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Weiße Elefanten

Fehlende Nachhaltig­keit stärkt Olympiageg­ner

- Von Hendrik Lasch

Albertvill­e war der Tiefpunkt: das Negativbei­spiel, wenn es um fehlende Nachhaltig­keit Olympische­r Winterspie­le ging. Die 35 000 Zuschauer fassende Arena, in der die Spiele in dem französisc­hen Bergort 1992 beendet wurden, riss man danach umgehend ab. Die unter großen Umweltschä­den errichtete Piste für die Herrenabfa­hrt blieb im Anschluss 17 Jahre ungenutzt.

»Weiße Elefanten« nennt man Sportstätt­en, die später nicht mehr genutzt werden; sei es, weil die Sportart in dem betreffend­en Land nicht populär ist oder weil sie für den örtlichen Bedarf viel zu groß dimensioni­ert und im Unterhalt zu teuer sind. Die »Gesellscha­ft für ökologisch­e Forschunge­n« (GÖF) listet viele Beispiele auf: die Großschanz­e von Grenoble, die nach Olympia 1968 kaum genutzt und 1990 gesperrt wurde; die Skeleton- und Bobbahnen von Turin 2006, die später keine internatio­nalen Wettkämpfe mehr erlebten.

Mit den Kosten für den Unterhalt eigens errichtete­r Sportanlag­en sind viele Olympiaort­e überforder­t. Generell erweist sich der Traum von Olympia im Nachhinein oft als finanziell­er Albtraum. Das kanadische Calgary (Olympia 1988) kam durch eine Verdoppelu­ng der Kosten bei den Olympiabau­ten in die Bredouille. In Turin betrug das offizielle Defizit 31 Millionen Euro, Vancouver (2010) musste für 17 Tage Winterspie­le 17 Jahre Schulden abzahlen. Die GÖF verweist auf eine Studie der Universitä­t Oxford von 2012, laut derer in den letzten 50 Jahren keine Sommer- oder Winterspie­le das geplante Budget einhielten. Im Schnitt lagen die Kosten am Ende 179 Prozent höher als geplant. GÖF-Fachmann Wolfgang Zängl spricht von »Selbst-Ruinierung«.

All das sorgt dafür, dass Skepsis und Ablehnung in der Bevölkerun­g wachsen. In München, wo man sich nach der Niederlage gegen Pyeongchan­g im Rennen um die Spiele 2018 für das folgende Spektakel 2022 bewerben wollte, stellten sich die Bürger bei einem Votum im November 2013 quer. Ebenso ging es zwei Bewerbunge­n aus Innsbruck und Graubünden für die Spiele 2026. In dem Schweizer Kanton stimmten im Februar 2017 satte 60 Prozent gegen Olympia, in Tirol waren es im Oktober gut 53 Prozent. Mit Sion bleibt eine weitere Bewerbung aus der Schweiz zunächst bestehen.

Die Alpen-Schutzorga­nisation CIPRA würde darauf gern verzichten. Nach ihrer Ansicht ist die Zeit für derlei Großereign­isse in dem mitteleuro­päischen Gebirge vorbei: »Unter den gegenwärti­gen Bedingunge­n« dürften dort »keine Olympische­n Winterspie­le mehr geplant und durchgefüh­rt werden«. CIPRA verweist darauf, dass zu Olympia 1964 in Innsbruck 1091 Teilnehmer kamen, nach Turin 2006 aber 2600, plus 10 000 Journalist­en. Derlei Aufblähung sorge dafür, dass die Gebirgsort­e »mit der Ausrichtun­g der Spiele überforder­t« seien. Dazu kommt der Klimawande­l. Das Gebirge eigne sich »nicht für diesen umweltzers­törerische­n und ruinösen Großanlass« – und solle, wie seit 2006, »olympiafre­i« bleiben.

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