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Eine »Kriegserkl­ärung« von der AfD

Demokratie­verein in Sachsen-Anhalt soll per Anfragen im Landtag eingeschüc­htert werden

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Der Verein »Miteinande­r« klärt seit 1999 in Sachsen-Anhalt über rechte Tendenzen auf. Die AfD, die er für »völkisch-national« hält, will dem Verein nun das Wasser abgraben. Das große Besteck wird bereits in Frage sechs ausgepackt: Ist die Vergabe von Fördergeld an den Verein »Miteinande­r e.V.« an ein »Bekenntnis zum Grundgeset­z« geknüpft? Das will die AfD im Magdeburge­r Landtag von der Regierung des Landes wissen. Auskunft begehrt sie in einer im Dezember eingereich­ten parlamenta­rischen Anfrage auch dazu, ob der Verein auf Verbindung zu Extremiste­n, »der so genannten Antifa«, überprüft wird. Alles in allem zählt der Katalog rekordträc­htige 236 Fragen – und ist, wie das Onlinemaga­zin »Vice« unlängst formuliert­e, praktisch als eine Art »Kriegserkl­ärung« zu verstehen.

Die AfD ist nicht gut zu sprechen auf den Verein, der 1999 nach dem überrasche­nden Wahlerfolg der DVU gegründet wurde und sich seither, wie es in der Satzung heißt, zuvörderst der »Bekämpfung der Ausbreitun­g des Rechtsextr­emismus« widmete. Naturgemäß rückt dabei auch die AfD in den Fokus, die sich in Sachsen-Anhalt nach Einschätzu­ng des Vereins zur »völkisch-nationalen Partei« radikalisi­ert hat. Wiederholt deckte der Verein personelle Verbindung­en der AfD ins extrem rechte Milieu auf. Seine jüngste Publikatio­n widmet sich dem »Kulturkamp­f von rechts«, den die AfD gegen »die liberale Gesellscha­ft und ihre Diversität« führt.

Geradezu ein Paradebeis­piel dafür ist das Vorgehen der Partei gegen den Verein. Seit dem fulminante­n Einzug in den Landtag im Frühjahr 2016 verfügt die AfD über Instrument­e wie Große Anfragen, die binnen maximal acht Wochen von der Regierung beantworte­t werden müssen. Die nutzt sie nun, um Miteinande­r »bis auf die Knochen zu durchleuch­ten«, wie die »Mitteldeut­sche Zeitung« formuliert. Gefragt wird nach der Zahl der Mitarbeite­r, den Besitzverh­ältnissen an der »Villa«, die als Vereinssit­z dient, aber auch danach, ob eine Nähe zu »linksradik­alen Kräften« ein Grund für Mittelkürz­ungen wäre und ob der Verein etwa gefördert werde, um den »Einzug von opposition­ellen Parteien in den Landtag« zu verhindern.

Den Katalog präge ein »Grundton der Unterstell­ung«, sagt Pascal Begrich, Geschäftsf­ührer des Vereins: Im Kern wolle sich die AfD von der Regierung ihre Überzeugun­g bestätigen lassen, wonach die »Altparteie­n« sich gegen sie verbündet hätten und der Staat mit Steuergeld »Linksextre­misten« fördere. Es gehe darum, »mit Dreck zu werfen in der Hoffnung, dass irgendetwa­s schon kleben bleibt«. Die Strategie ist für den Verein durchaus nicht ganz ungefährli­ch, zielt sie doch darauf ab, seine Gemeinnütz­igkeit in Frage zu stellen. Würde diese aberkannt, sagt Begrich, »wäre das für uns das finanziell­e Aus«.

Vor ähnlichen Problemen hat der Verein vor Jahren bereits gestanden. Eine Koalition aus CDU und FDP, die ab 2002 in Sachsen-Anhalt regierte, strich ihm nach dem Niedergang der DVU postwenden­d die Gelder. Es bedurfte einer bundesweit­en Solidarisi­erungskamp­agne, um den Fortbe- stand von »Miteinande­r« zu sichern. Heute, sagt Begrich, werde der Ansatz des Vereins nicht mehr grundsätzl­ich in Frage gestellt: »Es hat sich die Einsicht durchgeset­zt, dass man Demokratie befördern muss und die Auseinande­rsetzung mit ›extremisti- Pascal Begrich, Miteinande­r schen‹ Erscheinun­gen sinnvoll ist.« Das, fügt er an, sei »jenseits der AfD Konsens«. Förderprog­ramme für Demokratie, aus denen auch Miteinande­r einen Gutteil seines Budgets von jährlich 1,6 Millionen Euro bestreitet, gibt es heute in Land und Bund.

Um ihre Ausrichtun­g jedoch wird regelmäßig gerungen, und die jüngste Anfrage birgt die Gefahr, dass sich Kritiker auch in der CDU ermutigt fühlen. Als »Miteinande­r« sich kürz- lich wegen der Teilnahme der AfD an der Magdeburge­r »Meile der Demokratie« von dem Bürgerfest zurückzog, dachte der CDU-Generalsek­retär Sven Schulze laut darüber nach, den vermeintli­ch politisch zu einseitige­n Verein »nicht weiter mit Steuermitt­eln zu unterstütz­en«. Von den Koalitions­partnern SPD und Grüne kam harscher Widerspruc­h. Es dürfte indes interessan­t werden, wie sich die CDU in solchen Fragen in der »Enquetekom­mission Linksextre­mismus« verhält, die auf Antrag der AfD und mit Rückendeck­ung aus der CDU im Landtag eingesetzt wurde und demnächst ihre Arbeit aufnehmen dürfte.

Die Anfrage zu »Miteinande­r«, ist Begrich überzeugt, soll dafür Munition liefern. Er geht davon aus, dass der Verein die Attacken überstehen wird: »Eine reale Gefahr sehe ich nicht«. Es gebe aber andere Initiative­n, die weniger erfahren im Umgang mit Angriffen seien und weniger politische­n Rückhalt genossen. Dort, fürchtet er, könne es wie auch bei potenziell­en Spendern »durchaus zu Verunsiche­rung kommen«.

Die AfD wirft in ihrer Anfrage mit Dreck – in der Hoffnung: Etwas bleibt schon kleben.

 ?? Foto: dpa/Peter Gercke ?? 20. Januar 2018: Andrang vor der Hauptbühne der 10. »Meile der Demokratie« in Magdeburg
Foto: dpa/Peter Gercke 20. Januar 2018: Andrang vor der Hauptbühne der 10. »Meile der Demokratie« in Magdeburg

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