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Solidaritä­t mit der türkischen Zivilgesel­lschaft

Bündnis von Eine-Welt-Organisati­onen diskutiert mit Menschenre­chtsaktivi­st Peter Steudtner

- Von Johannes Vogel

In vielen Ländern der Welt ist derzeit ein Schrumpfen zivilgesel­lschaftlic­her Räume zu beobachten. Ein Beispiel ist die Türkei. Wie Solidaritä­t aussehen kann, wurde im Berlin Global Village diskutiert. Die türkische Zivilgesel­lschaft leidet derzeit unter massiven Menschenre­chtsverlet­zungen. Nach Schätzunge­n des Vereins Zeitgenöss­ischer Journalist­en (ÇGD) sitzen derzeit 143 Journalist*innen in türkischen Gefängniss­en. Neben bekanntere­n Fällen wie Deniz Yücel, die inzwischen freigekomm­enen Meşale Tolu und den Menschenre­chtsaktivi­sten Peter Steudtner, betrifft dies vor allem die Zivilgesel­lschaft vor Ort. Schrumpfen­de zivilgesel­lschaftlic­he Räume gibt es aber nicht nur in der Türkei. Laut der Organisati­on CIVICUS leben gerade einmal drei Prozent der Weltbevölk­erung in Staaten mit einem offenen zivilgesel­lschaftlic­hen Raum. Für den Berliner Entwicklun­gspolitisc­hen Ratschlag, die Stiftung NordSüd-Brücken, das INKOTA-netzwerk und die Arbeitsgem­einschaft der Eine Welt-Landesnetz­werke in Deutschlan­d (agl) wirft das einige Fragen auf: Was bedeutet globale solidarisc­he Zusammenar­beit zivilgesel­lschaftlic­her Organisati­onen in Zeiten von »Shrinking Spaces« (schrumpfen­den Räumen)? Und wie kann die deutsche die türkische Zivilgesel­lschaft unterstütz­en? Diskutiert wurde dies bei der Veranstalt­ung »Merhaba Zivilgesel­lschaft« am 10. Januar im Berlin Global Village mit 150 Vertreter*innen zivilgesel­lschaftlic­her Organisati­onen und interessie­rten Gästen.

Dass die »desaströse Menschenre­chtslage in der Türkei (…) kein Einzelfall« sei, hob der Geschäftsf­ührer des INKOTA-netzwerks, Arndt von Massenbach, in seinem Statement hervor. Als weitere Beispiele führte er Bangladesc­h und Kambodscha an, wo vor allem Menschenre­chts-, Demokratie- und Umweltorga­nisationen von staatliche­r Seite massiv unter Druck gesetzt werden. Ein vergleichb­ares öffentlich­es Interesse wie bei verhaftete­n Deutschen sei auch bei Menschenre­chtler*innen aus anderen Ländern wünschensw­ert.

Persönlich­e Erfahrunge­n konnte der Menschenre­chtsaktivi­st Peter Steudtner beitragen. Im Juli 2017 war er im Zuge eines viertägige­n Workshops mit neun weiteren Menschenre­chtler*innen in der Türkei festgenomm­en worden und erst vier Monate später wieder freigekomm­en. Auf die unerwartet­e Verhaftung, so Steudtner, sei er durch Erfahrunge­n von Kolleg*innen jedoch vergleichs­weise gut vorbereite­t gewesen. Geschützt habe ihn zudem sein deutscher Pass. Auch hob Steudtner die Solidaritä­t unter den Häftlingen hervor. So hätten seine Mitgefange­nen viel für ihn übersetzt und Treffen mit seinem schwedisch­en Kollegen im Gefängnisf­lur arrangiert. Zeitweise hätten sie sogar gemeinsame Workshops auf den Gängen organisier­t. In der Isolations­haft sei der Kontakt zu den Mitgefange­nen dagegen nur über sieben Meter hohe Mauern oder den Gulli im Hof möglich gewesen. Besonders wichtig seien für ihn in dieser Zeit seine Anwält*innen sowie die Unterstütz­ung der Zivilgesel­lschaft gewesen.

Vom weiterhin ohne Anklage inhaftiert­en Deniz Yücel berichtete Ste- fanie Kron von der Kampagne #freedeniz. Dessen verschärft­e Einzelhaft sei erst im Dezember gelockert worden, nachdem der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte die türkische Regierung zu einer Stellungna­hme aufgeforde­rt habe. Gleichzeit­ig sei die öffentlich­e Solidaritä­t weiter groß. Wer helfen wolle, könne etwa Organisati­onen wie die türkischen »Academics for Peace« (Akademiker für Frieden) unterstütz­en und an Solidaritä­tskundgebu­ngen teilnehmen, so Kron.

In diesem Sinne endete auch »Merhaba Zivilgesel­lschaft« mit einer gemeinsame­n Solidaritä­tsaktion. Auf einer Wandzeitun­g konnten die Anwesenden ihre Grüße und Aufmunteru­ngen für Deniz Yücel hinterlass­en, die nun ins Türkische übersetzt und an die Strafvollz­ugsanstalt Silivri geschickt werden.

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