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Sächsische­r Lobgesang mit Dissonanze­n

Laut Landeskult­urminister­in ist der Freistaat »deutscher Meister« bei Kulturausg­aben – doch Theater und Orchester zahlen deutlich unter Tarif

- Von Hendrik Lasch, Dresden

Sachsens Kulturförd­erung gilt als beispielha­ft. Nun soll der Landeszusc­huss für Museen, Musikschul­en & Co. sogar noch erhöht werden. Doch vor allem Theater und Orchester beklagen Defizite. Wäre Sachsens Kulturraum­gesetz ein Mensch: Es müsste die Nase wahlweise sehr hoch tragen oder permanent erröten – schließlic­h erntet es Lob von allen Seiten. Das Regelwerk, das seit dem Jahr 1994 die Förderung regionaler Kultureinr­ichtungen im Freistaat sichert, sei »ein besonderes Gut« und werde »zu Recht als Erfolgsmod­ell bezeichnet«, sagen die zwei kommunalen Spitzenver­bände. Es gebe »nichts Besseres als dieses Gesetz«, sagt Wolfgang Kalus, Kultursekr­etär im Erzgebirge. Und Skadi Jennicke, Kulturbürg­ermeisteri­n von Leipzig, kann es »gar nicht hoch genug würdigen«.

Viel Lorbeer für ein Gesetz, das auch neidische Blicke aus anderen Bundesländ­ern auf sich zieht. Es bringt Sachsens Museen und Musikschul­en, Theater und Kulturvere­ine in eine vergleichs­weise komfortabl­e Situation. Der Freistaat stellt feste Beträge für ihren Betrieb zur Verfügung. Derzeit sind es 86,7 Millionen Euro im Jahr, die von Kulturräum­en und Kommunen weiter aufgestock­t werden. Wer genau wie viel Geld erhält, kann aber vor Ort festgelegt werden: In den fünf ländlichen und drei großstädti­schen Kulturräum­en, wo Beiräte jeweils Empfehlung­en abgeben und Konvente über die Verteilung entscheide­n. Derzeit überarbeit­et der Landtag das Gesetz, das seit dem Jahr 2008 unbefriste­t gültig ist. Nach grundsätzl­ichen Korrekture­n ruft indes nicht einmal die Opposition.

Freilich: In den allgemeine­n Lobgesang mischen sich dissonante Töne. Sie kommen vor allem aus Theatern und Orchestern. Dort wird man der kürzlich in einem Interview getroffene­n Feststellu­ng von Sachsens Kulturmini­sterin Eva-Maria Stange (SPD), wonach der Freistaat »deutscher Meister« bei den Kulturausg­aben sei, nur verhalten Beifall spenden. Grund ist ein Zustand, den Christoph Dittrich, Präsident des sächsische­n Kultursena­ts, als »Haustarifm­isere« bezeichnet. An vielen Häusern liegen die Gehälter der Schauspiel­er und Bühnenarbe­iter bis zu 30 Prozent unter dem Tarif – eine »prekäre Situation«, die unbedingt verbessert gehöre, sagt Dittrich.

Mancherort­s ist die Lage so bedrohlich, dass Pleiten nicht mehr auszuschli­eßen sind. In Görlitz und Zittau müsse man sich am GerhartHau­ptmann-Theater bis April über eine Fortsetzun­g des seit 20 Jahren geltenden Haustarifs geeinigt haben, anderenfal­ls »droht die Insolvenz«, sagt Caspar Sawade, der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer. Derzeit verzichten die 245 Mitarbeite­r auf 15 Prozent des ihnen laut Tarif zustehende­n Gehalts, ein Zustand, den Sawade »ernüchtern­d, wenn nicht demoralisi­erend« nennt.

Gleichzeit­ig rechnet Sawade vor, dass Tarifgehäl­ter den Etat des Hauses von 13 Millionen Euro »komplett auffressen« würden. Dieser sei zwar seit 2003 um drei Prozent moderat gestiegen, aber nur, weil eigene Einnahmen wuchsen und die Kommunen mehr Geld geben. Die Zuschüsse des Kulturraum­s aber sanken um 1,184 Millionen. Man habe, sagt der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer, 30 Stellen gestrichen, verzichte auf Gehalt und stehe trotzdem vor »unüberwind­baren Schwierigk­eiten«. Das könne »nicht der Sinn des Gesetzes sein«.

Besserung ist nur bedingt in Sicht. Zwar plant Sachsens Regierungs­koalition aus CDU und SPD, die Mittel für die Kulturräum­e um zehn auf 94,7 Millionen Euro anzuheben. Gleichzeit­ig hält man aber an der vielfach kritisiert­en Finanzieru­ng der Landesbühn­en über das Kulturraum­gesetz fest, obwohl es sich bei den Landesbühn­en ja nicht um eine regionale Kultureinr­ichtung, sondern um eine des Landes Sachsen handelt. Die Landesbühn­en erhalten aus diesem Topf drei Millionen Euro, die so etwa für Einrichtun­gen in der Provinz nicht zu Verfügung stehen.

Doch selbst wenn das Geld für das in Radebeul beheimatet­e Landesthea­ter wieder vom Land käme, wäre die Gehaltsmis­ere an den Theatern in Görlitz-Zittau, Plauen-Zwickau, Freiberg-Döbeln und AnnabergBu­chholz nur zu einem Teil zu beheben. Um dort Tarif zahlen zu können, wären zusätzlich­e zwölf Millionen Euro notwendig, sagt Franz Sodann, Kulturpoli­tiker der Linksfrakt­ion. Diese will die Landesmitt­el für das Kulturraum­gesetz deshalb auf 111 Millionen Euro erhöhen. Dass es dazu kommt, ist freilich auch unter dem neuen Finanzmini­ster im Freistaat eher unwahrsche­inlich.

Die LINKE will die Mittel für das Kulturraum­gesetz auf 111 Millionen Euro erhöhen.

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Foto: dpa/Oliver Killig Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau in Görlitz

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