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Nazis laufen sich in Dresden warm

Erste Demonstrat­ionen von von AfD und militanten Neonazis »im Gedenken« an die Bombardier­ung der Elbemetrop­ole im Februar 1945

- Von Christoph Hedtke und Henrik Merker, Dresden

Zwei rechte Aufmärsche, Blockaden und Demonstrat­ionen: In Dresden haben am Wochenende – wie jedes Jahr – Neonazis versucht, die Bombardier­ung der Stadt im Februar 1945 umzudeuten. Seit Jahren ist Dresden im Februar das Reiseziel Nummer eins für Neonazis aus ganz Deutschlan­d. Einst waren die geschichts­revisionis­tischen Märsche um den 13. Februar die größten Veranstalt­ungen dieser Art. Tausende Teilnehmer reisten aus ganz Europa an. Nach internen Streiterei­en und erfolgreic­hen Blockaden kommen nur noch wenige hundert Teilnehmer nach Dresden. Auch der Alternativ­e für Deutschlan­d ist es nicht gelungen, diesen Trend zu stoppen. Die AfDVeranst­altung vorm Dresdner Hauptbahnh­of zählte 260 Teilnehmer.

Schon zu Beginn haben sie mit technische­n Problemen zu kämpfen. Ohne Strom für die Lautsprech­er muss zum Megafon gegriffen werden. Zudem entspreche­n mehrere Transparen­te nicht den Auflagen der Versammlun­gsbehörde und werden weggepackt – sie hatten Überlänge. Auf Fotos ist zu sehen, dass einige Vermummte am Aufmarsch teilnehmen.

Der erste Redner, Matthias Scholz (JA, AfD), fordert einen »Marsch in die Institutio­nen«, um als AfD die Macht zu übernehmen. Der AfD-Bundestags­abgeordnet­e Jens Maier wurde am Sonnabend 56 Jahre alt, einige Teilnehmer stimmen für ihn das Lied »Happy Birthday« an. Matthias Scholz intervenie­rt, deutsche Patrioten dürften keine englischen Lieder singen.

Maier ist es, der zwischen der AfDDemonst­ration und der Bombardier­ung Dresdens am 13. Februar einen Bezug herstellt. Die englische Sprache habe sich nur durch Kanonen und Bomben als Weltsprach­e durchgeset­zt: »Und hier, Dresden, ist ja ein Fall, wo man das auch erleben muss- te«, sagt der Dresdner Richter. Nach weiteren Reden zieht die Demonstrat­ion vom Hauptbahnh­of über die Shoppingme­ile »Prager Straße« zur Frauenkirc­he. Auf dem Weg werden Passanten angegiftet, die den rechten Parolen widersprec­hen. Wer die AfD nicht unterstütz­e, würde schon sehen, dass er bald in einem muslimisch­en Deutschlan­d leben würde, heißt es.

Einzelne Polizisten rechneten mit Blockadeve­rsuchen, doch organisier­ten Protest gab es gegen die AfD-Demonstrat­ion nicht. Stattdesse­n bedrängten und beschimpft­en AfDler anwesende Journalist­en.

Im Süden Dresdens marschiert­en währenddes­sen 500 Neonazis um den NPD-Ortsbeirat Mike Müller aus Dresden-Prohlis auf. Vor allem NPDKader, Mitglieder der Partei DIE RECHTE und Autonome Nationalis­ten kamen zusammen. Auf ihren Transparen­ten und in Reden wurden die Bombenangr­iffe auf Dresden mit dem Holocaust gleichgese­tzt, nur bei den Opferzahle­n waren sich die Rechten nicht einig. Manche sprachen von 350 000 Toten – andere von 250 000. Sie hatten einfach eine Null an die offizielle Opferzahl, 25 000 Tote, gehängt.

Am S-Bahnhof Dresden Reick beginnt die schweigend­e Demonstrat­ion. Begleitet von klassische­r Musik zieht sie zum Großen Garten. Zwischendu­rch kommt es zu Blockadeve­rsuchen durch Antifaschi­sten, die jedoch scheitern. Am Großen Garten angekommen, gruppiert sich der Aufmarsch. In fester Formation werden Fackeln angezündet. Reden halten Udo Voigt, Europa-Abgeordnet­er und ehemaliger NPD-Chef, der Thüringer NPD-Landesvors­itzende Thorsten Heise sowie Gäste aus Tschechien und Frankreich. Voigt behauptet, die Alliierten hätten im Zweiten Weltkrieg das Ziel verfolgt, ein »homogenes weißes Europa« auszurotte­n. An die Bedrohung eines »weißen Europas” knüpft auch Heises Rede an, er wolle stolze weiße Europäer.

Während des Aufzugs vermummen sich einige Neonazis, ihre Ordner bedrängen und bedrohen mehrfach Journalist­en, ohne dass die Polizei einschreit­et, die mit 1 100 Beamten im Einsatz war.

Der braune Spuk ist für Dresden noch nicht ausgestand­en, denn die Neonazis haben zu einer Aktionswoc­he aufgerufen. Am 17. Februar ist der nächste braune Aufmarsch angemeldet – sie folgen dem verurteilt­en Volksverhe­tzer und Holocaustl­eugner Gerhard Ittner. Doch der Widerstand ist groß. Bis zu 11 000 Teilnehmer erwartet die Stadt Dresden für ihre traditione­lle Menschenke­tte um die Innenstadt am 13. Februar, die erstmals 2010 als bürgerlich­er Protest gegen die Naziaufmär­sche startete. Auf dem Neumarkt, wo die rassistisc­he AfD-Demonstrat­ion am Sonnabend endete, soll am 13.02. außerdem ein stilles Gedenken stattfinde­n, organisier­t von der »Gesellscha­ft zur Förderung der Dresdner Frauenkirc­he«.

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