Hallo? Ist da draußen jemand?
Und warum wurden unsere Mitbewohner bisher nicht gefunden?
Es ist möglich, dass es Leben im All gibt, meinen Forscher und suchen hartnäckig danach.
Die Frage nach der Einzigartigkeit der technischen Zivilisation des Menschen im Universum steht nach wie vor weltweit im Zentrum zahlreicher Forschungen. Immer stärker rückt dabei eine vergleichsweise neue wissenschaftliche Disziplin in den Vordergrund: die Astrobiologie.
Allein die Internationale Astronomische Union (IAU) hat in jüngster Zeit mehrere Tagungen und Workshops zu diesem interdisziplinären Forschungsfeld abgehalten, weitere sind angekündigt. Wie die Fachbezeichnung schon verrät, arbeiten hier Astronomen und Astrophysiker mit Biologen zusammen. Letztere stellen sich besonders die Frage, wie sich das Leben auf der Erde herausgebildet hat. Dann werden die konkreten Ergebnisse mit den Erkenntnissen der Astronomen über die Bedingungen im Kosmos verglichen, um daraus Wahrscheinlichkeiten für möglicherweise ähnliche Entwicklungen abzuleiten.
In einem soeben erschienenen Buch der Autoren Dirk Schulze-Makuch von der Technischen Universität Berlin und William Bains vom Massachusetts Institute of Technology vermeiden die beiden Forscher ausdrücklich den anthropozentrischen Blickwinkel einer Evolution vom Einzeller zum Menschen. Die Entstehung von komplexem Leben kann sich nämlich nach ihrer Auffassung auf sehr unterschiedliche Weise vollziehen und es muss dem unseren weder biochemisch noch anatomisch ähneln. Dennoch sollten komplexe Lebewesen »mit dem, was sie tun können, durchaus den Tieren oder Pflanzen ähneln, wie wir sie kennen«, ist Schulze-Makuch überzeugt.
Die qualitativen Übergänge in der Evolution von Leben sind nach allem, was wir wissen, an bestimmte Bedingungen gebunden, ohne deren Vorhandensein sie nicht erfolgen können. Verschiedene Modelle sollen charakterisieren, wie solche Bedingungen realisiert werden. So ist die Entstehung von Tieren nur in einer Sauerstoff-Atmosphäre möglich gewesen. Die bakteriellen Vorläufer der Pflanzen stellten jedoch Sauerstoff in großen Mengen bereits eine Milliarde Jahre lang zur Verfügung, ehe Tiere in der »Kambrischen Explosion« die Bühne der Erde betraten.
Der Grund ist einfach: All dieser Sauerstoff wurde zuvor von den Gesteinsmassen der Erdoberfläche aufgenommen. Erst als diese »gesättigt« waren, bildete sich eine Sauerstoff-Atmosphäre heraus. In einer geologisch kurzen Zeitspanne von wenigen Millionen Jahren erschienen daraufhin vor etwa 543 Millionen Jahren fast sämtliche Vertreter der heutigen Tierstämme auf unserem Planeten – sozusagen gleichzeitig (Critical Path Model). Eine große Rolle für die Evolution der Arten spielten auch zufällige Ereignisse (Random Walk Model). So konnten etwa die Säugetiere die Erde erst zu dominieren beginnen, nachdem die Saurier, die alle Nischen besetzt hatten, vom Planeten verschwunden waren. Ursache war der zufällige Einschlag eines Asteroiden oder Kometen vor 65 Millionen Jahren.
Ein Beispiel für die verschiedenen möglichen Wege der Entwicklung (Many Path Model) ist die Herausbildung der Augen bei den Insekten, Wirbeltieren und Kopf- und Gliederfüßern des Meeres, die inzwischen teilweise ausgestorben sind. Ihre »Sehwerkzeuge« entwickelten sich nämlich unabhängig voneinander und sie alle haben extrem unterschiedliche Strukturen und dennoch die gleiche Funktion. Es sind aber auch mannigfaltige Kombinationen von Zufallsereignissen denkbar, die zum selben Resultat führen. So wird bereits anhand der Entwicklung des Lebens auf der Erde deutlich, dass es »diverse evolutionäre Wege für Leben gibt, die verschiedenen Stufen zu höherer Komplexität zu erreichen, wie zum Beispiel von der Einzelligkeit zur Mehrzelligkeit«, so Schulze-Makuch.
