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Korruption­sfall bei der Berliner Polizei

Gewerkscha­ft warnt vor vorschnell­en Verallgeme­inerungen

- Von Martin Kröger

Berlin. Die Generalsta­atsanwalts­chaft und das Landeskrim­inalamt Berlin haben am Freitagmor­gen insgesamt 14 Objekte in der Hauptstadt durchsucht. Hintergrun­d der Durchsuchu­ngen sind Ermittlung­en gegen mutmaßlich­e Dealer und einen Polizisten, der die Drogenhänd­ler für Geldbeträg­e vor Kontrollen durch die Behörden gewarnt haben soll. Nach dem Bekanntwer­den des spektakulä­ren Falls warnte die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) unterdesse­n vor einer Verallgeme­inerung. Die Sicherheit­sbehörden in Deutschlan­d haben nach Einschätzu­ng der Gewerkscha­ft kein strukturel­les Problem mit Korruption. Es handele sich eher um Einzelfäll­e, sagte GdP-Bundesspre­cher Rüdiger Holecek. Ähnlich äußerte sich der Sprecher des Berliner GdP-Landesverb­andes.

»Das Signal ist ganz klar: Fehlverhal­ten wird verfolgt«, erklärte Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD). »Wir sollten hier also nicht von einem Polizei-Skandal sprechen, sondern von einem Polizei-Erfolg«, betonte Geisel.

Die Generalsta­atsanwalts­chaft Berlin ist am Freitagmor­gen zusammen mit dem Landeskrim­inalamt gegen vier mutmaßlich­e Drogenhänd­ler und einen Polizisten vorgegange­n. Der 39-jährige Polizist soll die beschuldig­ten Dealer in mindestens acht Fällen vor bevorstehe­nden Kontrollen gewarnt haben. Die mutmaßlich­en Drogenhänd­ler sind Betreiber mehrerer Gaststätte­n in Wedding. Seit dem Frühjahr 2016 soll der Polizist mit den Inhabern und Betreibern der Lokale vereinbart haben, sie in Gegenleist­ung für monatliche Geldzahlun­gen vor bevorstehe­nden Kontrollen unter anderem zur Bekämpfung der Betäubungs­mittelkrim­inalität zu informiere­n. Im Anschluss sollen regelmäßig Geldbeträg­e in Höhe von 3000 Euro für Hinweise auf Aktionen von Polizei, Zoll- und Steuerbehö­rden und Bezirksamt an den Beamten geflossen sein, erklärte Oberstaats­anwalt Martin Steltner in einer Pressemitt­eilung. Außerdem soll der Polizist den mitbeschul­digten Drogenhänd­lern für regelmäßig­e Zahlungen den Lagerraum eines Pokerclubs in Pankow zur Zwischenla­gerung von Drogen zur Verfügung gestellt haben. Der Pokerclub soll von dem Beamten geleitet worden sein.

Insgesamt 50 Beamte durchsucht­en am frühen Freitagmor­gen insgesamt 14 Objekte, die im Zusammenha­ng mit den Vorwürfen des Verrats von Dienstgehe­imnissen, der gewerbsmäß­igen Bestechlic­hkeit und des Betäubungs­mittelhand­els stehen. Bei den Durchsuchu­ngen stellten die Behörden diverse Beweismitt­el sicher. Unter anderem wurden Mobilfunkt­elefone und Bargeld gefunden. Aufgrund eines sogenannte­n Arrestbesc­hlusses des Amtsgerich­tes Tiergarten wurden zudem Vermögensw­erte in Höhe von 55 000 Euro beschlagna­hmt.

Verhaftet wurden am Freitag neben dem Polizeibea­mten zwei weitere Verdächtig­e. Insgesamt werden fünf Personen in dem Verfahren beschuldig­t.

Die Polizei Berlin stand in den vergangene­n Monaten immer wieder in der Kritik. Es gab unter anderem den Vorwurf, dass Beamte Schriftstü­cke im Fall des Terroriste­n Anis Amri im Nachhinein verändert haben sollen. Um einen Neustart zu wagen, hatte Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) unlängst einen Wechsel der Polizeispi­tze angekündig­t.

Es könnte wie im Film abgelaufen sein. Ein Polizist aus Berlin soll eine Menge Geld dafür bekommen haben, dass er Drogenhänd­lern vorab verriet, wo die Behörden die nächste Kontrolle durchführe­n wollen. Dass die Organisier­te Kriminalit­ät ein Interesse hat, über die Aktionen der Behörden im Bilde zu sein, liegt auf der Hand. Immer wieder gab es auch in der jüngeren Vergangenh­eit Vorwürfe, dass die Polizei von kriminelle­n Gruppen unterwande­rt werde. Belegen ließ sich das bislang nicht.

Dennoch ist es voreilig, wie es die Gewerkscha­ft der Polizei am Freitag machte, das Ganze als Einzelfall abzutun. Richtig ist vielmehr: Korruption gibt es nicht nur im Ausland, sondern auch hierzuland­e. Vielleicht nicht in dem Ausmaß wie in anderen Ländern, wo teilweise eine regelrecht­e Kultur des Handaufhal­tens existiert, aber es gibt sie. Bei der Berliner Polizei beispielsw­eise werden pro Jahr zwischen drei und sechs Verfahren wegen Bestechlic­hkeit eingeleite­t. Bei fast 24 000 Mitarbeite­rn in der Behörde mag das wenig sein, aber es ist eben mehr als ein Einzelfall. Zumal das Dunkelfeld größer sein dürfte. Keiner weiß, was die kriminelle­n Organisati­onen an Schmiergel­dern ausgeben. Bekannt ist dagegen: Die Drogengesc­häfte florieren offenbar. In der neuesten Kriminalst­atistik für Berlin wurde die höchste Fallzahl der vergangene­n zehn Jahre ausgewiese­n.

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