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Ollis Olympia

Oliver Kern findet Spuren des Krieges am Olympiaort

- Video und Fotos zu diesem Tagebuch auf nd-online.de

In den ersten Tagen hier habe ich schon fünf Mal von Harmoniebe­mühungen berichtet und dabei elf Mal das Wort Frieden geschriebe­n. Jetzt sind es zwölf. Es gibt hier aber auch Orte, an denen sichtbar wird, dass sich Südkorea offiziell noch im Krieg mit dem Nachbarn aus dem Norden befindet. Am Strand zum Beispiel.

Ja, wer bei einem Spaziergan­g durch Dünen und Sand idyllische­s Meeresraus­chen erwartet, steht hier an der Küste Gangneungs, nur zehn Autominute­n vom Olympic Park entfernt, plötzlich im Schützengr­aben. Gleich mehrere davon wurden hier mit Autoreifen verstärkt und warten darauf, dass sich ein Soldat hineinlegt, um auf Angreifer zu zielen, sollten die Nordkorean­er doch irgendwann über das Ostmeer angreifen. Die Landgrenze ist keine 100 Kilometer entfernt.

Alle 500 Meter steht zwar auch an diesem Strand ein Turm. Doch anders als auf Sylt und Usedom schauen hier keine Lebensrett­er nach ertrinkend­en Badegästen – dafür wäre das Meer derzeit auch zu kalt. Auf diesen Türmen aber sind große Leuchtanla­gen und Lautsprech­er angebracht. Dazu steht immer eine Art Vogelscheu­che drin – mit Militäruni­form und Helm ausgerüste­t, um den Nordkorean­ern vorzugauke­ln: »Wir sind bereit!« Geschützst­ände gibt es auch, einsatzber­eit mit Stuhl und Sandsäcken. Auch sie sind glückliche­rweise leer.

Militärisc­hes Sperrgebie­t ist das übrigens nicht. Jeder Tourist, der sich ein paar Hundert Meter von den Fisch- und Fastfood-Restaurant­s fortbewegt, kann die Gräben betreten. Nur die Türme sind abgeschlos­sen. An diesem schönen Sonnentag sind aber alle Anlagen leer. Eine junge Südkoreane­rin macht lieber mit einem zufällig vorbei spazierend­en Soldaten ein Selfie. Der Uniformier­te macht auch danach keine Anstalten den Wachturm zu besetzen.

Die ganze Szenerie wirkt wie eine Filmattrap­pe, an die sich alle gewöhnt haben. Mein Gott, es ist seit 65 Jahren nichts passiert, warum sollte der Norden ausgerechn­et jetzt angreifen? Aber Vorsicht ist offenbar besser als Nachsicht.

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Foto: nd/Ulli Winkler Oliver Kern berichtet bereits zum vierten Mal für »nd« von Olympische­n Spielen.

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