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Neue Fronten am Golan?

In Syrien rücken Israel und Iran enger gegeneinan­der – Moderator gesucht

- Von René Heilig

Der Islamische Staat (IS) ist am Ende. Doch von Frieden und Sicherheit ist man in der Nahost-Region weit entfernt. Zu viele Akteure mit zu vielen politisch-strategisc­hen Interessen mischen mit. Der IS ist in die Wüste getrieben. Nun steht vor allem in Syrien eine Neuordnung der machtpolit­ischen Verhältnis­se an. Doch das ist alles andere als eine innere Angelegenh­eit. Fremden Truppen aus Russland, den USA, der Türkei, Großbritan­nien und aus Iran stehen im Land. Sie führen eigenständ­ige Operatione­n aus und kommandier­en syrische Milizen, die ganze Regionen beherrsche­n.

Vor allem Moskaus Eingreifen in Syrien hat dazu geführt, dass der IS und andere islamistis­che Gruppierun- gen an Einfluss verloren haben und Syriens Machthaber Baschar al Assad wieder fester im Sattel sitzt. Vor Jahren noch wäre das im benachbart­en Israel ein Grund zum Durchatmen gewesen. Obwohl beide Staaten sich seit rund einem halben Jahrhunder­t im Kriegszust­and befinden und Israel mit den Golan-Höhen wichtige Gebiete Syriens besetzt hält, war die Herrschaft der Familie Assad eine Garantie für eine relative Koexistenz. Jede Seite war für die andere berechenba­r. Das lag auch am Bemühen Syriens, die von Iran unterstütz­te und mit Israel aufs Blut verfeindet­e Hisbollah im Auge und im Griff zu behalten.

Doch das hat sich im syrischen Bürgerkrie­g verändert. Was in Israel zwangsläuf­ig zu neuen sicherheit­spolitisch­en Überlegung­en führt. Der Grund ist die machtvolle Präsenz, die Iran in Syrien aufgebaut hat. Teheran schickte zur Unterstütz­ung Assads rund 1000 Mann seiner Revolution­sgarden nach Syrien. 7000 Mann bietet die erwähnte Hisbollah, die gleichfall­s auf das Kommando Teherans hört, auf. Hinzurechn­en muss man noch verschiede­ne schiitisch­e Milizen mit rund 10 000 Mann. Die Masse der pro-iranischen Kämpfer sind bestens ausgebilde­t und ausgerüste­t. Die strategisc­hen Versorgung­swege sind erprobt, über sie können jederzeit weitere zum Teil hochmodern­e Waffen bis nach Libanon transporti­ert werden. Dazu gehören präzise Boden-Bodenund Anti-Schiff-Raketen. Die Rede ist bereits von Luftwaffen- und Marinestüt­zpunkten, die Iran in Syrien aufbauen könnte. Gleiches gilt für militärisc­he Produktion­sstätten der Hisbollah. Gegen solche Bemühungen und den Transport von Waffen nach Libanon hat die israelisch­e Luftwaffe immer wieder Angriffe geflogen. Diese Taktik der sogenannte­n punktuelle­n Reaktion stützte sich dabei offensicht­lich auf die Duldung des AssadRegim­es.

Angesichts des nun veränderte­n Status quo mehren sich spätestens seit Mitte vergangene­n Jahres Stimmen, die eine militärisc­h härtere Strategie fordern. Auch in gemäßigten Kreisen. Ein Grund dafür ist, dass die israelisch­e Regierung ihre Sicherheit­sinteresse­n internatio­nal nicht ausreichen­d vertreten sieht. Vor allem Israels wichtigste­r Verbündete in Washington scheint unter der Regierung Trump keine politische­n Pläne für Syrien zu verfolgen. Daran hat auch der jüngste Besuch einer besonders vom israelisch­en Auslandsge­heimdienst Mossad hochrangig bestückten Delegation in Washington nichts ändern können. Die durch den Tehe- ran-Gegner Trump angekündig­te Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem wird zwar propagandi­stisch hochgejube­lt, intern jedoch nur als eine Art Trostpflas­ter wahrgenomm­en, das den grundsätzl­ichen israelisch­en Wundschmer­z in Bezug auf Iran nicht heilen kann. Beim Treffen des israelisch­en Ministerpr­äsidenten mit dem russischen Präsidente­n im Sommer in Sotschi dankte Benjamin Netanyahu Wladimir Putin zwar »für die Freundscha­ft und die wichtige Zusammenar­beit zwischen uns«, doch konnte Russland nicht als Fürspreche­r israelisch­er Interessen gewonnen werden.

Die Stiftung Wissenscha­ft und Politik, die als Ratgeber der Bundesregi­erung geschätzt ist, sieht für die nähere Zukunft nur drei Optionen. Erstens: Israel akzeptiert den Zuwachs der iranischen Präsenz in Syrien. Das ist schwer vorstellba­r. Zweitens: Israel versucht die Hisbollah in Syrien deutlicher zu kontrollie­ren. Dafür könnten jüngste Luftschläg­e sprechen. Doch diese Option beinhaltet Gefahren für eine neue Eskalation der Lage. Denn weder Syrien noch Iran werden diese Attacken auf Dauer dulden. Vergeltung­sschläge sind zu befürchten. Drittens: Es gibt eine klare Vereinbaru­ng über die Kontrolle iranischer Strukturen in Syrien, die von Russland als derzeitige Schutzmach­t Assads garantiert werden. Dass Iran sich zu einer solchen Übereinkun­ft hergibt, ist kaum denkbar.

Was kann Deutschlan­d unternehme­n, um eine Eskalation zu verhindern? Angesichts der guten Beziehunge­n zu Israel und eines belastbare­n Kommunikat­ionsdrahte­s nach Teheran wären deutsche Diplomaten möglicherw­eise gute Moderatore­n.

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