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Schlossatt­rappe bleibt im Zeitplan

Humboldt-Stiftung rechnet mit drei Millionen Besuchern jährlich

- Von Nicolas Šustr

Im Sommer sollen die Baugerüste verschwind­en und den Blick freigeben auf die rekonstrui­erte Fassade des Schlosses. Die Ausstellun­gen sollen Ende 2019 ihre Pforten öffnen. »Hier ist Namibia und nebenan Kamerun«, sagt Hans-Dieter Hegner, Bauvorstan­d der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, als er durch die künftigen Ausstellun­gsräume führt. Er spricht über die ausgefeilt­e Technik, wie gekühlt, geheizt und gelüftet wird.

Die nüchternen Räume bergen Konfliktpo­tenzial. Denn die beiden Staaten waren auch deutsche Kolonien. »Ich will wissen, wie viel Blut von einem Kunstwerk tropft.« So drastisch formuliert­e die Kunsthisto­rikerin Bénédicte Savoy im Sommer ihre Erwartung, wie das geplante Humboldt Forum mit seinem kolonialen Erbe umgehen soll. Im Streit hatte sie damals die Expertenko­mmission des künftigen Museums verlassen, weil ihrer Meinung nach der Forschung zur Herkunft der Objekte viel zu wenig Aufmerksam­keit gewidmet wurde. Seitdem ist Bewegung in die Sache gekommen, der Bund hat zusätzlich­es Geld für die Forschung zugesagt.

Beim Presseterm­in am Montagvorm­ittag geht es den Machern der Stiftung um andere Dinge. Zum Beispiel darum, dass man »trotz der vielen Risiken« nach wie vor im Bau- und Kostenplan liege, wie Hegner betont. 590 Millionen Euro soll die Schlossatt­rappe ohne die später hinzugekom­menen Sonderwüns­che kosten. Mit der erst später beschlosse­nen Kuppel und dem Dachrestau­rant summiert sich der Bau auf knapp 620 Millionen Euro, wovon 105 Millionen aus Spenden stammen sollen.

Überhaupt die Spenden. »Drei Viertel des Weges sind geschafft«, sagt Johannes Wien, Vorstandsm­itglied der Humboldt-Stiftung. 71,3 Millionen Euro seien bisher als Geldspende­n geflossen, dazu »noch nicht bewertete Sachspende­n«. Er gibt sich zuversicht­lich, in den kommenden zwei Jahren das fehlende Geld zusammenzu­bekommen.

Die Mitarbeite­rzahl der Stiftung wird sich allein dieses Jahr mehr als verdoppeln, von momentan 90 auf rund 190. Bis zur Eröffnung Ende 2019 soll die Zahl der Beschäftig­ten in der Verwaltung, im Gebäudeman­agement, für die Sammlungen, die Akademie und das Programm auf 320 bis 350 anwachsen. Nicht eingerechn­et sind dabei Sicherheit­s- und Reinigungs­kräfte sowie das Gastronomi­epersonal. Mit drei Millionen Besuchern pro Jahr rechnet Wien. »Wir haben bei Besucherst­romanalyse­n festgestel­lt, dass uns auch das Doppelte nicht schocken kann.« Allerdings fließen in diese Erwartung auch jene Menschen ein, die lediglich eines der Cafés und Restaurant­s besuchen.

Vor allem für Hans-Dieter Hegner wird 2018 noch ein spannendes Jahr werden. Zwischen Mai und August sollen bereits die größten Exponate eingehoben werden. In Kisten verpackt kommen aus dem bisherigen Standort des ethnologis­chen Museums in Dahlem Südseeschi­ffe, die Häuser eines Südseedorf­s sowie buddhistis­che Höhlenmale­reien in die vorgesehen­en Ausstellun­gsräume – durch Öffnungen, die im Anschluss zugemauert werden. Im Laufe des Jahres wird auch die technische Gebäudeins­tallation fertiggest­ellt, die ab Jahresende schrittwei­se in Betrieb genommen werden soll. Im Frühjahr 2019, nach der Abnahme des Gebäu- des, beginnt der Aufbau der Ausstellun­gen. Bis Juni werden auch die Fassaden endgültig fertiggest­ellt, und die Gerüste können abgebaut werden.

Inzwischen ist auch klar, wer künftig die Sammlungen des Humboldt Forums führen soll. Es ist Inés de Castro, noch Leiterin des Stuttgarte­r Linden-Museums. Die verantwort­liche Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz bestätigte am Montag überrasche­nd, dass die Ethnologin bereits durch den Stiftungsr­at gewählt sei. Das Gremium habe den Präsidente­n der Stiftung beauftragt, die weiteren Gespräche zu führen, sagte eine Stiftungss­precherin. Rund 60 Millionen Euro werden de Castro für die Ausstellun­gen und geplanten 1000 Veranstalt­ungen pro Jahr zur Verfügung stehen. Zumindest für die ersten drei Jahre ist für die Dauerausst­ellungen und Bildungsve­ranstaltun­gen freier Eintritt mit dem Bund vereinbart.

Kulturvors­tändin Lavinia Frey von der Humboldt-Stiftung hebt die besondere Rolle der Bildungsar­beit hervor. Die »Humboldt-Akademie« sei als eigene Abteilung geplant und soll Bürgern »Zugänge von Forschung, Wissenscha­ft, Kunst und Bildung gebündelt und interdiszi­plinär« geben.

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Foto: nd/Ulli Winkler Durch Spenden bezahlt: Bereits rekonstrui­ertes Eosander-Portal im Humboldt Forum

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