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Duschen oder Spargel essen

Klimawande­l beschert Brandenbur­g sowohl mehr Trockenhei­t als auch mehr Niederschl­ag

- Von Susanne Schwarz

Der globale Süden leidet stärker unter den Folgen des Klimawande­ls als der Norden – aber auch hierzuland­e hinterläss­t er bereits seine Spuren und kann gefährlich werden. Untergehen­de Tropenpara­diese, sich ausbreiten­de Wüsten: Wer denkt beim Klimawande­l schon an die märkische Eiche? Doch Brandenbur­g wird im Vergleich zu den anderen deutschen Bundesländ­ern sogar besonders stark vom Klimawande­l betroffen sein. »Damit ist auf jeden Fall zu rechnen«, sagt Carsten Linke vom Landesumwe­ltamt Brandenbur­gs. Vor allem unter Hitze und Trockenhei­t wird das Land demnach künftig leiden. »Die Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius werden zunehmen, sich bis Ende des Jahrhunder­ts wahrschein­lich sogar verdoppeln«, so Linke. Heutzutage sind im Märkischen von rund 90 kalendaris­chen Sommertage­n nur etwa die Hälfte so warm. »Wir müssen mit heißen, trockenen Sommern rechnen«, sagt er. Brandenbur­g trifft das besonders, weil das Land auch unabhängig vom Klimawande­l viel trockener ist als andere.

Die Niederschl­agsmenge wird dabei wahrschein­lich nicht einmal abnehmen, sich aber anders verteilen. »Zwischendu­rch wird es Brandenbur­g wohl häufiger mit Starkniede­rschlägen zu tun bekommen«, sagt Linke. Erst Dürre, dann Starkregen – eine ungünstige Kombinatio­n. Ist ein Boden stark ausgetrock­net, nimmt seine Fähigkeit ab, Wasser aufzunehme­n. Regnet es dann nach langer Trockenhei­t besonders stark, kann das Wasser nicht einfach versickern. Das macht besonders Bauern das Leben ähnlich schwer wie die Trockenhei­t, die für Pflanzen natürlich schlecht ist. »Im vergangene­n Jahr hatten wir schon einen ähnlichen Fall: Im Herbst konnten viele Bauern nicht aufs Feld, um die Ernte einzuholen, weil der Boden viel zu matschig und nass war.«

Extreme Hitze ist nicht nur für die Ernte eine Gefahr, sondern auch für Menschen, besonders im höheren Alter. Warum das so ist, kann Geriatrie-Expertin Calvin Hirsch von der University of California erklären: Im Alter lasse das Herz-Kreislauf-System nach, der Körper könne seine Temperatur zudem immer schlechter durch Schwitzen selbst regulieren. Hinzu komme, dass ältere Menschen häufiger an Erkrankung­en leiden, die dies noch begünstige­n. »Eine alte Person mag sich vielleicht sogar gar nicht bewusst sein, dass sie durstig ist oder dass ihr zu warm ist, besonders wenn sie an Demenz leidet oder auch an Diabetes, was die Sinneswahr­nehmung beeinfluss­t«, sagt Hirsch. »Auch manche Medikament­e können die Wahrnehmun­g schwächen, etwa Beruhigung­spillen, oder natürlich Alkohol.«

Im bislang heißesten Sommer in Europa, im Jahr 2003, starben nach Schätzunge­n französisc­her Wissenscha­ftler etwa 70 000 Menschen an den Folgen der Hitze, ein Zehntel davon in Deutschlan­d.

Auch für Wälder ist es schädlich, wenn es dauerhaft zu warm ist – auch wenn Bäume sich vergleichs­weise gut von schwierige­n Bedingunge­n erholen können. »Bisher ist noch kein einziger Baum in Brandenbur­g wegen Trockenhei­t gestorben, auch nicht im Hitzesomme­r 2003«, sagt Ralf Kätzel, der seit vielen Jahren für das Landeskomp­etenzzentr­um Forst Eberswalde (Barnim) den Wald in Brandenbur­g erforscht. »Bisher war zwischen solchen extremen Wettererei­gnissen aber auch immer Zeit zur Erholung.« Wenn nun aber regelmäßig Hitze und Trockenhei­t herrschen, ist das nicht mehr möglich. Auch mit einer Kombinatio­n aus verschiede­nen Stressfakt­oren – mal Dürre, dann wieder extremer Regen, milde Winter, Frost im Frühling – können Kätzel zufolge selbst die anpassungs­fähigen Bäume nur schwer umgehen.

Eine weitere eher indirekte Folge des Klimawande­ls für Bäume: Waldbrände. Durch seine vielen leicht brennbaren Kiefern und die Sandböden ist Brandenbur­g besonders anfällig dafür – schon jetzt gilt es als das Waldbrandl­and Deutschlan­ds. »Momentan gehen die Waldbrände zwar eher zurück, das liegt aber an dem verbessert­en Wald-Monitoring«, meint Kätzel. Mit der zu erwartende­n Trockenhei­t durch den Klimawande­l steigt das Risiko.

Durch Klimaschut­z, also die radikale Minderung des Treibhausg­asausstoße­s, ließen sich die Folgen des Klimawande­ls noch deutlich abmildern. In jedem Fall müssen aber Maßnahmen zur Anpassung an die Veränderun­gen gefunden werden. Im Falle der Landwirtsc­haft könnte das bedeuten, dass sich die Abläufe komplett ändern müssen. »Wenn der Winter kürzer wird, sind vielleicht zwei Vegetation­sperioden pro Jahr möglich«, meint Linke vom Landesamt für Umwelt. Das Kernproble­m, nämlich das Wasser-Management, wird aber bleiben. »Wenn wir mit diesen Monokultur­en weitermach­en und den Boden durch immer neue chemische Pflanzensc­hutzmittel und Dünger aussaugen, wird das schwierig.« Bewässerun­g werde aber, meint Linke, zur gesellscha­ftlichen Entscheidu­ng: »Wenn alle Privathaus­halte bereit sind, auf ihr Duschwasse­r zu verzichten, damit es Spargel gibt, geht es vielleicht auch so.«

In einem Bereich der Anpassung an den Klimawande­l ist Brandenbur­g laut Linke aber schon auf einem guten Weg: beim Hochwasser­schutz. Einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung zufolge wird auch der in Brandenbur­g mit dem Klimawande­l wichtiger, selbst wenn in diesem Bereich Baden-Württember­g das am meisten gefährdete Bundesland ist. »Man hat aus den schweren Hochwasser­n der vergangene­n Jahrzehnte gelernt und baut nun zum Beispiel deutlich höhere Deiche«, sagt Linke.

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Foto: dpa/Helge Treichel Heftig und unberechen­bar: Nach Unwettern mit Starkregen kämpften Einwohner und Feuerwehr im Juni 2017 in Oranienbur­g mit Überflutun­gen.

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