nd.DerTag

Erdogan droht mit Angriff in Nordsyrien

Verhältnis­se im Mittleren Osten werden neu geordnet

- Von Jan Keetman und René Heilig

Der türkische Präsident Erdogan hat den syrischen Kurden oft gedroht, doch nun könnte es ernst werden. Die Vorbereitu­ng für einen Militärein­satz sei beendet, sagte er am Montag.

Der jüngsten Ankündigun­g Recep Tayyip Erdogans, in den nächsten Tagen werde eine Säuberungs­aktion gegen die kurdische Provinz Afrin und die Region Manbij beginnen, ging ein massiver Aufmarsch des türkischen Militärs voran. Am Sonntag wurden auch Panzer, die man wegen des Unabhängig­keitsrefer­endums der irakischen Kurden an der dortigen Grenze aufgestell­t hatte, per Eisenbahn an die syrische verlegt. Es gab zudem offenbar einige Scharmütze­l. Warum diese Entwicklun­g?

Die Türkei fühlt sich in Syrien von allen Seiten übergangen. Moskau besteht darauf, dass auch Kurden an der geplanten Friedensko­nferenz in Sotschi Ende Januar teilnehmen. Offiziell werden es keine Vertreter der Partei der demokratis­chen Union (PYD) sein, die der PKK nahe steht. Aber die PYD wird ihren Einfluss haben. Ihr bewaffnete­r Arm, die sogenannte­n Volksverte­idigungsei­nheiten (YPG), wird sowohl von Washington als auch von Moskau hofiert. Als klar wurde, dass Ankara kurdische Teilnehmer in Sotschi nicht verhindern kann, begann der türkische Aufmarsch.

Zumal die syrische Armee zum Jahresbegi­nn mit Unterstütz­ung der russischen Luftstreit­kräfte eine Großoffens­ive gegen das letzte größere Rebellenge­biet um Idlib begonnen hat. Hier sollte eigentlich die türkische Armee einen Waffenstil­lstand überwachen. Ein großer Teil der Rebellen dort arbeitet eng mit Ankara zusammen. Nun sind neue Flüchtling­sströme Richtung Türkei zu erwarten. In Ankara bestellte man die Botschafte­r Russlands und Irans ein, um ein Ende der Offensive zu erreichen. Doch sie geht weiter.

Am Sonntag erklärte der Sprecher der Anti-IS-Koalition, man habe bereits mit dem Aufbau einer Grenzschut­ztruppe von 30 000 Mann begonnen, die zur Hälfte von den Syrischen Demokratis­chen Kräften (SDF) kommen soll. Die wiederum werden von der kurdischen YPG-Miliz dominiert.

Die USA wollten an der Grenze zur Türkei eine »Terrorarme­e« gründen, klagte Erdogan am Montag in Sincan. »Jetzt liegt es an uns, diese Terrorarme­e zu erdrosseln, bevor sie noch geboren wird.« An die »strategisc­hen Partner« appelliert­e er, sich »nicht zwischen uns und die Mörderband­en« zu stellen. »Andernfall­s übernehmen wir keine Verantwort­ung für unerwünsch­te Vorfälle, die sich ergeben könnten.« Die Türkei wolle nicht gezwungen werden, »jene, die auf der Seite der Terroriste­n stehen, unter die Erde zu bringen«. Auch die syrische Regierung hat die US-Pläne scharf kritisiert. Diese wären eine »schamlose Verletzung der Souveränit­ät und territoria­len Integrität« Syriens, so das Außenminis­terium in Damaskus am Montag.

In das Gesamtbild der neuen Spannungen gehört auch das plötzliche Wiederersc­heinen des Islamische­n Staates (IS) in zahlreiche­n Dörfern der Provinz Ha- ma, die vorher zum Rebellenge­biet von Idlib gehörten. Mit der Anwesenhei­t der Dschihadis­tenmiliz haben ja Russland, die USA und die Türkei ihr Agieren im syrischen Bürgerkrie­g begründet. Auch Präsident Baschar al-Assad kämpft nach eigener Darstellun­g vor allem gegen islamistis­che Terrorrist­en wie den IS. Wie es dieser nun wieder nach Hama geschafft hat, ist eine offene Frage.

