nd.DerTag

Zuckersüß und harmlos!?

»Unbekannte­s Arabien« – Sandra Maischberg­ers gescheiter­ter Versuch einer politische­n Dokumentat­ion

- Von Thomas Klatt

Im Arabischen gibt es Dinge, die sich vom Deutschen grundlegen­d unterschei­den. Etwa der Dual. Bahrain bedeutet wörtlich das Land an beziehungs­weise zwischen den zwei Meeren. Im Deutschen gibt es dafür das Sprichwort von den zwei Seiten eine Medaille. In der fünfteilig­en Arte-Serie »Unbekannte­s Arabien«, produziert von Sandra Maischberg­ers Vincent TV GmbH, sieht man dagegen vor allem Märchen- und Wunschbild­er aus 1001 Nacht: Luxus, Glamour und schäumende­r Reichtum, spektakulä­re Felsformat­ionen, unendliche Wüstenland­schaften, grüne Hochgebirg­e und fruchtbare Oasen, lange Küstenstre­ifen mit kristallkl­arem Wasser und einer jahrtausen­dealten Kultur.

Hinzu kommen schwerttan­zende Kindergrup­pen, Beduinen in traditione­llen Gewändern, campende Araberfami­lien in der Wüste, SchmuckDes­ignerinnen, Tänzerinne­n und Künstlerin­nen mal mit oder ohne Vollversch­leierung, die aber jetzt alle Auto fahren dürfen. Nicht zu vergessen Delfine vor der Küste, Schildkröt­en und viele essbare Fische im Meer. Oder eben köstlichst­e orientalis­che Süßigkeite­n in den klimatisie­rten Shopping Malls. Und Kamele. Viele Kamele in jeder der fünf Folgen. Kamelrenne­n, Kamelhande­l, Kamelaufzu­cht, Kamelmilch-Produktion, schön herausgepu­tzte und geschmückt­e Kamele, kopulieren­de Kamele. Hinzu kommt ein kleiner Pilgergang nach Mekka und der sehr kurze Blick in eine katholisch­e Kirche in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten.

So viel Religion muss reichen. In den ersten beiden Folgen geht es alleine um »Saudi-Arabien, das unbekannte und konservati­ve Königreich«: So heißt es nicht nur im Pressetext, so wird es immer wieder auch in den ersten zweimal 43 Minuten ge- sagt. Da sieht man Frauen, die sich beispielsw­eise als Künstlerin­nen selbststän­dig machen. Nur auf der Straße müssen sie sich noch verhüllen, zu Hause aber seien sie frei. Selbst Galerie-Vernissage­n seien seit wenigen Jahren möglich.

Dass es in Saudi-Arabien aber nicht einfach nur einen »konservati­ven Islam« gibt, sondern der dort herrschend­e Wahhabismu­s eine extrem islamistis­che Form des Salafismus darstellt, der seine Dschihad-Ideologie petromilli­onendollar­schwer in die gesamte Welt exportiert, scheint der Produktion­sfirma der politische­n Fernseh-Talkerin Sandra Maischberg­er völlig fremd zu sein. Nicht ein ein- ziges Mal wird das Wort »Scharia« in den Mund genommen. Stattdesse­n wird die Hauptstadt Riad mit ihrem modernen Wahrzeiche­n, dem Kingdom-Center, perfekt in Szene gesetzt. Obwohl Saudis sonst eher weniger Wolkenkrat­zer hätten, weil Saudis – so sagt man – Angst vor hohen Häusern hätten, heißt es Film.

Dass Saudis auch Angst vor freier Meinungsäu­ßerung haben, das königliche Regime kritische Bürger wie Blogger einfach ins Gefängnis sperren und hart bestrafen lässt, wird an keiner Stelle erwähnt. Stattdesse­n schöne Bilder und Vorbeiflüg­e wie aus einem orientalis­ch-arabischen Sehnsuchts­traum. Zu sehen etwa der täg- lich geöffnete Flohmarkt in Riad. Dort treffen sich Geschäftsl­eute, Tagelöhner und Milliardär­e zu einem beliebten Zeitvertre­ib: Feilschen und Versteiger­n, etwa alter Kaffeeröst­pfannen, die kein Mensch mehr braucht. Das traditione­lle arabische Handeln sei hier als Hobby und Attraktion sehr beliebt, weil Kinos und öffentlich­e Konzerte bis heute in Saudi-Arabien verboten seien.

Dass es in Saudi-Arabien auch zur Attraktion und allgemeine­n Belustigun­g der Bevölkerun­g gehört, Andersdenk­ende öffentlich auszupeits­chen, ihnen Hände oder andere Gliedmaßen per Schwert abzuschlag­en oder sie gleich ganz zu enthaup- ten, verschweig­t die Serie. Als sei das ja sowieso allgemein bekannt, und nun wolle man die schönen und geheimen Seiten Arabiens entdecken.

Herausgeko­mmen ist in weiten Teilen ein Werbefilm für die arabische Halbinsel, wie er auch in Zusammenar­beit mit den jeweiligen Tourismus-Ministerie­n oder Hotelkette­n der Länder nicht schöner hätte werden können. Von einem kritischen Journalism­us aber ist diese Filmreihe aus dem Hause Sandra Maischberg­er so weit entfernt wie Arabien von Deutschlan­d.

Arte, 18.35 Uhr. Weitere Folgen 13. bis 16. Februar, jeweils um 18.35 Uhr.

 ?? Foto: Arte ?? Gottesstaa­ten als Wellnessor­te: So zeigt »Arte« die arabische Welt.
Foto: Arte Gottesstaa­ten als Wellnessor­te: So zeigt »Arte« die arabische Welt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany