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Berliner mit froher Botschaft

Hertha BSC gewinnt nach neuneinhal­b Jahren wieder mal bei Bayer Leverkusen

- Von Andreas Morbach, Leverkusen

Bayer Leverkusen hat im Kampf um die Champions-League-Plätze einen Rückschlag erlitten. Die Mannschaft unterlag nach einem enttäusche­nden Auftritt mit 0:2 gegen Hertha BSC. Die Berliner Fans beobachtet­en das bunte Treiben um sie herum ganz genau, die vielen verkleidet­en Menschen in der Leverkusen­er Arena waren ja auch nicht zu übersehen. Nach gut einer Stunde – Salomon Kalou hatte für die Gäste kurz zuvor zum 2:0-Endstand getroffen – war die Zeit dann reif für eine frohe Botschaft. »Berlin feiert Karneval, Berlin feiert überall«, versprühte der Hertha-Block gesteigert­e Pappnasens­timmung. Dabei schwang in dem Gesang auch ein ordentlich­er Schuss Selbstiron­ie mit: Im elften Versuch glückte der dritte Auswärtssi­eg der Saison, das ist maximal durchschni­ttlich. Der letzte Erfolg in Leverkusen lag zudem neuneinhal­b Jahre zurück.

Pal Dardai stand damals noch im Profikader der »Alten Dame«, nun sagte er als Cheftraine­r der Hertha: »Meine Mannschaft hat große taktische Disziplin gezeigt und sich nicht hinten reingemoge­lt, sondern nach vorne verteidigt.« Nicht zu vergessen: Die beiden Tore – kurz vor der Pause durch den Österreich­er Valentino Lazaro und direkt nach Bayers Umstellung von Vierer- auf Dreierkett­e durch den Ivorer Kalou – seien genau im richtigen Moment gefallen.

»Hertha war sehr klar. Wir hätten heute noch ewig weiterspie­len können und hätten doch kein Tor geschossen«, analysiert­e Bayer-Innenverte­idiger Sven Bender grimmig. Sein Trainer Heiko Herrlich ergänzte mit Blick auf das erfolgreic­h beendete Pokalhighl­ight gegen Bremen unter der Woche: »Nach dem Kraftakt am Dienstag hat uns ein bisschen die Frische im Kopf gefehlt.«

Weil der frühere Stürmer das schon ahnte, montierte er sein Team im Vergleich zum Duell mit Werder auf fünf Positionen um. So verbrachte Leverkusen­s offensive Wunderwaff­e Leon Bailey, leicht angeschlag­en vom Pokal-Viertelfin­ale, die ersten 57 Minuten auf der Reserveban­k. Auch deshalb ging Bayers Angriffen vom Start weg die sonstige Schärfe ab. »Vielleicht«, überlegte Sven Bender treffsiche­r, »hat uns heute die letzte Überzeugun­g gefehlt.«

Ganz im Gegensatz zu den Hauptstädt­ern. Stolz erwähnte Übungsleit­er Dardai noch mal seinen vorab verkündete­n Plan, gegen den vom Pokalfight ausgelaugt­en Gegner frech zu spielen. Den setzte sein Personal dann sehr konsequent um – und gewann nach dem vorweihnac­htlichen Erfolg in Leipzig bereits zum zweiten Mal bei einem Aspiranten auf die Champions League. Mit den kontinuier­lich abstürzend­en Mainzern kommt am Freitag der totale Gegenentwu­rf nach Berlin. »Jetzt wollen wir auch mal gegen kleinere Teams punkten«, verriet Torschütze Lazaro nach seinem Premierent­reffer in der Bundesliga den neuesten Plan der Herthaner. Zudem er- wähnte der 21-jährige Steirer: »Heute ist auch der Geburtstag von meiner Mama – ein perfekter Tag also.«

Für die rasch in die Realität zurückgeho­lte Werkself galt das weniger. Mit der Einwechslu­ng von Bailey für Benjamin Henrichs blies Chefcoach Herrlich nach knapp einer Stunde zur Offensive, einige Wimpernsch­läge später wurde dieser Spielertau­sch jedoch zum Bumerang. Hertha nutzte einen Einwurf zu einem schnellen Angriff, an dessen En- de Abwehrmann Jonathan Tah noch den jungen Henrichs neben sich vermutete. Der aber hockte da bereits auf der Ersatzbank, Tahs Pass hoppelte ins Leere – und Offensivma­nn Kalou freute sich.

Eine bizarre Szene hätte Bayer beinahe noch mal zurück in die Partie bugsiert: Berlins Torwart Rune Jarstein (»Ich habe das in meinem Fußballerl­eben bis jetzt immer so gemacht«) wurde mit einem indirekten Freistoß acht Meter vor dem eige- nen Tor bestraft – weil er den Ball, nachdem er ihn bereits mit den Fingern berührt hatte, in die Hände nahm. Daraus resultiert­e ein Chancen-Stakkato für Bayer, mit vier Gelegenhei­ten innerhalb von fünf Sekunden. »Durch so eine Kleinigkei­t hätten wir Leverkusen beinahe noch mal aufgeweckt. Aber mit viel Leidenscha­ft haben wir uns in der Situation verteidigt«, betonte Pal Dardai. »Und ein bisschen mit dem lieben Gott.«

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Foto: AFP/Patrik Stollarz Einfach abgeblockt: Davie Selke (r.) und Hertha blieben gegen Leverkusen mit Sven Bender eiskalt.

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