Suchen wir außerhalb unseres Sonnensystems nach Himmelskörpern, auf denen eine ähnliche biologische Evolution möglich wäre, so denken wir sofort an extrasolare Planeten in habitablen (bewohnbaren) Zonen um ihre Sonne. Doch einfach nach sonnenähnlichen Sternen Ausschau zu halten und dort nach Planeten zu suchen, die sich im Abstand der Erde um diese Sonnen bewegen, wäre zu einfach.
Zwar sollte flüssiges Wasser auf den Objekten vorkommen, als eine der Vorbedingungen für vielleicht alle Formen des Lebens. Aber das wäre auch bei Planeten möglich, die sich um ganz andere als unserer Sonne vergleichbare Sterne bewegen. Dann müssten diese sich jedoch in einem anderen Abstand um ihr Zentralgestirn bewegen. Außerdem hängt die Habitabilität von geophysikalischen und geochemischen Bedingungen des jeweiligen Planeten ab. Hinzu kommen galaktische Einschränkungen: Denken wir an die massiven Schwarzen Löcher in den Zentren der Sternsysteme – auch unserer eigenen Galaxis –, so dürften hier keine Bedingungen für das dauerhafte Bestehen von Planetensystemen vorliegen. Die Dauer der Existenz, die auch von der Zeitspanne einer möglichst konstanten Energieversorgung durch den Zentralstern bestimmt wird, ist eine der wichtigsten Einschränkungen. Die Entwicklung von Leben benötigt nämlich eine lange Zeit, die nur in Jahrmilliarden gemessen werden kann.
Wenn wir all diese Faktoren kalkulieren, wie oft können wir dann von »erfüllten Voraussetzungen« für komplexes makroskopisches Leben sprechen? Nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand sind die Ingredienzien für Leben (Wasser, organische Moleküle) im gesamten Universum verbreitet. Das eröffnet aber nur Möglichkeiten und muss nicht zwangsläufig zu Leben führen. Um eine wissenschaftlich begründete These zu formulieren, müssten wir wenigstens die Entstehung des Lebens auf der Erde lückenlos verstehen, was noch nicht der Fall ist. Noch immer können wir nicht ausschließen, dass viele der Zufälle, die bei der Evolution irdischen Lebens bis hin zum Menschen eine Rolle gespielt haben, anderswo trotz guter Voraussetzungen nicht eingetreten sind. Dafür sind es schließlich Zufälle: Ereignisse, die zwar naturgesetzlich ablaufen, doch ohne dass wir sie vorhersehen können.
Dennoch zeigen sich Schulze-Makuch und William Bains überzeugt, dass die verschiedenen Entwicklungs- schritte von einfachsten bis zu komplexen Lebensformen, die auf der Erde nicht nur einmal, sondern vielfach abgelaufen sind, auch anderswo im Kosmos als wahrscheinlich gelten können. Überprüfen lässt sich diese Hypothese derzeit noch nicht. Die Zahl der bekannten Exoplaneten geht zwar inzwischen in die Tausende, aber mit unseren Kenntnissen über die dort herrschenden Bedingungen hapert es bei den meisten davon noch. Dazu müssten wir wirkliche Bilder ihrer Oberflächen bekommen, Kontinente von Meeren unterscheiden und die Chemie ihrer Atmosphären kennen.
