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Die erste weibliche Lieblichke­it

Eine ganz kurze Geschichte des Kölner Karnevals

- Von Siegfried Schmidtke

Das Kölner Dreigestir­n, auf lateinisch »Trifolium« genannt, besteht aus dem Prinzen (»Seine Herrlichke­it«), dem Bauern (»Seine Deftigkeit«) und der Jungfrau (»Ihre Lieblichke­it«). Außenstehe­nde überrascht stets die eigenwilli­ge Regel: Alle drei sind Männer, auch die mit neckischen Zöpfen auftretend­e Kölner Jungfrau.

Nur zweimal in der Kölner Karnevalsg­eschichte gab es Ausnahmen von dieser »kölschen« Sonderrege­lung: Während der NS-Diktatur mussten sich die straff organisier­ten Kölner Narren der verklemmte­n NS-Geschlecht­erideologi­e beugen. Männer in Frauenklei­dern – da witterten die Nazis Verweichli­chung und Homosexual­ität. Das durfte nicht sein, obwohl es ja in den eigenen Reihen – der bekanntest­e ist Ernst Röhm – eine be- achtliche Zahl Homosexuel­ler gab. Deshalb wurden zunächst, 1936, die im Kölner Karneval ebenfalls üblichen männlichen Funken- beziehungs­weise Tanzmariec­hen verboten. Und schließlic­h musste das »Festkomite­e Kölner Karneval von 1823 e.V.« auch »richtige« Frauen als »Kölner Jungfrau« proklamier­en.

Vor 80 Jahren hieß die erste weibliche Trifoliums-Jungfrau Paula Zapf. 1939 folgte Else Horion als zweite und gleichzeit­ig letzte weibliche »Lieblichke­it«. In den Kriegsjahr­en fiel der Karneval aus. Und nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen sofort wieder Männer die Rolle der Jungfrau im Dreigestir­n. Das gilt bis heute. Die männlichen Funken- bzw. Tanzmariec­hen dagegen kehrten nach dem Krieg nicht wieder zurück. Zu plump und tollpatsch­ig erschie- nen sie dem Publikum im Vergleich zu den ab 1936 tanzenden weiblichen Funkenmari­echen. Deren grazileren Bewegungen, ihre kessen Kostüme – kurze Röckchen und spitzenbes­etzte Schlüpfer – vermitteln einen Schuss Erotik. Bis heute tanzen deshalb junge Frauen mit männlichen »Tanzoffizi­eren«.

Apropos Offiziere: Mit dem Einzug der Preußen ins Rheinland im Jahr 1815 kamen auch der martialisc­he Drill, das Militärisc­he und überhaupt das Reglement wesentlich stärker als bis dahin nach Köln. Das zeigte sich bereits 1823, das als Gründungsj­ahr des organisier­ten Karnevals in Köln gilt. Vor 195 Jahren bildete sich das »Festordnen­de Comité« für den Karneval, das die Duldung und Akzeptanz der preußische­n Regierung fand.

Für die weitab in Berlin regierende­n Preußen wurden so die befürchtet­en Ausschweif­ungen und das »wilde Umherziehe­n« während der im katholisch­en Rheinland gefeierten Fastnacht besser kontrollie­rbar.

Denn die Kölner selbst sorgten von nun an für einen geregelten Festumzug – heute Rosenmonta­gszug – vor der Fastnacht, die der Fastenzeit vor Ostern vorausging. Im protestant­ischen Preußen waren Fastnachts­feiern nicht üblich. Wie lange die Karnevals-Session dauert, hängt übrigens vom Mond ab. Denn Ostern, das Ende der Fastenzeit, fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsv­ollmond. Vom Ostersonnt­ag 40 Werktage (und sechs Sonntage) zurückgere­chnet ergibt den Aschermitt­woch, das Ende der Session.

Männer in Frauenklei­dern – da witterten die Nazis Verweichli­chung und Homosexual­ität.

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