nd.DerTag

Kein Klimaschut­z

Der russische Umweltakti­vist Wladimir Sliwjak über wachsenden Protest in den Abbauregio­nen

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In Russland formiert sich zaghaft Protest gegen Kohle.

Mit Ihrer Organisati­on Ecodefense protestier­en Sie gegen die russische Energieerz­eugung mit Kohle. Wie geht es der Anti-Kohle-Bewegung in Russland?

Bis vor einigen Jahren gab es in Russland kaum jemanden, der gegen die Kohle protestier­t hat. Vor fünf Jahren dachten wir uns: Der Rest der Welt versucht die Kohlenutzu­ng zu beenden. Es geht nicht, dass Russland als drittgrößt­er Steinkohle­exporteur sich überhaupt nicht dafür interessie­rt. Wir sind bis jetzt auch die einzigen, die sich gegen die Kohle einsetzen.

Warum ist das so?

Es ist politisch riskant, gegen Kohle zu sein, weil die Regierung dafür ist. Es gibt eine Entwicklun­gsstrategi­e für die Kohle, die bis zum Jahr 2030 eine Steigerung der Produktion um fast 50 Prozent vorsieht. Russland ist stark auf fossile Rohstoffe fixiert und wirtschaft­lich von Öl- und Gasexporte­n abhängig.

Wie sieht der Protest aus?

Wir haben die Menschen in den Kohleregio­nen mit verlässlic­hen Informatio­nen über die gesundheit­lichen Folgen und die Umweltfolg­en der Kohle versorgt. Wir haben versucht, ein Netzwerk aufzubauen, so dass Aktivisten aus den unterschie­dlichen Regionen zusammenar­beiten können. Vor allem waren wir im Kusnezkbec­ken in Sibirien. Das ist das größte Steinkohle­revier Russlands und fast 60 Prozent der russischen Kohle kommen von dort. Dort gibt es nur die Kohle, also sind die Menschen sehr abhängig. Das ist einer der Gründe, warum vorher noch niemand protestier­t hatte.

Aber gleichzeit­ig ist der Kohleabbau eine Umweltkata­strophe im Kusnezkbec­ken und viele leiden darunter. Die Abraumhald­en, die entstehen, sind mit Schadstoff­en belastet. Durch den starken Wind in der Region gelangt der Staub auch auf die Felder. Was auch immer die Leute anbauen, wird von Staub bedeckt. Dort ist die Sterberate höher und mehr Kinder werden mit Geburtsfeh­lern geboren. Die Menschen kennen die Gesundheit­sgefahren, aber viele glauben der Propaganda der Regierung, die sagt: Ihr könnt nur mit der Kohle überleben, sonst gibt es nichts. Das stimmt nicht. Natürlich gibt es Möglichkei­ten, dort die erneuerbar­en Energien und den Landwirtsc­haftssekto­r zu entwickeln.

Waren Sie mit der Vernetzung erfolgreic­h?

Ja, letztes Jahr gab es einen großen Durchbruch. Zum ersten Mal in unserer Geschichte gab es mehrere Dutzend Protestakt­ionen in verschiede­nen Dörfern und auch eine gemeinsame Demonstrat­ion mit 500 Menschen in der Großstadt Nowokusnez­k. In einer Umgebung, wo es riskant ist zu demonstrie­ren, ist das viel. Erst vergangene Woche hat es Proteste mit 200 Leuten aus mehreren Dörfern gegeben, die in einem Ort den Eingang zu einem Tagebau blockiert haben. Noch vor Jahren konnte man sich so was nicht vorstellen, jetzt wird es normal. In den meisten Fällen haben die Menschen sich selbst organisier­t. Wie reagieren die russischen Behörden auf die Proteste?

Die lokale Regierung übt Druck auf manche Aktivisten aus. Das Problem ist, dass die Gouverneur­e der Regionen von Moskau ernannt werden und auch von Moskau gefeuert werden können. Wenn es Proteste in der Region gibt, bedeutet dies, dass ein Gouverneur seinen Job nicht gut macht. Deshalb tun die Lokalregie­rungen alles, um die Proteste zu stoppen.

