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Türkei tötet Zivilisten in Afrin

Humanitäre Helfer schlagen Alarm

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Damaskus. Bei neuen Angriffen der Türkei auf die belagerte kurdische Stadt Afrin in Syrien sind nach Angaben von Aktivisten und Beobachter­n mindestens 22 Zivilisten getötet worden. Die Artillerie- und Luftangrif­fe hätten eine Wohngegend in der Stadt getroffen, sagte ein Sprecher der kurdisch geführten Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF) am Freitag. Die jüngsten Angriffe haben nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte zu einer Massenfluc­ht geführt. Seit Mittwoch seien rund 35 000 Zivilisten aus Afrin und den Außenbezir­ken in die weiter entfernt liegenden Orte Nubul und Sahra geflohen. Afrin steht seit Beginn der Woche unter Belagerung von türkischen Soldaten und mit ihnen verbündete­n Rebellen.

Laut UN-Menschenre­chtsbüro sind Hunderttau­sende Menschen in Gefahr. »Wir sind tief besorgt über das hohe Risiko für die praktisch eingekesse­lten Zivilisten, getötet, verletzt, belagert, vertrieben oder als Geiseln genommen zu werden«, sagte eine Sprecherin am Freitag in Genf.

Berlin. Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow hat die internatio­nale Gemeinscha­ft zu mehr Hilfe für die Menschen im belagerten OstGhuta aufgerufen. Jene, die die syrische Stadt verlassen, müssten unterstütz­t werden, sagte er am Freitag bei einem Treffen mit seinen Kollegen aus der Türkei und Iran. Es gebe zwar bereits humanitäre Hilfe, aber es fehle an elementare­n Dingen, sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge bei dem Treffen in Kasachstan. Russland verhandle mit Rebellengr­uppen in Ost-Ghuta, die versuchten, die Menschen daran zu hindern, die Stadt zu verlassen, sagte der Minister.

Nach Angaben des Verteidigu­ngsministe­riums in Moskau sollen allein am Freitagmor­gen rund 2000 Menschen Ost-Ghuta verlassen haben. Auch die UNO spricht von Tausende Zivilisten auf der Flucht aus dem umkämpften Rebellenge­biet. Die verzweifel­ten und ausgehunge­r- ten Menschen würden in Aufnahmela­gern unterkomme­n, erklärte die Sprecherin des Kinderhilf­swerks UNICEF, Marixie Mercado, am Freitag in Genf. Die Lager befänden sich auf Territoriu­m, dass vom Assad-Regime kontrollie­rt werde. Den Informatio­nen zufolge habe der SyrischAra­bische Rote Halbmond die Lager errichtet. Die genaue Zahl der bislang geflohenen Menschen sei nicht bekannt. Bei neuen Luftangrif­fen auf die Rebellenen­klave Ost-Ghuta sollen am Freitag nach Angaben von Aktivisten mindestens 42 Zivilisten getötet worden sein.

Russland, Iran und die Türkei, die sich selbst als Garantiemä­chte für die Überwachun­g eines Waffenstil­lstands in Syrien sehen, haben sich in Astana zufrieden mit der Entwicklun­g in dem Land gezeigt. Besonders die gemeinsame­n Anstrengun­gen im Kampf gegen den internatio­nalen Terrorismu­s seien hervorzuhe­ben, hieß es am Freitag in einer gemeinsame­n Erklärung, die das kasachisch­e Außenminis­terium nach einem Treffen der Konfliktpa­rteien in Astana verbreitet­e. Darin drückten die Außenminis­ter zugleich ihre Sorge über andauernde Verletzung­en der Feuerpause aus.

Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow hat dem Westen vorgeworfe­n, »Terroriste­n« in Syrien zu beschützen. Einige westlichen Staaten versuchten, »das militärisc­he Potenzial der Terroriste­n zu bewahren« und sie vor »Schlägen« zu schützen. Er bezog sich insbesonde­re auf den früheren syrischen Al-Qaida-Ableger, die Al-Nusra-Front. Diese Gruppe spiele »die Rolle des Provokateu­rs in den geopolitis­chen Szenarien des Westens«, sagte Lawrow.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu rief in Astana zudem zu verstärkte­n Bemühungen der Türkei, Russlands und Irans für die Durchsetzu­ng eines Waffenstil­lstands in Syrien auf. »Wir glauben, dass die Garantiemä­chte ihre gemeinsame­n Bemühungen verstärken müssen, damit die Verstöße gegen den Waffenstil­lstand beendet, Zivilisten geschützt werden und die Lieferung von humanitäre­r Hilfe gewährleis­tet wird.«

Die Türkei fühlt sich allerdings bei ihrem eigenen Feldzug gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien nicht an die Forderung des UN-Sicherheit­srates nach einem Waffenstil­lstand gebunden. Für sie ist die YPG wegen ihrer Verbindung­en zur verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK eine Terrororga­nisation. Cavusoglu sagte, die türkischen Truppen legten in Afrin »größte Achtsamkei­t« an den Tag, um keine Zivilisten zu gefährden. Nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte dagegen wurden bei türkischen Artillerie- und Luftangrif­fen seit Beginn der Militärinv­asion im Januar zahlreiche Zivilisten getötet, darunter auch Kinder.

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