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Streit um Internatio­nalen Haftbefehl

Der Deutschkur­de Kemal K. wurde in der Ukraine verhaftet – ihm droht die Abschiebun­g in die Türkei

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Seit Juli sitzt der deutsche Staatsbürg­er Kemal K. in der Ukraine fest. Wegen eines Interpol-Haftbefehl­s aus der Türkei wurde er am Flughafen Kiew-Schuljany festgenomm­en. Es ist eine Geschichte, die ursprüngli­ch wenig mit der Ukraine zu tun hatte. Doch bereits seit mehr als sechs Monaten wird der deutsche Staatsbürg­er Kemal K. wegen eines internatio­nalen Haftbefehl­s auf Antrag der Türkei in der Ukraine festgehalt­en. Bemerkensw­ert ist dabei, dass die zwischenze­itliche Festnahme von Kemal K. erst im Oktober 2017 bekannt wurde, obwohl diese eigentlich im Juli erfolgte. Mittlerwei­le befindet er sich auf freiem Fuß, darf die Ukraine allerdings bis zur Entscheidu­ng zu seinem Auslieferu­ngsantrag nicht verlassen – und die lässt auf sich warten.

Die Grundlage des Falles ist komplizier­t. Kemal K. ist Kurde und stammt aus der Türkei, wo er als regierungs­kritischer Publizist, vor allem jedoch als politische­r Aktivist bekannt war, der sich in der kommunisti­schen Partei TKP/ML engagierte. Wegen der Verfolgung in seiner Heimat floh er letztlich nach Deutschlan­d, wo er allerdings 2007 – ebenfalls auf Antrag von Ankara – inhaftiert wurde. Die Türkei beschuldig­te Kemal K., sich an zwei Morden beteiligt zu haben. Außerdem wird ihm die Beteiligun­g an einer terroristi­schen Organisati­on vorgeworfe­n.

Der Auslieferu­ngsantrag wurde seitens des Oberlandes­gerichts Karlsruhe als unbegründe­t abgelehnt. Schließlic­h lebte Kemal K. in Köln, heiratete eine ukrainisch­e Staatsbürg­erin und betrieb mit ihr zusammen einen Kiosk. 2010 wurde er als Flüchtling in Deutschlan­d anerkannt; 2016 bekam Kemal K. die deutsche Staatsbürg­erschaft.

Wegen seiner Frau ist er 2017 aus persönlich­en Gründen auch in die Ukraine geflogen, obwohl die Kölner Staatsanwa­ltschaft Kemal K. vorher vor möglichen Konsequenz­en warnte. Am 23. Juli wurde er nach der Passkontro­lle am Flughafen Schuljany festgenomm­en. Seitdem bewegt sich in dem Fall nichts – und die Zu- kunft von Kemal K. ist nach wie vor ungeklärt. Er selbst sprach bereits im November davon, dass der türkische Staatspräs­ident Erdogan womöglich mit Hilfe von Interpol sein Leben zerstören wolle. »Ich bitte um Hilfe, um Kemal K. mich vor einem Diktator und vor Lebensgefa­hr zu schützen, meine Auslieferu­ng zu verhindern und meine Rückkehr nach Deutschlan­d zu erleichter­n«, erklärte er in einer Stellungna­hme.

Für die Ukraine ist das gleich aus mehreren Gründen eine komplizier­te Situation. Zum einen ließ Russland in der jüngeren Vergangenh­eit nach einer Reihe prominente­r ukrainisch­er Politiker von Interpol fahnden, was Kiew Kopfschmer­zen bereitete. Zum anderen wurden im vergangene­n Jahr nach dem selben Muster mehrere regierungs­kritische Journalist­en aus Mittelasie­n nach der Passkontro­lle am Flughafen festgenomm­en, anders als Kemal K. allerdings wieder freigelass­en.

In diesem Fall könnte die politische Dimension der Beziehunge­n zwischen Kiew und Ankara eine große Rolle spielen. Für die Ukraine ist die türkische Position angesichts der Annexion der Krim, wo mit Krimtatare­n eine bedeutende muslimisch­e Minderheit lebt, sowie wegen des Krieges im Donbass diffizil. »Die Türkei positionie­rt sich im Ukraine-Konflikt zwar nicht eindeutig. Doch besuchte Erdogan erst im Oktober Kiew, was die Bedeutung der bilaterale­n Beziehunge­n für den ukrainisch­en Präsidente­n Poroschenk­o unterstrei­cht«, meint der Politologe Kost Bondarenko. Die ukrainisch­en Behörden haben zum Fall Kemal K. wenig zu sagen – außer, dass alle Umstände sorgfältig geprüft würden.

»Ich bitte um Hilfe, um meine Auslieferu­ng zu verhindern und meine Rückkehr nach Deutschlan­d zu erleichter­n.«

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