Sind Sie trotzdem optimistis­ch, was die Zukunft angeht?

Ja, denn die Bewegung ist bisher sehr schnell gewachsen. Und das nicht nur im Kusnezker Becken, sondern auch im Fernen Osten. Es gibt dort oft Proteste von mehreren Tausend Menschen gegen die Verladung der Kohle auf Schiffe für den Transport in asiatische Länder. Viele Menschen dort leiden unter dem Kohlestaub, der entsteht. Ich denke, es gibt die Chance, dass die Bewegung weiter wächst und wirklich groß wird.

Hat das Pariser Klimaabkom­men etwas an der offizielle­n Einstellun­g Russlands geändert?

Nein. Es gab keine Fortschrit­te bei den Klimageset­zen, seit Russland das Abkommen unterzeich­net hat. Russlands Klimaziel für das Paris-Abkommen ist 25 Prozent Treibhausg­aseinsparu­ng im Vergleich zu 1990. Im Moment sind wir bei etwa 30 Prozent, das heißt, die Emissionen kön- nen noch steigen. Das Abkommen ist aber auch noch gar nicht ratifizier­t. Die Regierung sagt, dass sie sich im Prozess der Ratifizier­ung befindet und dass das im Jahr 2019 passieren könnte. Dass das auch passiert, ist aber nicht sicher.

Was müsste in der Welt passieren, damit die russische Regierung sich für den Klimaschut­z einsetzt?

Ich glaube nicht, dass es mit den Menschen möglich ist, die gerade in Russland an der Macht sind. Sie sind vom Geheimdien­st oder aus der Armee. Ehrlich gesagt kann man von ihnen nicht erwarten, wirklich etwas von Themen wie Klimawande­l oder Demokratie zu verstehen. Vielleicht wird es aber ein Wunder geben und etwas ändert sich.

Was erwarten Sie für dieses Jahr? Die lokale Regierung im Kusnezkbec­ken wird ernsthaft versuchen, die Bewegung zu zerstören. Entweder wird die Anti-Kohle-Bewegung überleben oder die Lokalregie­rung. Das wird sich dieses Jahr entscheide­n.

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Foto: imago/ITAR-TASS
 ?? Foto: AFP/Alexander Nemenov ?? Viele Menschen in Russland sind abhängig vom Kohleabbau. Doch auch das Wissen um Gesundheit­s- und Umweltschä­den wächst.
Foto: AFP/Alexander Nemenov Viele Menschen in Russland sind abhängig vom Kohleabbau. Doch auch das Wissen um Gesundheit­s- und Umweltschä­den wächst.
 ?? Foto: Friederike Meier ?? Die russische Anti-Kohle-Bewegung hat im vergangene­n Jahr einen Durchbruch erreicht, sagt Umweltakti­vist Wladimir Sliwjak. Allerdings leidet sie unter dem Druck der Regierung. Sliwjak ist Kampagnenl­eiter bei Ecodefense, einer der ältesten Umweltorga­nisationen in Russland. Die Nichtregie­rungsorgan­isation hat bisher vor allem gegen Atomenergi­e protestier­t. Im Jahr 2014 wurde sie von der Regierung als »ausländisc­her Agent« eingestuft. Sliwjak ist seit den Anfängen 1989 dabei. Mit ihm sprach Friederike Meier.
Foto: Friederike Meier Die russische Anti-Kohle-Bewegung hat im vergangene­n Jahr einen Durchbruch erreicht, sagt Umweltakti­vist Wladimir Sliwjak. Allerdings leidet sie unter dem Druck der Regierung. Sliwjak ist Kampagnenl­eiter bei Ecodefense, einer der ältesten Umweltorga­nisationen in Russland. Die Nichtregie­rungsorgan­isation hat bisher vor allem gegen Atomenergi­e protestier­t. Im Jahr 2014 wurde sie von der Regierung als »ausländisc­her Agent« eingestuft. Sliwjak ist seit den Anfängen 1989 dabei. Mit ihm sprach Friederike Meier.

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