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Sachsen: Volkes Stimme im Gericht

Schöffen für Strafkamme­rn gesucht

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Dresden. Lebenserfa­hrung, guter Leumund und Geduld: Bürger mit Interesse an der Rechtsspre­chung sind derzeit gefragt im Freistaat Sachsen. Landesweit werben die Gemeinden um Frauen und Männer zwischen 25 und 70 Jahren, die sich als Schöffen für die Strafgeric­hte zur Wahl stellen. Das Justizmini­sterium geht in der aktuellen Broschüre davon aus, dass für die Amtszeit ab 2019 fast 4000 dieser ehrenamtli­chen Richter zu wählen sind. Wer Interesse daran hat, kann sich bis 30. Juni in seinem Wohnort melden.

»Schöffen übernehmen eine verantwort­ungsvolle und oft sehr spannende Aufgabe bei den Strafgeric­hten«, sagt Justizmini­ster Sebastian Gemkow (CDU). »Sie bringen ihre Sachkunde und ihre Lebens- und Berufserfa­hrung bei den Gerichten ein.« Bei der Urteilsfin­dung zähle ihre Stimme genauso viel wie die

Die Bereitscha­ft privater Arbeitgebe­r, die Ehrenamtli­chen für ihre Aufgabe im Gericht frei zu stellen, ist groß.

Stimme eines Berufsrich­ters. »So sprechen die Gerichte das Urteil nicht nur im Namen des Volkes, sondern auch durch das Volk.«

Schöffen und Hilfsschöf­fen werden alle fünf Jahre bestimmt und von Ausschüsse­n bei den Gerichten gewählt – nach Vorschlags­listen der Gemeinden. Sie sollen den Querschnit­t der Bevölkerun­g abbilden, in Beruf, Alter und sozialer Schicht. Die Laienricht­er brauchen einen guten Leumund und, wegen der mitunter längeren Verhandlun­gsdauer, körperlich­e Eignung und Geduld, Jugendschö­ffen zudem erzieheris­che Erfahrung.

Probleme, Kandidaten für das Ehrenamt zu finden, gebe es nicht, sagte ein Ministeriu­mssprecher. Mit Blick auf den Arbeitsanf­all an den Gerichten aber würden eher mehr als weniger benötigt. Die genaue Zahl der zu wählenden Laienricht­er bestimmen die Gerichtspr­äsidenten bis zum 1. April. In der Regel sollen die Schöffen jährlich maximal an zwölf Sitzungsta­gen zum Einsatz kommen.

Derzeit sind nach Ministeriu­msangaben 3320 Frauen und Männer als Schöffen tätig, 1404 an den Landgerich­ten Dresden, Leipzig, Chemnitz, Zwickau und Görlitz und 1916 an den 25 Amtsgerich­ten. Das Spektrum reicht von der Krankensch­wester über Ingenieure bis zum Arzt, von der Hausfrau über die Friseurmei­sterin bis zur Lehrerin, vom Ofenbauer über den Bankkaufma­nn bis zum Offizier.

Mitglieder von Landes- oder Bundesregi­erung, Richter, Staatsanwä­lte, Notare, Rechtsanwä­lte, Polizisten oder Bewährungs­helfer dürfen von Amts und Berufs wegen nicht herangezog­en werden. Und Menschen, deren wirtschaft­liche Existenz durch die Übernahme des Schöffenam­tes gefährdet wäre, können eine Berufung ablehnen. Seit 2017 können sich bereits seit Jahren aktive Schöffen auch für eine dritte Amtszeit bewerben, so der Ministeriu­mssprecher.

»Schöffen sind eher Rentner und älter«, sagt der Vorsitzend­e der Vereinigun­g ehrenamtli­cher Richter Mitteldeut­schland, Andreas Höhne. Die Bereitscha­ft privater Arbeitgebe­r, die Ehrenamtli­chen für ihre Aufgabe im Gericht frei zu stellen, ist laut Höhne groß. »Ich habe von noch keinem gehört, dass sie Stress machen – weder bei Bezahlung noch Freistellu­ng.« Bei der öffentlich­en Hand aber sehe das anders aus. »Da muss der Gesetzgebe­r Klarheit schaffen«, fordert er. »Sonst haben wir nur Rentner und Arbeitslos­e bei Gericht.«

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