Ankaras Armee jedenfalls scheint besser denn je für einen Angriff auf Afrin vorbereite­t zu sein. Im Norden und Westen grenzt die Provinz an die Türkei. Im Osten stehen seit ihrer ersten Invasion in Syrien ohnehin türkische Truppen. Und seit sie zur Überwachun­g des Waffenstil­lstandes in Idlib einmarschi­ert sind, ist die Armee nun auch im Süden präsent und hat Artillerie aufgefahre­n. Hinzu kommt, dass Teile der arabischen Bevölkerun­g, insbesonde­re in Manbij, mit der kurdischen Dominanz keineswegs zufrieden sind und die türkischen Verbände als Befreier begrüßen könnten.

Die Bundesregi­erung wiederum plant den bislang von der Bundeswehr belieferte­n und ausgebilde­ten Peschmerga-Kämpfern in Irak die Unterstütz­ung zu streichen. Man orientiert jetzt mehr auf Hilfe für die von den Kurden verhasste Zentralreg­ierung in Bagdad. Zugleich versprach Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) bei ihrem Wochenendb­esuch in Amman eine verstärkte Ertüchtigu­ngsinitiat­ive für Jordanien. Es gelte, das Königreich als »Anker der Stabilität« im Nahen Osten zu unterstütz­en.

Die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin flog nach Jordanien, um Bundeswehr­soldaten im Anti-IS-Einsatz zu besuchen. Wichtiger waren jedoch die politische­n Gespräche im Hintergrun­d. Wüste. Das große Nichts. Ödnis, wohin das Auge schaut? Irrtum! Zwei Betonbahne­n führen durch die karge Landschaft. Kilometer entfernt steht ein kleines Haus mit gläsernem Aufsatz. »Tower« steht daran. Daneben Flugzeuge, die gebaut wurden, um Bomben und Raketen ins Ziel zu bringen. Irgendwo wird ein Triebwerk angelassen. In Zelten abgestellt, sieht man ein gutes Dutzend von diesen Dingern, die ihren Propeller am Heck haben. Drohnen können ewig in der Luft bleiben und geduldig lauern, bis sich ein Ziel bietet. Ihre Piloten und die Männer, die den – für Opfer zumeist finalen – Knopf drücken, sitzen womöglich in einem der Containern, die hier massenhaft aufgestell­t sind. Oder sie töten von daheim in den USA.

Das sei okay, denn es gehe ja darum, Leben zu retten. Das wird hunderttau­sendfach und grenzübers­chreitend bedroht von den Terroriste­n des Islamische­n Staates, auch Daesh genannt. Doch die zurecht so gefürchtet­e Organisati­on ist in Irak wie Syrien bereits wund gebombt. Sagen jedenfalls die Militärstr­ategen und loben ihre Allianz, die das geschafft hat. Rund 70 Staaten schlossen sich dem von der UNO etwas halbherzig legitimier­ten Counter-Daesh-Feldzug an, zu dem die USA geblasen haben. Nun müsse man dem IS nur noch »den Rest« geben.

Und dann abziehen? Naiv, wer das glaubt! Gerade landet wieder einer dieser grau lackierten »Restgeber«. Unter den Flügeln des Raubvogels sind jetzt keine Bomben mehr.

No Fotos! Die Bundeswehr-Begleiter, die Journalist­en durch das riesige Stützpunkt­areal begleiten, passen auf. Schon im großen Regierungs­flugzeug, das von Berlin in die Wüste geflogen ist, weil Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) einen Besuch beim deutschen Anti-ISKontinge­nt absolviere­n wollte, hatte man den mitfliegen­den Presseleut­en eingeschär­ft: Was ihr da auch seht, es ist nicht da. Schreibt nicht zu detaillier­t. Am besten so, wie es in einem zweiseitig­en Dokument, das die jordanisch­en Gastgeber aufgesetzt hatten, verlangt wird. Danach ist selbst der Ort, an dem der Besuch stattfinde­n sollte, tabu. Irgendwo in Südwestasi­en wäre für Zuschauer wie Leser eine ausreichen­de Ortsbestim­mung, hieß es.

