nd.DerTag

Giftgas als Bündniskit­t

Olaf Standke über Russland und den Riss durch die NATO

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»Wir wollen keinen neuen Kalten Krieg, wir wollen keinen neuen Rüstungswe­ttlauf«, sagte NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g am Freitag fast schon beschwören­d im britischen Sender BBC mit Blick auf Russland. Aber genau der gegenteili­ge Eindruck drängte sich in dieser Woche auf. Der längst nicht wirklich geklärte Giftgasans­chlag auf den ehemaligen Doppelagen­ten Sergej Skripal und seine Tochter musste zumindest als Anlass für einen Krieg der Worte herhalten – und offensicht­lich als gern genutzter Bündniskit­t. So geschlosse­n wie in ihrer Solidaritä­t mit dem Verbündete­n Großbritan­nien sah man die Mitgliedst­aaten des Nordatlant­ik-Paktes schon lange nicht mehr. Denn der jetzt vorgelegte NATO-Jahresberi­cht zeigt, dass nach wie vor ein Riss durch das größte Militärbün­dnis der Welt geht.

Die Militäraus­gaben der Führungsma­cht USA steigen in der Ära Trump ohnehin exorbitant, doch nun haben auch die europäisch­en Bündnispar­tner nachgezoge­n. Soviel zum Thema: Wie wollen kein Wettrüsten. Aber diese Aufrüstung reicht Washington überhaupt nicht. Man werde sich nicht länger von Verbündete­n ausnutzen lassen, tönt der Präsident. Laut den jüngsten Zahlen erreichen neben den USA nämlich nur Griechenla­nd, Estland und Großbritan­nien das von ihm so vehement geforderte Zwei-Prozent-Ziel. Da kommt das Schreckges­penst des alten Erzfeindes Russland gerade recht.

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