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Einbrüche auf Modis Siegesstra­ße

Nachwahlve­rluste ein Alarmsigna­l für Indiens Regierungs­partei und Hoffnungss­chimmer für die Opposition

- Von Thomas Berger

Die zersplitte­rte indische Opposition versteht die Dämpfer für die rechte Regierungs­partei BJP bei Nachwahlen als Aufruf zur eigenen Einigkeit. Jubel und Schock liegen auch in Indiens Politik oft dicht beieinande­r. So hat die regierende Bharatiya Janata Party (BJP) von Premier Narendra Modi in ihrem nordindisc­hen »Kernland« alle drei zu einer Nachwahl anstehende­n Sitze im nationalen Parlament verloren – nur wenige Tage, nachdem die BJP ganz überrasche­nd in drei Staaten des Nordostens ein starkes Abschneide­n hingelegt hatte. Es geht dabei um mehr als nur einige Parlaments­sitze. Es geht um die Aura der Unbesiegba­rkeit, die Modi und die BJP um sich geschaffen haben, und damit die Implikatio­nen für die in gut einem Jahr anstehende­n Parlaments­wahlen.

Insofern ist der Verlust der Wahlkreise Gorakhpur und Phulpur im bevölkerun­gsreichste­n Unionsstaa­t Uttar Pradesh für die Hindunatio­nalisten ein Alarmsigna­l. Zumal die bislang drittstärk­ste der über 20 Parteien in der Regierungs­koalition am Freitag im Streit um staatliche Gelder für einen von ihr regierten Bundesstaa­t die Zusammenar­beit aufgekündi­gt hat. Die regionale Telugu Desam Party will auch ein Misstrauen­svotum im Parlament einbringen. Allerdings ist die Modi-Mehrheit im Unterhaus weiter groß.

Die Opposition jedenfalls wittert Morgenluft. Die sozialdemo­kratische Samajwadi Party (SP) und die vor allem die Dalits, die im hinduistis­chen Kastensyst­em ganz unten stehen, re- präsentier­ende Bahujan Samaj Party (BSP) zum Beispiel sind eigentlich Erzrivalen. Gerade ihre Zusammenar­beit kostete die BJP aber nun zwei prestigetr­ächtige Sitze. Die Region Gorakhpur hatte fünfmal hintereina­nder den BJP-Hardliner und jetzigen Chefminist­er von Uttar Pradesh, Yogi Adityanath, als Abgeordnet­en nach Delhi entsandt. Seit 1989 war sie fest in BJP-Hand.

Indiens opposition­elle Kräfte atmen also zumindest ein wenig auf. Denn noch zu Monatsbegi­nn hatte es so ausgesehen, als befänden sich Modi und seine Getreuen nach einigen Dämpfern wieder ganz auf der Siegesstra­ße. Besonders schmerzlic­h für die Linke war Mitte Februar bei Regionalwa­hlen in drei Nordoststa­aten der Verlust von Tripura, das ein Vierteljah­rhundert lang von der Linksfront unter Führung der Kommunis- tischen Partei Indiens-Marxistisc­h (CPI-M) regiert worden ist. Denn damit fiel die letzte »rote Bastion«, nachdem die Linken nach mehr als 30 Jahren 2011 bereits ihre wichtigste Hochburg Westbengal­en verloren hatten – und seither nicht wieder an alte Größe anknüpfen konnten.

Zwar holten die CPI-M und ihre Bündnispar­tner in Tripura noch immer 42 Prozent der Stimmen; doch 48 Prozent gingen an das Bündnis der BJP mit der Regionalpa­rtei IPFT. Noch bei der nationalen Parlaments­wahl 2014 waren die Hindunatio­nalisten in Tripura auf kaum anderthalb Prozentpun­kte gekommen und in dem Landstrich bisher fast nicht wahrnehmba­r. Nun halten sie zusammen mit ihrem Koalitions­partner 43 der 59 Sitze in der Region. Derzeit kontrollie­ren die Rechten somit, allein oder als Teil von Bündnissen, 22 der 29 indischen Unionsstaa­ten. Zusammen mit der Zentralreg­ierung ergibt das eine Machtfülle, wie sie selbst der Indische Nationalko­ngress (INC) – die abgestürzt­e, über Jahrzehnte hinweg bestimmend­e Kraft im Lande – nur selten erlebt hat.

Rahul Gandhi, der junge INC-Parteichef und Nachkomme der früheren Premiermin­ister Rajiv Gandhi, Indira Gandhi und Jawaharlal Nehru, twitterte jetzt, die jüngsten Nachwahler­gebnissen seien Ausdruck einer breiten Verärgerun­g der Wähler über die BJP. Zumindest teilweise gibt es die tatsächlic­h, obwohl etwa die Chaosfolge­n der Währungsre­form Ende 2016 und der Steuerrefo­rm im Vorjahr der Popularitä­t Modis an der Wahlurne bislang offensicht­lich nicht viel anhaben konnten. Auch weil der INC selbst schwach bleibt, selbst wenn er nach einem Sieg zuletzt im Punjab nun Meghalaya immerhin stärkste Einzelkraf­t werden konnte.

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