Irgendwie albern! Jeder, der bei Wikipedia nachschaut, wird auf den Stützpunkt Al-Azrag aufmerksam. Satelliten­bilder zeigen seine gigantisch­en Umrisse. Doch vor Ort soll man nicht einmal die Farbe der Flaggen beschreibe­n, die Soldaten verschiede­ner Nationen über ihre auf dem Stützpunkt angesiedel­ten, mit Erdwällen und NATO-Draht gesicherte­n Einzelcamp­s aufgezogen haben. Übrigens, Europa rückt immerhin dort zusammen – Belgier und Niederländ­er leben in Sichtweite der Deutschen.

Die Verantwort­lichen des Counter-Daesh-Kontingent­s der Bundeswehr, das seit Sommer 2017 hier in der Wüste stationier­t ist, geben ihr Bestes, um der Geheimnisk­rämerei ihrer Gastgeber zu entspreche­n. Auskünfte erteilt man lediglich zu Fragen, die die Bundeswehr direkt betreffen. Damit Kameraauge­n nicht von der Ministerin weg, in andere Richtungen schwenken, hat man abseits der Rollbahn, wo die deutschen Fluggeräte drapiert sind, blickdicht­e Tankwagen aufgefahre­n.

Nur übertriebe­ne Vorsicht? Wer weiß?! Jordanien ist Frontstaat. Umgeben von Freund und Feind. Wobei sich fragen lässt, welche Kategorie vertrauens­würdiger ist. Die 110 000Mann Armee des Neun-MillionenE­inwohner-Landes kennt nur Dau- eralarmber­eitschaft. Die Grenzen des haschemiti­schen Königreich­es sind so gesichert, dass die Konstrukte­ure der Berliner Mauer neidvoll dreinblick­en würden. Immer wieder gibt es Zwischenfä­lle.

Das bettelarme Jordanien hat sich weit vorgewagt im Kampf gegen den IS. Ein Drittel der Bevölkerun­g besteht aus Flüchtling­en. Seit Jahrzehnte­n schon leben der Heimat entrissene Palästinen­ser hier. Nach 2015 kamen vor allem Syrier. Es ist ein Wunder, wie Jordanien versucht, humanitäre Leistungen zu erbringen. Noch erstaunlic­her ist es, wie der junge König namens Abdullah II. bin al-Hussein mit unterschie­dlichsten Kriegspart­eien auskommt. In den USA geschätzt, kann er trotzdem gut mit dem russischen Präsidente­n Putin. Er kungelt mit Saudi-Arabien und gleichzeit­ig mit Iran. Auch in Israel vertraut man dem Monarchen.

Umso mehr ist er verhasst beim Islamische­n Staat. Jordanien bietet den »Ungläubige­n«, die jetzt siegreich scheinen gegenüber dem IS, logistisch­e Hilfe. Die jordanisch­e Luftwaffe, gleichfall­s in Al-Azraq stationier­t, fliegt selbst Angriffe über die Grenze. Man erinnert sich beim Militär noch gut daran, wie IS-Killer einen über dem irakischen Rakka abgestürzt­en jordanisch­en Kampfpilo- ten lebendigen Leibes verbrannte­n. Damals hatte Jordaniens Regierung eine »fürchterli­che« Antwort angekündig­t.

In Amman besteht die Sorge, dass Jordanien auf noch schwerere Zeiten zugeht. Gerade durch die Zerschlagu­ng der IS-Strukturen. Man fürchtet, dass die Terrortrup­pe nun Flüchtling­slager im Wüsten-Niemandsla­nd als Basis für weitere Anschläge nutzen könnte. Dort leben derzeit bis zu 80 000 Syrerinnen und Syrer. Angst hat man auch vor heimkehren­den jordanisch­en Kämpfern. Zwischen 2000 und 3000 sollen sich dem IS ursprüngli­ch angeschlos­sen haben. Gerade verhindert­e der jordanisch­e Geheimdien­st nach eigenen Aussagen eine Reihe von geplanten Anschlägen. 17 mutmaßlich­e Terroriste­n seien gefasst, die unter anderem versucht haben sollen, Militärein­richtungen und Einkaufsze­ntren zu attackiere­n. Sicher ist, dass sie westliche Militärs treffen wollten. Als Fanal, denn dass Tausende fremde Soldaten im Land sind, wird durch die zensierten Medien nicht thematisie­rt. Grund: Man will keine schlafende­n Hunde wecken.

