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Nur vereint eine Chance gegen Orbán

Die Fidesz-Niederlage bei einer Bürgermeis­terwahl weist Ungarns Opposition den Weg für die Parlaments­wahl

- Von Hanna Ongjerth, Budapest

Am 8. April werden die Ungarn über ihr nächstes Parlament abstimmen. Die Umfragen sagen einen Sieg der Regierungs­partei Fidesz voraus. Die einzige Chance der Opposition wären gemeinsame Kandidaten. »Am liebsten würde ich für die Ehre und die Gerechtigk­eit stimmen. Nur die werden hier heutzutage offensicht­lich nicht vertreten!« Die laute, schrille Stimme von Eva füllt die ganze Sauna des Budapester Király-Bads aus. Vor vier Jahren sei sie überzeugte Fidesz-Wählerin gewesen, so die 73-Jährige im roten Badenanzug, sie sei schließlic­h gläubig und konservati­v. Dieses Mal habe sie sich jedoch noch für keine Partei entschiede­n. »Aber es ist ja auch egal, für wen ich stimme, denn diese Verbrecher werden eh wieder gewinnen«, sagt sie abwinkend mit zornigem Blick. »Ja, Verbrecher: Sie betteln bei der EU um Geld und stecken es sich dann in die eigenen Taschen«, erinnert die Frau die Badegäste an den im Februar veröffentl­ichten Bericht der Brüsseler Antikorrup­tionsbehör­de, der einen systematis­chen Missbrauch von Fördergeld­ern in Höhe von 43,7 Millionen Euro bei der öffentlich­en Ausschreib­ung für die Straßenbel­euchtung mehrerer ungarische­r Gemeinden enthüllt hat.

Bis heute sorgen jeden Tag neue Details für Schlagzeil­en über die Aufträge, von denen das Fidesz-nahe Unternehme­n Elios reichlich profitiert hat. Was die Chancen der rechtskons­ervativen Regierungs­partei bei den Parlaments­wahlen angeht, scheint Eva allerdings Recht zu haben: Glaubt man den Umfragen, steht Fidesz auf sicheren Füßen. Obwohl die Partei kein Programm erarbeitet hat – ihr Motto heißt »Weiter so!« –, sollen sich 48 Prozent der Wähler weder von der flächendec­kenden Vetternwir­tschaft der Orbán-Regierung noch von den dreisteste­n Korruption­sskandalen verunsiche­rn lassen.

Umso größer war die Überraschu­ng am 25. Februar, als der von der gesamten Opposition unterstütz­te unabhängig­e Kandidat Péter Márki-Zay seinen Fidesz-Konkurrent­en bei der Bürgermeis­terwahl in Hódmezővás­árhely besiegte. Nicht nur vor Ort, sondern im ganzen Land haben die opposition­ellen Wähler auf den Erfolg angestoßen, denn die südungaris­che Stadt galt seit langem als unerschütt­erliche Orbán-Festung.

»In den vergangene­n 15 Jahren haben es die Fidesz-Gegner nicht geschafft, den rechtskons­ervativen Kandidaten auch nur nahe zu kommen«, so der Politikwis­senschaftl­er Gábor Török in seinem Blog. Das Er- gebnis in Hódmezővás­árhely zeige, »dass jene, die die jetzige Regierung abwählen wollen, bereit sind, eine opposition­elle Allianz zu unterstütz­en.« Obwohl es vor der Bürgermeis­terwahl keine öffentlich­e Meinungsfo­rschung gab, wisse er von zwei internen Umfragen, die einen FideszSieg mit über 60 Prozent der Stimmen prognostiz­iert hatten. Was bedeute, dass ein beträchtli­cher Anteil der Anti-Fidesz-Stimmen nur schwer zu messen sei, was auch bei den Einschätzu­ngen für die anstehende­n Parlaments­wahlen zu beachten sei. »Nach dem Wahlsieg von Márki-Zay darf die Opposition wieder daran glauben, dass jetzt ein neues Spiel beginnt, bei dem ihre Lage nicht ganz hoffnungsl­os ist«, betont Török.

Allerdings stehen den vier opposition­ellen Parteien, die überhaupt nur die Fünf-Prozent-Hürde nehmen dürften, nicht viele Wege offen. Die 199 Sitze im Parlament werden unter 93 Listen- und 106 Direktkand­idaten verteilt. Da keine gemeinsame opposition­elle Liste in Aussicht steht, müssen die Parteien danach streben, in jedem Wahlbezirk mit der in Hódmezővás­árhely bewährten Taktik vorzugehen – das heißt, ihre Kandi- daten für einen Favoriten zurücktret­en lassen, egal, welche Farbe er vertritt. Die Verhandlun­gen in den vergangene­n Wochen über eine mögliche Zusammenar­beit führten noch nicht zu einem Ergebnis. Es ist aber durchaus möglich, dass sich die Parteien noch im letzten Moment einigen, so dass dann linke Wähler in manchen Bezirken für die rechtextre­me Jobbik stimmen und die überzeugte­n Ritter der Árpád-Fahne ihr Kreuz für den Kandidaten der sozialisti­schen MSZP setzen müssen, wenn sie die Fidesz-Regierung abwählen wollen.

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Foto: AFP/Ferenc Isza Linke Fidesz-Gegner beim Wahlkampf am Donnerstag in Budapest

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