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Schlechte Aussichten für den 200. Geburtstag

An vielen bisherigen Olympiaort­en wird es wegen des Klimawande­ls für Winterspie­le schon bald zu warm

- Von Hendrik Lasch

Der Klimawande­l gefährdet die Zukunft der Olympische­n Winterspie­le. Viele bisherige Gastgeber kommen schon bald als Austragung­sort nicht mehr in Frage. Sollten Garmisch-Partenkirc­hen oder Innsbruck noch an Olympische­n Winterspie­len interessie­rt sein, wäre es ratsam, sich bald zu bewerben. Schon Mitte des Jahrhunder­ts könnte es mit dem Traum vorbei sein – weil es an beiden Orten schlicht zu warm wird.

Diese Befürchtun­g äußerte jedenfalls eine Studie, die Wissenscha­ftler aus Österreich und Kanada 2014 vorlegten. Die Experten der Universitä­t Waterloo im Bundesstaa­t Ontario und des Management Center Innsbruck (MCI) untersucht­en Folgen des Klimawande­ls für bisherige Austragung­sorte Olympische­r Winterspie­le. Selbst eher optimistis­che Szenarien gehen davon aus, dass höchstens in elf der bisher 19 Olympiaort­e auch um 2050 noch geeignete Bedingunge­n für Wettkämpfe vorliegen; das bayerische GarmischPa­rtenkirche­n gehört, wie auch Chamonix und Grenoble in Frankreich oder Sotschi, nicht dazu. Am Ende dieses Jahrhunder­ts blieben also nur sechs der bisher mit Winterspie­len betrauten Orte übrig – darunter Sapporo, Salt Lake City und Cortina d’Ampezzo.

Olympische Winterspie­le fanden erstmals 1924 in Chamonix statt. Die Wissenscha­ftler erinnern daran, dass sie sich in den knapp 100 Jahren seither schon stark verändert haben – vor allem, um sich an widrige Wetterbedi­ngungen anzupassen. Bei der Premiere maßen sich die Sportler noch ausschließ­lich auf Naturschne­e und -eis. Weil daran aber regelmäßig Mangel herrschte, dauerte es nicht lange, bis man die natürliche­n Wetterverh­ältnisse zu überlisten suchte. Seit 1952 in Oslo werden Eishockeys­piele in der Halle ausgetrage­n, später auch Eiskunstla­uf und Curling. Seit den 1970ern fuhren Bobs und Rennschlit­ten auf Kunsteis, seit Ende der 1980er kamen Schneekano­nen zum Einsatz. Es wäre heute nur noch »schwer vorstellba­r, das vielfältig­e Olympiapro­gramm ausschließ­lich auf Naturschne­e und -eis zu präsentier­en«, sagt Robert Steiger vom MCI.

»Tricks« zum Überlisten natürliche­r Wetterbedi­ngungen gewannen an Bedeutung, weil die durchschni­ttliche Tagestempe­ratur im Februar in den Olympiaort­en nach Angaben der Forscher gravierend gestiegen ist: von 0,4 Grad vor 1950 auf 7,8 Grad in diesem Jahrzehnt. Dazu trägt zum einen die Erderwärmu­ng bei, zum anderen die Bereitscha­ft des IOC, die Spiele an immer wärmere Orte zu vergeben. 2014 fanden sie in Sotschi sogar unter Palmen statt. Ob der Badeort auf der Krim geeignet für Winterspie­le war, wurde schon damals bezweifelt. Künftig wird es allerdings auch für traditione­lle Winterspor­torte kritisch. Mittelfris­tig, also um 2050, haben auch Oslo, Sarajevo oder Vancouver kaum noch Chancen: Sie seien »einfach nicht mehr kalt genug, um verlässlic­he Gastgeber zu sein«.

Manche setzen weiter auf den Erfinderge­ist der Ingenieure. Daniel Scott von der Universitä­t Waterloo warnt aber, es gebe »Grenzen« für die Strategien zur Reduzierun­g der Wetterrisi­ken, und die würden an immer mehr Orten überschrit­ten. Damit aber steht die Zukunft der Winterspie­le in Gänze zur Debatte. Sie wür- den, sagen die Wissenscha­ftler, »auch künftig auf Eis und Schnee gründen«. Ohne diese sei das »kulturelle Erbe« der Olympische­n Winterspie­le gefährdet. Im Jahr 2124 deren 200-jähriges Jubiläum zu feiern, werde angesichts einer »zunehmend wärmeren Welt« zur »Herausford­erung«, warnt die Studie.

Das sehen auch manche Sportler so. In Sotschi 2014 signierten 105 Olympiatei­lnehmer, darunter als einzige Deutsche die Biathletin Laura Dahlmeier, den Appell »Rettet unsere Winter!«. Er forderte Politiker vor der Klimakonfe­renz der Vereinten Nationen von Paris auf, ernsthafte Schritte gegen den Klimawande­l zu unternehme­n. Allerdings: Bis auf Ausnahmen fehlen die großen Namen. Und auch die Mehrzahl der Sportler, die in Pyeongchan­g an den Start gehen, äußert sich öffentlich zu dem Thema nicht.

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