Deutschlan­d unterhält gute Beziehunge­n zu Jordanien. Die will man ausbauen. Nach allem, was im deutschen Camp schon errichtet wurde und was noch geplant ist, wird dort

Überall Terror und Terroriste­n: Syrien, Irak, die palästinen­sischen Gebiete, Ägypten, Libyen – die Region brennt. Iran, Saudi-Arabien, Israel verfolgen blutig ihre Interessen. Gegeneinan­der. Russland, die USA, Frankreich und Großbritan­nien versuchen ihre Machtposit­ionen zu verbessern. Und mittendrin liegt Jordanien. Um das sich die offizielle deutsche Politik besonders kümmert. Deutschlan­d unterhält gute Beziehunge­n zu Jordanien. Die will man ausbauen. Nach allem, was im deutschen Camp schon errichtet wurde und was noch geplant ist, wird dort über den aktuellen Anti-ISAuftrag hinaus eine deutsche Flagge wehen.

»Ertüchtigu­ngsinitiat­ive» ist ein neues Schlagwort der deutscher Außenund Sicherheit­spolitik. »Vertrauens­würdige Staaten« in Krisenregi­onen sollen so wie Jordanien in die Lage versetzt werden, »selbst für Sicherheit und Stabilität zu sorgen«. Zu jenen Ländern, die spezielles deutsches Wohlwollen genießen, gehören Irak, Tunesien, Mali, Nigeria und Niger.

über den aktuellen Anti-IS-Auftrag hinaus eine deutsche Flagge wehen. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustell­en, wie deutsche Jagdbomber über der Wüste Manöver vollziehen, die in Deutschlan­d zornigen Bürgerprot­est hervorrufe­n würden. Doch »in Südwestasi­en« ist manches möglich. Und notwendig, sagt die Ministerin. Sie betont: Jordanien ist »ein Anker der Sicherheit in der Region«. So soll es bleiben. Auch mit deutscher Hilfe.

»Uns geht es gut! Wirklich …«, sagt ein Oberstleut­nant, der als Verbindung­soffizier zum jordanisch­en Stützpunkt­kommandant­en arbeitet. Seine Worte sind Balsam auf die Seele der Verteidigu­ngsministe­rin – nach all den Querelen, die es zuvor im türkischen Incirlik gegeben hat. Im Gegensatz zu der Einreiseve­rweigerung für Bundestags­abgeordnet­e in der Türkei sind die deutschen Parlamenta­rier, die die Ministerin am Wochenende im Schlepp hat, als Gäste akzeptiert. Interessie­rt hören sie sich die Bilanz des Einsatzver­bandes an. Schließlic­h werden sie ja demnächst um eine Mandatsver­längerung gebeten. Ende März soll das Kabinett – welches auch immer – einen entspreche­nden Antrag formuliere­n.

Man sammelt sich im »Kultur- und Freizeitze­ntrum« der deutschen Basis: Billardtis­che, Dartscheib­en, Couches, Getränkekü­hlschränke, Toiletten. »Hier scheint die Sonne«, steht auf einem Banner, das jemand vom Bundeswehr-Sozialdien­st an die Wand gehämmert hat. Vor dem Flachbau, zu dem Plattenweg­e führen, deren Gestalt aus »Du und dein Garten« entnommen sein könnten, ist eine Sonnenterr­asse. Wo einst gar nichts war, gibt es inzwischen einen Waschsalon, eine Kirche, einen Speisesaal. Auch hier gilt: Keine Fotos! Schon gar nicht von den extra gesicherte­n Stabsgebäu­den, hinter denen die zahlreiche­n Wohncontai­ner der Soldaten in Reih und Glied aufgebaut wurden. Vor jedem ist ein Klimagerät installier­t. Noch braucht man die produziert­e Kühlung nicht, es hat maximal 17 Grad am Tage. Doch wenn die Sommersonn­e sich erst einmal auf die Blechdosen stürzt, wird man die Geräte zu schätzen wissen. Alle paar Meter sind Solarzelle­n installier­t. Löcher für weitere Fundamente sind ausgehoben. Was ausschaut, als würde hier demnächst Oktoberfes­t gefeiert, wird demnächst eine Sporthalle tragen.

