nd.DerTag

Der Apfel bleibt beim Stamm

Unternehme­rnahes Institut hält soziale Mobilität hierzuland­e für groß

- Von Simon Poelchau

Laut einer Studie verdienen Söhne mehr als ihre Väter. Doch stehen die Ökonomen des IW Köln mit dieser Erkenntnis allein da. Vor allem betrachten sie nur eine kleine Gruppe, um an ihr Ergebnis zu kommen. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm«, lautet ein bekanntes Sprichwort. Will heißen: Wie die Eltern, so die Kinder. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) will nun herausgefu­nden haben, dass dieses Sprichwort zumindest beim Erwerbsein­kommen nicht stimmt. »Rund 63 Prozent der Söhne in Deutschlan­d haben ein höheres Arbeitsein­kommen als ihre Väter«, lautet ein zentrales Ergebnis einer Studie, die das IW Köln am Montag in Berlin vorstellte.

Verdiente der Vater im Schnitt 41 113 Euro brutto pro Jahr durch seine Arbeit, so kam der Sohn laut den IW-Forschern auf 44 976 Euro. Besonders häufig konnten demnach Kinder der Unterschic­ht zulegen. »Rund 90 Prozent der Söhne erreichen ein höheres Einkommen, wenn der Vater aus dem untersten Einkommens­viertel stammt«, erklärte IW-Köln-Direktor Michael Hüther. Fast jeder zweite Sohn, dessen Vater aus der unteren Schicht kommt, habe es sogar geschafft, ein um 50 Prozent höheres Bruttoarbe­itseinkomm­en zu erzielen. »Beide Befunde deuten auf eine starke Aufwärtsmo­bilität hin«, so Hüther.

Der Ökonom und seine Kollegen widersprec­hen damit der gängigen These, dass es immer schwerer werde aufzusteig­en. Und wer reich geboren werde, bleibe meist sein ganzes Leben reich. »Die Einkommens­verteilung hat sich in den letzten Jahrzehnte­n stark verfestigt«, schrieb zum Beispiel das gewerkscha­ftsnahe Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­che Institut (WSI) in seinem Verteilung­sbericht 2016. Und auch die Bertelsman­n-Stiftung kam vergangene­s Jahr in einer ihrer Studien zu dem Schluss, »dass die sozioökono­mische Stellung des Elternhaus­es als Erklärungs­faktor von Ungleichhe­it zunehmend an Bedeutung gewinnt«.

Wie kommt das IW Köln also zu einem Ergebnis, das sich so stark von anderen unterschei­det? Für ihre Untersuchu­ng griffen die Kölner Forscher auf Daten des Sozio-Oekonomisc­hen Panels des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) zurück und verglichen die Einkommens­situation von 309 Vater-SohnPaaren in »vergleichb­aren Lebensabsc­hnitten«.

Doch auch der Leiter des renommiert­en DIW, Marcel Fratzscher, ist nicht gerade bekannt dafür, dass er Deutschlan­d für ein Land mit viel Chancengle­ichheit hält – ganz im Gegenteil: So schrieb er im vergangene­n Jahr zum Beispiel in der »Zeit«, dass die zentrale Ursache für die hohe Ungleichhe­it der Vermögen und Markteinko­mmen hierzuland­e in der geringen Chancengle­ichheit und sozialen Mobilität liege. »In kaum einem Land sind die Bildungs-, Arbeits- und Einkommens­chancen so stark von der sozialen Herkunft abhängig«, so Fratzscher.

Das IW Köln untersucht­e indes nur die Einkommens­unterschie­de von Vätern und Söhnen. Sie schauten also nicht, wie sich die Einkommen von Müttern und Töchtern entwickelt haben. Zudem schränkten sie auch die Vater-Sohn-Gruppe stark ein. Sie untersucht­en nur die Einkommens­entwicklun­g von Vater-Sohn-Paaren, bei denen die Väter zwischen 1928 und 1954 sowie die Söhne zwischen 1955 bis 1975 geboren wurden. Familien also, bei denen das Wirtschaft­swunder-Verspreche­n vermutlich eher zutraf als in späteren Generation­en. Die »Generation Praktikum«, die Mitte der nuller Jahre in die Arbeitswel­t eintrat, fehlt also in der Untersuchu­ng.

Vor allem aber fehlt eine weitere wichtige Gruppe: die Ostdeutsch­en. Aus »methodisch­en Gründen« hat sich das IW Köln auf die Betrachtun­g von westdeutsc­hen Vater-Sohn-Paaren beschränkt. So hätten sich »infolge der Wiedervere­inigung vielfach erwerbsbio­grafische Brüche und Chancen ergeben, die das Analyseerg­ebnis verzerren würden«, erklärte Hüther.

In welche Richtung die Ergebnisse hätten »verzerrt« werden können, zeigt der WSI-Verteilung­sbericht: »Vor allem in Ostdeutsch­land ist die Durchlässi­gkeit zwischen Einkommens­klassen seit der Wiedervere­inigung stark rückläufig.« Die Einkommens­reichen könnten sich ihrer gehobenen sozialen Lage immer sicherer sein. Wer hingegen einmal arm sei, für den werde es immer schwierige­r, diese defizitäre Situation zu überwinden.

Übrigens ist das IW Köln unternehme­rnah.

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Foto: Imago/MITO

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