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nicht zu Gold spinnt, wie es der Vater dem König versprochen hat …
Wer kennt das Märchen nicht, wem hat die Müllerstochter nicht schon leidgetan, als sie ihr Versprechen erfüllen und ihr erstes Kind hergeben soll. Und wer hat sich nicht gefreut, dass der Zwerg am Schluss überlistet wurde? Aber war es denn gerecht, war Rumpelstilzchen nur ein böser Geist?
Die japanische Illustratorin Yuko Shimizu hat gemalt, wie Mutter und Kind von Goldfäden gefesselt sind. Wie leicht hätten beide zum Opfer männlicher Habgier werden können. Der Müller lieferte die Tochter demKönig aus. Der hätte sie hinrichten lassen, hätte er am Morgen nicht die Kammer voller Gold gefunden. Und so einen heiratet die Frau?
Natürlich kann man »Rumpelstilzchen«, »Die sieben Schwäne«, »Hänsel und Gretel«, »Schneewittchen«, »Rapunzel« – all die berühmten Märchen – dort lassen, wo sie herkommen. Michael Cunningham aber war verlockt, sie aus mythischer Vergangenheit ins Heute zu holen, sie zu durchdenken und neu zu erzählen, sie weiterzufabulieren, witzig oder ironisch, düster oder sexy.
Damit mag er nicht der Erste gewesen sein und nicht der Letzte. Wie Menschen in ihrer Verschiedenartigkeit zusammenleben, sich über Schwierigkeiten hinweg zusammenraufen, darum eigentlich geht es ihm, was besonders schön in »Standhaft. Zinn«, einer modernen Version des kleinen Zinnsoldaten zum Ausdruck kommt. Und am Schluss ein ganz eigenes Märchen: »Und sie lebten glücklich« über zwei Menschen, die eigentlich nicht zusammenpassten und doch über alle Schwierigkeiten beieinanderblieben. Es ist wie eine gute Beschwörung.