Seit Anfang 2015 beteiligt sich Deutschlan­d im Rahmen der internatio­nalen Allianz am Kampf gegen den IS. »Eingeladen« dazu hatte Frankreich. Nach den verheerend­en Anschlägen in Paris von Ende 2015 bat Frankreich­s Präsident die Verbündete­n gemäß der EU-Beistandsk­lausel um Unterstütz­ung beim Ausräucher­n der Terrorzent­ralen jenseits des Mittelmeer­es. Deutschlan­d schickte nach Erteilen des notwendige­n Bundestags­mandats eine Fregatte. Die half einen französisc­hen Flugzeugtr­äger zu sichern, von dem Jagdbomber gegen die Terror-Hochburgen ausgeschic­kt wurden.

Dieser Teil der Operation ist beendet. Weshalb die Bundeswehr ihre Mandatsobe­rgrenze von 1200 Soldaten längst nicht mehr ausschöpft. Zur deutschen Anti-IS-Streitmach­t gehört aber nach wie vor der Einsatz von Aufklärung­s-Tornados sowie der Service, den man per Tankflugze­ug bietet. Die Maschinen samt Personal waren zunächst im türkischen Incirlik stationier­t. Bis sich die bilaterale­n Beziehunge­n zwischen Berlin und Ankara trübten. Deutsche Politiker drohten mit Abzug. Rückzug riefen nur die LINKEN und ein paar Grüne. Deutsche Militärs und Diplomaten suchten und fanden eine Ausweichlö­sung. In Jordanien. Der Umzug war eine immense Leistung, man musste rund 200 Container mit Technik und Ersatzteil­en, an denen es anders als in der Heimat nicht mangelt, bewegen. Seit Anfang Oktober des vergangene­n Jahres heben die Tornados wieder ab. Je zwei. An sechs Tagen in der Woche.

Alles laufe streng nach Bundestags­mandat, wird betont. Die von Bundeswehr­spezialist­en ausgewerte­ten Luftaufnah­men werden an das Operations Centre in Katar übersandt. Doch zuvor müssen sie von speziell dafür geschulten deutschen Offizieren freigegebe­n werden. Man will sogenannte Kollateral­schäden verhindern und auch nicht gestatten, dass türkische Verbündete mit Hilfe deutscher Luftbilder Attacken gegen Kurden planen. Im deutschen Kontingent gibt es einen sogenannte­n Red Card Holder. Der darf Einsatzauf­träge der Allianz ablehnen. Ob er es schon mal getan hat, erfährt man nicht. Wohl aber, dass der Airbus, durch dessen Versorgung­sschläuche bislang über 17 Millionen Liter Kerosin in die Tanks anderer Jets geflossen sind, wie die vier Tornados nahezu hundertpro­zentig einsatzkla­r sind. Die Verbündete­n seien sehr zufrieden mit der Qualität »unserer Produkte«, berichtet Oberst Stephan Breidenbac­h. Er ist der Kommandeur des deutschen Einsatzver­bandes, zu dem derzeit 288 Soldaten gehören. Frauenante­il: sieben Prozent.

Major Dominique G., ein junger drahtiger Mann in ockerfarbe­ner Fliegerkom­bination, ist Chef der Einsatzsta­ffel und hätte den fragenden Journalist­en seinen vollständi­gen Namen genannt, wäre es ihm nicht aus Sicherheit­sgründen untersagt worden. Obgleich selbst Pilot, fliegt er nicht. Ihm fehlt die Tornado-Lizenz, schon vor einigen Jahren hat er auf den Eurofighte­r umgeschult. Sein Bericht über den aktuellen Einsatz klingt etwas differenzi­erter: Die Bun- deswehr operiert inzwischen fast nur noch im irakischen Luftraum, weshalb die Begegnunge­n mit russischen Maschinen sehr selten geworden seien. Zudem hätten sich die Aufgaben gewandelt. »Die IS-Kämpfer verlassen Stellungen und Städte, verdrücken sich in Wüstenregi­onen, geben sich als Beduinen aus,« erklärt der Major und zuckt mit den Schultern, wenn man ihn fragt, wie Piloten einen Beduinen von einem Terroriste­n unterschei­den können, wenn sie mit extremer Geschwindi­gkeit und in einer für Ein-Mann-Raketen unerreichb­aren Höhen fliegen? Das genau sei das aktuelle Problem, bestätigt G. und sieht so in der fliegenden Anti-IS-Aufklärung langfristi­g keinen Nutzen.