Das könnte in Zukunft durchaus möglich sein. Wenn nämlich das seit längerem diskutierte, aberwitzig klingende Projekt eines Hyperteleskops (Exo Earth Imager) des französischen Astronomen Antoine Labeyrie verwirklicht würde. Es soll aus circa 100 leichten Drei-Meter Spiegeln bestehen, die im Weltall unweit der Erde stationiert werden und interferometrisch insgesamt wie ein Teleskop mit einem 100-Kilometer-Spiegel zusammenwirken. Doch das Vorhaben scheiterte bislang vor allem an den hohen Kosten.
Der beste Beweis, dass wir tatsächlich in einem »Kosmischen Zoo« leben, wäre der Kontakt mit einer anderen technischen Intelligenz, zum Beispiel durch den Empfang von Signalen, die eindeutig künstlichen Ursprungs sind. Darum bemühen sich die Wissenschaftler des SETI-Projekts (Search for Extraterestrial Intelligence) seit fast sechs Jahrzehnten. Bislang ohne Erfolg.
Und hier kommt nun der Physiker Enrico Fermi ins Spiel: Er fragte sich 1950, wo denn die Außerirdischen seien und warum wir nichts von ihnen bemerken. Seine Schlussfolgerung: Es gibt sie offenbar nicht. Doch diesen Schluss kann man nur ziehen, wenn man einige Vorannahmen macht, von denen man nicht weiß, ob sie zutreffen. Deshalb wird über dieses »Fermi-Paradoxon« seit langem eine kontroverse Diskussion geführt und nach einer Erklärung dafür gesucht, warum wir von den gedachten Außerirdischen trotz guter Gründe für ihr Vorhandensein noch nichts bemerkt haben. Das Spektrum der Argumente ist breit gefächert: Technische Zivilisationen könnten beispielsweise unfähig sein, das Milchstraßensystem zu kolonisieren. Dann wären sie zu weit voneinander entfernt, um sich gegenseitig zu beeinflussen. Denkbar wäre auch eine nur sehr kurze Existenzdauer technischer Zivilisationen, weil sie sich infolge nicht mehr beherrschbaren Instabilitäten selbst auslöschen. Möglicherweise ist aber auch die Suche nach Radiosignalen der Aliens der falsche Weg, weil sie ganz andere, uns noch unbekannte Kommunikationskanäle benutzen.
Schulze-Makuch und Bains führen nun im Ergebnis ihrer Studien ein neues Argument an: Die meisten evolutionären Schritte bei der Entwicklung des Lebens auf der Erde beruhen auf dem oben erwähnten »Many Path Model«. Doch nicht alle. Und gerade der entscheidende Schritt, der über die These vom »Kosmischen Zoo« entscheidet, könnte durch einen »Großen Filter« behindert oder erschwert werden – wodurch auch immer bedingt.
Es fragt sich nämlich, warum in mehr als vier Milliarden Jahren Erdgeschichte nur einmal der Sprung zur entwickelten technischen Zivilisation gelungen ist, während andere Lebewesen ausgestorben sind. Auch die Art Homo sapiens bestand vor 75 000 bis 100 000 Jahren nur noch aus wenigen tausend Individuen. Doch diese wenigen Menschen haben sich gegen die Unbilden der Erde behauptet und heute gibt es 7,5 Milliarden von ihnen auf unserem Planeten. Vielleicht aber ist gerade dieser letzte Schritt der Entwicklung des Lebens hin zu einer technischen Zivilisation wie der unseren doch von allen der unwahrscheinlichste. Auch dann würden wir weiter nach ihnen suchen. Doch die Wahrscheinlichkeit, sie zu finden, ist geringer, weil sie weitaus seltener sein könnten als jene einfacheren Lebensformen, die keine interstellare Kommunikationsfähigkeit besitzen.
Dirk Schulze-Makuch und William Bains: The Cosmic Zoo. Complex Life on Many Worlds, Springer. 2017,232 S., Softcover, 37,44 €
Wir können nicht ausschließen, dass viele der Zufälle, die bei der Evolution irdischen Lebens eine Rolle gespielt haben, anderswo – trotz guter Voraussetzungen – einfach nicht eingetreten sind.