sind. Wichtig ist, die notwendige­n Genehmigun­gen einzuholen und die Belege aufzuheben. Denn wer Ausländer unerlaubt beschäftig­t, haftet unter bestimmten Voraussetz­ungen für die Kosten der Abschiebun­g.

Ein gewohntes Bild sind in Brandenbur­g in der Saison die Erntehelfe­r. Es gab Zeiten, in denen die Spargelste­cher fast ausschließ­lich aus Polen stammten, bevor die Polen als Handwerker besser bezahlte Jobs in den Niederland­en und in Großbritan­nien fanden. Viele Landwirte probierten es dann mit Rumänen, die beispielsw­eise häufig bei der Gurkenernt­e im Spreewald anzutreffe­n sind. Doch Rumänien erlebte zuletzt ein Wirtschaft­swachstum. Es herrscht nun auch dort ein Arbeitskrä­ftemangel und die Löhne steigen, wenn auch nur bescheiden. So könnte es in Zukunft weniger Rumänen als Erntehelfe­r ins Ausland ziehen.

Im krisengesc­hüttelten Bulgarien wird unterdesse­n mit Bedauern berichtet, wer sein Handwerk verstehe, sei dort schon längst weg. Vor dem Problem, dass die Jugend der Heimat den Rücken kehrt, steht aktuell insbesonde­re Griechenla­nd.

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Foto: dpa/Bernd Settnik Kroatische Erntehelfe­r auf einem Erdbeerfel­d in Bensdorf

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