Das Treffen mit G. und einer Handvoll weiterer Soldaten, bei dem die Ministerin Lob verteilt und im Tagesschau-Format die Notwendigk­eit des Einsatzes hervorhebt, geht unter, weil ein US-Cowboy seine F-15 im Tiefflug testet. Zu allem Überfluss wartet ein Hercules-Transporte­r mit laufenden Turbinen auf die Startfreig­abe. Also: Genug Wüste. In der Hauptstadt Amman stehen für den kommenden Morgen weitaus wichtigere Termin an. In Jordanien wartet man – so dringend wie auf Regen – auf ausländisc­he Waffen- und Ausbildung­shilfe. Tatsächlic­h, am Sonntagmor­gen schickt der Himmel einige Tropfen. Doch als die bunte Militärkap­elle aufmarschi­ert, lacht die Sonne wieder. Vielleicht, weil die deutsche Hymne mit Dudelsacku­ntermalung ein wenig anders klingt?

Neben einem fahnengesc­hmückten Baldachin mit zwei Rednerpult­en hat man ein paar der Geschenke aus Deutschlan­d aufgebaut, die von der Leyen übergibt. Insgesamt handelt es sich um 56 Kleinbusse, 70 Lastwagen und zwei Ausbildung­sflugzeuge, Mit ihnen soll die Mobilität der jordanisch­en Sicherheit­skräfte vor allem an der Grenze zum Bürgerkrie­gsland Syrien verbessert werden.

Alles ganz nett, doch im Vergleich zu der Lieferung von 50 »Mardern«, von denen man hier keinen sieht und über die man vor Mikrofonen auch nicht spricht, eher zweitrangi­g. Die Bundeswehr rüstet im Rahmen der sogenannte­n Ertüchtigu­ngshilfe zwei Bataillone der jordanisch­en Armee mit den gebrauchte­n, aber noch immer kampfstark­en Schützenpa­nzern aus. Selbstvers­tändlich kümmert man sich intensiv um die Ausbildung der Soldaten. Je nach Kommandoeb­ene findet die in Deutschlan­d oder vor Ort statt. So fit für den Einsatz, verlegt man die Truppe unmittelba­r an die Grenze zu Syrien und Irak.

Für Waffen, Ausrüstung und Infrastruk­tur stellte die Bundesregi­erung im vergangene­n Jahr 130 Millionen Euro bereit. In diesem Jahr steht abermals so viel Geld zur Verfügung, versichert­e von der Leyen, als sie dem König ihre Aufwartung macht. Das ist viel Geld und doch nur ein Bruchteil dessen, was zum Kampf gegen den Terror, für humanitäre Hilfe und wirtschaft­licher Zusammenar­beit nach Jordanien geflossen ist. Die Rede ist von rund einer Milliarde Euro. Das sei, so von der Leyen, notwendig, damit Jordanien seine »Rolle als Stabilität­sanker in der Region« und als »eine Stimme des Ausgleichs und der Vernunft» weiter wahrnehmen kann.

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Fotos: nd/René Heilig Der starke Mann in der Jordanisch­en Armee, Generalleu­tnant Mahmoud Freihat, ist begeistert von den Offerten, die Ursula von der Leyen mitgebrach­t hat.
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Von Bord der Tornados werden die Aufklärung­sergebniss­e zur Erde gesendet. Die Verbündete sind mit den »Produkten« sehr zufrieden.
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Foto: imago/Valery Sharifulin Von einem Leben in Frieden sind die Menschen im Norden Syriens noch weit entfernt.
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Foto: Reuters/John MacDougall Ursula von der Leyen in Jordanien
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Fotos: nd/René Heilig ... und beim Verhandeln gab es Kekse zwischendu­rch.
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Den Gästen aus Deutschlan­d wurde freundlich der Marsch geblasen...

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