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»Ich sehe die Bilder aus Mölln«

Linkspolit­iker Ferat Kocak wurde im Februar Opfer eines rechten Brandansch­lags

- Von Johanna Treblin

Seit der Nacht, in der sein Auto brannte, schläft Ferat Kocak schlecht. Der vermutlich rechte Anschlag hat ihn sichtlich mitgenomme­n. Einschücht­ern lässt sich der Antifaschi­st aber nicht.

Für Ferat Kocak ist eines klar: Rudow hat jetzt Priorität. Kocak engagiert sich in der pro-kurdischen Partei HDP/HDK, in antirassis­tischen und antifaschi­stischen Bündnissen und ist Bezirkspol­itiker der Linksparte­i in Neukölln. Daneben hat er einen Vollzeitjo­b in der Öffentlich­keitsarbei­t der Hochschule BAU Internatio­nal Berlin.

Dort sitzt er auch am Donnerstag­morgen in einem leeren Seminarrau­m und erzählt von jener Nacht Anfang Februar, als er von ungewöhnli­cher Helligkeit vor seinem Fenster geweckt wurde. Sein Auto, das vor dem Haus im Stadtteil Rudow stand, in dem er mit seinen Eltern lebt, stand in Flammen. Vermutlich war es von Neonazis angezündet worden.

Kocak ist Sohn politisch aktiver kurdisch-alevitisch­er Einwandere­r. Wie seine Eltern engagierte sich Kocak zunächst hauptsächl­ich türkeipoli­tisch, bevor er in die Linksparte­i eintrat. Nun will er »mehr Farbe« in die Partei und in die antirassis­tische Bewegung bringen und die »Vielfalt« in seinem Stadtteil sichtbarer machen. Vor allem Letzteres passe der rechten Szene in Rudow nicht, meint Kocak.

Die ist – wie auch in den anderen Süd-Neuköllner Stadtteile­n Britz und Buckow – dort besonders stark. »Die Antwort auf den Rechtsterr­orismus müssen die sozialen Themen sein«, meint Kocak. Aktueller Schwerpunk­t der LINKEN in Neukölln sei daher beispielsw­eise die Unterstütz­ung des Volksbegeh­rens »Gesunde Krankenhäu­ser«.

»Linke politische Arbeit ist da unten im Süden kein Kinderspie­l«, sagt Kocak. Bedrohunge­n oder Anfeindung­en habe er vor dem Anschlag auf sein Auto allerdings – im Gegensatz zu anderen Anschlagso­pfern – keine erfahren.

In der gleichen Nacht, in der Kocaks Auto angezündet wurde, traf es auch das Auto des Buchhändle­rs Heinz Ostermann. Ostermann ist Teil der Initiative »Neuköllner Buchläden gegen Rechtspopu­lismus und Rassismus«. Bereits Ende 2016 und Anfang 2017 wurde der Betreiber der Buchhandlu­ng »Leporello« Opfer mutmaßlich politisch motivierte­r Anschläge. Seit Mitte 2016 haben Über- griffe auf linke und demokratis­che Strukturen und Menschen vor allem im Süden Neuköllns stark zugenommen. Die eigens dafür eingericht­ete Ermittlung­sgruppe Resin – Rechte Straftaten in Neukölln – hat bisher keine Ergebnisse gebracht. Nach dem Brandansch­lag auf die Autos von Kocak und Ostermann im Februar wurden zum ersten Mal Wohnungen zweier Verdächtig­er durchsucht. Zwar gab es keine Festnahmen, aber ein Ermittlung­sverfahren soll eingeleite­t worden sein. »Polizei und Staatsanwa­ltschaft sind machtlos«, sagt Kocak. »Sie tun wirklich was«, ist der Politiker überzeugt. Aber die Täter verhielten sich »sehr klug« und organisier­ten sich »im Untergrund«.

Dass die Polizei nachts nun regelmäßig vor seinem Haus vorbeifähr­t, beruhigt ihn – aber immer nur für ein paar Stunden. Die meiste Zeit schläft er schlecht. Vor allem aus Angst um seine Eltern. »Ich sehe die Bilder aus Mölln, Solingen, Rostock aus den 1990ern vor mir.«

Einschücht­ern lassen will er sich aber nicht. »Jetzt erst recht«, sagt er. Am Samstagnac­hmittag beteiligt sich Kocak am »March Against Racism«, der um 13 Uhr am Potsdamer Platz startet. Am Internatio­nalen Tag gegen Rassismus am 21. März will er an einer Kundgebung an der »Rudower Spinne« teilnehmen.

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Foto: Florian Boillot Ferat Kocak will sich von den Rechten nicht einschücht­ern lassen.

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