Neue Fronten am Golan?
In Syrien rücken Israel und Iran enger gegeneinander – Moderator gesucht
Der Islamische Staat (IS) ist am Ende. Doch von Frieden und Sicherheit ist man in der Nahost-Region weit entfernt. Zu viele Akteure mit zu vielen politisch-strategischen Interessen mischen mit. Der IS ist in die Wüste getrieben. Nun steht vor allem in Syrien eine Neuordnung der machtpolitischen Verhältnisse an. Doch das ist alles andere als eine innere Angelegenheit. Fremden Truppen aus Russland, den USA, der Türkei, Großbritannien und aus Iran stehen im Land. Sie führen eigenständige Operationen aus und kommandieren syrische Milizen, die ganze Regionen beherrschen.
Vor allem Moskaus Eingreifen in Syrien hat dazu geführt, dass der IS und andere islamistische Gruppierun- gen an Einfluss verloren haben und Syriens Machthaber Baschar al Assad wieder fester im Sattel sitzt. Vor Jahren noch wäre das im benachbarten Israel ein Grund zum Durchatmen gewesen. Obwohl beide Staaten sich seit rund einem halben Jahrhundert im Kriegszustand befinden und Israel mit den Golan-Höhen wichtige Gebiete Syriens besetzt hält, war die Herrschaft der Familie Assad eine Garantie für eine relative Koexistenz. Jede Seite war für die andere berechenbar. Das lag auch am Bemühen Syriens, die von Iran unterstützte und mit Israel aufs Blut verfeindete Hisbollah im Auge und im Griff zu behalten.
Doch das hat sich im syrischen Bürgerkrieg verändert. Was in Israel zwangsläufig zu neuen sicherheitspolitischen Überlegungen führt. Der Grund ist die machtvolle Präsenz, die Iran in Syrien aufgebaut hat. Teheran schickte zur Unterstützung Assads rund 1000 Mann seiner Revolutionsgarden nach Syrien. 7000 Mann bietet die erwähnte Hisbollah, die gleichfalls auf das Kommando Teherans hört, auf. Hinzurechnen muss man noch verschiedene schiitische Milizen mit rund 10 000 Mann. Die Masse der pro-iranischen Kämpfer sind bestens ausgebildet und ausgerüstet. Die strategischen Versorgungswege sind erprobt, über sie können jederzeit weitere zum Teil hochmoderne Waffen bis nach Libanon transportiert werden. Dazu gehören präzise Boden-Bodenund Anti-Schiff-Raketen. Die Rede ist bereits von Luftwaffen- und Marinestützpunkten, die Iran in Syrien aufbauen könnte. Gleiches gilt für militärische Produktionsstätten der Hisbollah. Gegen solche Bemühungen und den Transport von Waffen nach Libanon hat die israelische Luftwaffe immer wieder Angriffe geflogen. Diese Taktik der sogenannten punktuellen Reaktion stützte sich dabei offensichtlich auf die Duldung des AssadRegimes.
Angesichts des nun veränderten Status quo mehren sich spätestens seit Mitte vergangenen Jahres Stimmen, die eine militärisch härtere Strategie fordern. Auch in gemäßigten Kreisen. Ein Grund dafür ist, dass die israelische Regierung ihre Sicherheitsinteressen international nicht ausreichend vertreten sieht. Vor allem Israels wichtigster Verbündete in Washington scheint unter der Regierung Trump keine politischen Pläne für Syrien zu verfolgen. Daran hat auch der jüngste Besuch einer besonders vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad hochrangig bestückten Delegation in Washington nichts ändern können. Die durch den Tehe- ran-Gegner Trump angekündigte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem wird zwar propagandistisch hochgejubelt, intern jedoch nur als eine Art Trostpflaster wahrgenommen, das den grundsätzlichen israelischen Wundschmerz in Bezug auf Iran nicht heilen kann. Beim Treffen des israelischen Ministerpräsidenten mit dem russischen Präsidenten im Sommer in Sotschi dankte Benjamin Netanyahu Wladimir Putin zwar »für die Freundschaft und die wichtige Zusammenarbeit zwischen uns«, doch konnte Russland nicht als Fürsprecher israelischer Interessen gewonnen werden.
Die Stiftung Wissenschaft und Politik, die als Ratgeber der Bundesregierung geschätzt ist, sieht für die nähere Zukunft nur drei Optionen. Erstens: Israel akzeptiert den Zuwachs der iranischen Präsenz in Syrien. Das ist schwer vorstellbar. Zweitens: Israel versucht die Hisbollah in Syrien deutlicher zu kontrollieren. Dafür könnten jüngste Luftschläge sprechen. Doch diese Option beinhaltet Gefahren für eine neue Eskalation der Lage. Denn weder Syrien noch Iran werden diese Attacken auf Dauer dulden. Vergeltungsschläge sind zu befürchten. Drittens: Es gibt eine klare Vereinbarung über die Kontrolle iranischer Strukturen in Syrien, die von Russland als derzeitige Schutzmacht Assads garantiert werden. Dass Iran sich zu einer solchen Übereinkunft hergibt, ist kaum denkbar.
Was kann Deutschland unternehmen, um eine Eskalation zu verhindern? Angesichts der guten Beziehungen zu Israel und eines belastbaren Kommunikationsdrahtes nach Teheran wären deutsche Diplomaten möglicherweise gute Moderatoren.