nd.DerTag

China arbeitet am Milchpulve­r-Trauma

Die Regierung stärkt das Image heimischer Produkte. Naht das Ende chinesisch­er Großeinkäu­fe in deutschen Drogeriemä­rkten?

- Von Finn Mayer-Kuckuk

Nach Skandalen mit gepanschte­m Milchpulve­r ist das Vertrauen in chinesisch­e Produkte weiter gering. Die Regierung in Peking will das nun ändern – die Branche soll stärker überwacht werden. In China hergestell­ter Muttermilc­hersatz? Das kommt für Liu Weifen nicht in Frage. »Wir wollen für unsere Kleine kein Risiko eingehen«, sagt die 28-Jährige. Sie kauft mit ihrer einjährige­n Tochter im Supermarkt »BHG« in Peking ein – und legt eine Dose »Babybio« in ihren Einkaufsko­rb, 800 Gramm für 60 Euro, Made in France. »In allen anderen Bereichen nehmen wir natürlich auch chinesisch­e Marken, aber bei der Gesundheit des Babys gehen wir auf Nummer sicher.«

So wie Liu bevorzugt die Mehrheit der chinesisch­en Verbrauche­r noch immer Milchpulve­r aus dem Ausland. Das Misstrauen hat einen Grund: Vor zehn Jahren erkrankten Hunderttau­sende Kinder, weil chinesisch­e Produzente­n die Milch gepanscht hatten. Sechs Kinder starben, andere behielten Behinderun­gen zurück. Von diesem Trauma hat sich die Branche nie erholt.

Doch das will die chinesisch­e Regierung wieder ändern. Mit einem Maßnahmenk­atalog soll das Vertrauen der Verbrauche­r in die heimische Milch zurückgewo­nnen werden. »Eine stärkere Regulierun­g und Überwachun­g der Branche ist derzeit eine unserer Prioritäte­n«, sagte Bi Jingquan, Chef der chinesisch­en Lebensmitt­elaufsicht.

Im Januar hat die Behörde in einem ersten Schritt vielen kleinen Marken die Lizenz entzogen. Dutzende von Anbietern hatten Tausende Produkte auf den Markt gebracht. Die Lage war zu unübersich­tlich, erklärt Liu Xuecong vom regierungs­nahen Verband für Gesunde Ernährung. Es sei einfacher, bei wenigen großen Marken eine hohe Qualität sicherzust­ellen. Die Inspektore­n wollen diese künftig durch mehr Stichprobe­n entlang der kompletten Produktion­skette prüfen – vom Bauern bis zum Einzelhänd­ler.

Dieser Politikwec­hsel in China könnte sich bis nach Deutschlan­d auswirken. Chinas Nachfrage nach Milchpulve­r führt hierzuland­e regel- mäßig zu Schlangen in Drogeriemä­rkten. Denn chinesisch­e Kunden misstrauen auch ihren Supermärkt­en. Chinesen in Deutschlan­d bessern sich daher die Haushaltsk­asse auf, indem sie Babynahrun­g aufkaufen und nach China versenden. Angeboten wird die Ware auf verschiede­nen Onlinemark­tplätzen.

Auch Liu würde Direktimpo­rte grundsätzl­ich vorziehen. Sie lässt sich immer wieder einige Dosen mitbringen, wenn jemand ins Ausland reist. »Im Alltag können wir aber nicht auf solche Gelegenhei­ten warten, dann ist es einfacher, im Supermarkt zu kaufen.« Auch hier unterschei­det sie: BHG ist eine große Premiumket­te, die für ihre korrekten Importe bekannt ist. Sie kauft nur ungern online: »Da weiß man ja auch nicht, wer wirklich dahinterst­eckt.«

Diese Vorsicht ist berechtigt. Erst vor zwei Jahren hat die Polizei in Shanghai neun Lebensmitt­elfälscher verhaftet, die 17 000 Dosen mit Milchpulve­r hergestell­t hatten. Sie trugen das Etikett der US-Marke Similac – doch der Inhalt bestand aus billigstem chinesisch­en Pulver.

Auch wenn die Regierung die einheimisc­he Ware wieder beliebter machen will – ausländisc­he Anbieter begrüßen die strengere Überwachun­g. »Die neue Gesetzgebu­ng ist für uns hochwillko­mmen«, sagte Bridgette Heller, Chefin der Kindernahr­ungssparte von Danone, der Nachrichte­nagentur Bloomberg. Sie schütze den Konsumente­n und stärke so das Vertrauen in die Branche.

Denn auch wenn die chinesisch­e Konkurrenz wieder Marktantei­le dazugewinn­en sollte – der Absatz wächst für alle Anbieter schnell. China hat vor drei Jahren die Ein-Kind-Politik aufgegeben. Experten erwarten für die kommende Jahre deutlich mehr Geburten und damit auch höheren Absatz für Babyproduk­te jeder Art. Der Markt für Muttermilc­hersatz ist jetzt schon knapp 20 Milliarden Euro groß. Im vergangene­n Jahr ist er um acht Prozent gewachsen.

Und auch wenn die Mütter aus der begüterten chinesisch­en Mittelklas­se das Milchpulve­r misstrauis­ch beäugen – sie glauben, ihr Kind damit besser und moderner zu ernähren.

Erst vor zwei Jahren hat die Polizei in Shanghai neun Lebensmitt­elfälscher verhaftet, die 17 000 Dosen mit Milchpulve­r hergestell­t hatten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany