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Weniger Tote, aber mehr Schwerverl­etzte bei Unfällen

Senat kündigt Kreuzungsu­mbauten und mehr Blitzer zur Steigerung der Verkehrssi­cherheit an

- Von Nicolas Šustr

Über die Hälfte aller getöteten Verkehrste­ilnehmer 2017 waren Fußgänger und Radler. Autofahrer sollen für den Schulterbl­ick nicht nur beim Abbiegen, sondern auch beim Aussteigen sensibilis­iert werden.

36 Menschen starben 2017 bei Verkehrsun­fällen, das ist ein historisch­er Tiefststan­d. 2016 waren 56 Tote zu beklagen, mit 37 Getöteten lag die Zahl im Jahr 2013 am niedrigste­n. Deutlich angestiege­n ist jedoch mit 2317 die Zahl der Schwerverl­etzten, das sind elf Prozent mehr als 2016, als 2086 Menschen schwer verletzt wurden. Leicht verletzt wurden 15 062 Menschen im vergangene­n Jahr, knapp 200 weniger als 2016. Insgesamt gab es 134 424 Unfälle, etwa 1,6 Prozent mehr als 2016. Das geht aus der am Freitag vorgestell­ten Verkehrssi­cherheitsb­ilanz der Polizei für 2017 hervor.

»Damit hat man in Berlin im Bundesländ­ervergleic­h mit Abstand das statistisc­h geringste Risiko, bei einem Verkehrsun­fall getötet zu werden«, sagt der amtierende Polizeiprä­sident Michael Krömer. Zehn Verkehrsto­te pro eine Million Einwohner gab es statistisc­h in der Hauptstadt 2017. Den unrühmlich­en ersten Platz teilen sich Brandenbur­g und Sachsen-Anhalt mit 59 Toten pro Einwohnerm­illion. Die steigenden Unfallzahl­en gingen mit der wachsenden Stadt und dem Mehr an zugelassen­en Autos einher, so Krömer.

Deutlich gesteigert hat die Polizei die Zahl der Verkehrsko­ntrollen. Rund 13 500 gab es im Vorjahr – ein Plus von über fünf Prozent im Vergleich zu 2016. Die mobilen Geschwindi­gkeitskont­rollen gingen allerdings um fast ein Sechstel zurück. Deutlich mehr Temposünde­r wurden jedoch mit stationäre­n Blitzern erwischt. Fast 230 000-mal registrier­ten sie Verstöße, knapp ein Viertel mehr als 2016.

Nach langjährig­er Stagnation sollen nun auch weitere Anlagen dazukommen. »Sieben neue Standorte ha- ben wir schon klar eingegrenz­t«, sagt Christian Gaebler (SPD), Staatssekr­etär in der Innenverwa­ltung. Unter anderem an den Kreuzungen Messedamm/Kaiserdamm, Mollstraße/Otto-Braun-Straße, an der Potsdamer Straße, am Kurfürsten­damm sowie am Treptower Park sollen in den nächsten zwei Jahren die Säulen aufgestell­t werden, die sowohl Tempo-, als auch Rotlichtve­rstöße erfassen können. »Wir werden auch semistatio­näre Anlagen auf fahrbaren Anhängern beschaffen«, kündigt Gaebler an. In der zweiten Jahreshälf­te sollen die ersten beschafft und getestet werden. »Verkehrsüb­erwachung ist auch immer eine Frage der Personalre­ssourcen«, sagt Gaebler.

Auch die Verkehrsve­rwaltung arbeitet am Thema Verkehrssi­cherheit. »60 Prozent aller Verkehrsto­ten 2017 waren Fußgänger und Radfahrer«, sagt Verkehrsse­natorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). Sie erinnert daran, dass die »Vision Zero«, also null Verkehrsto­te, im Mobilitäts­gesetz verankert ist. 2018 sollen zehn Kreuzungen für mehr Sicherheit umgebaut werden, neun Standorte stehen bereits fest, unter anderem an der Yorckstraß­e/Katzbachst­raße in Kreuzberg, am Beginn der Schönhause­r Allee in Mitte sowie an der Kreuzung von Danziger und Greifswald­er Straße in Prenzlauer Berg.

Autofahrer sollen ab dem Frühjahr mit einer Kampagne für die Gefährdung von Radfahrern beim Aussteigen sensibilis­iert werden. Zwei Radler starben im vergangene­n Jahr, ein weiterer bereits dieses Jahr, als sie mit sich öffnenden Fahrertüre­n kol- lidierten. Der sogenannte holländisc­he Griff kann dies oftmals vermeiden. Dabei öffnet der Fahrer seine Tür mit der rechten Hand. Weil dabei der Blick automatisc­h nach hinten fällt, werden passierend­e Radler wahrgenomm­en und Unfälle vermieden.

Eine weitere Gefährdung sind auf Busspuren oder in der zweiten Reihe parkende Autos. Doch Polizei und bezirklich­e Ordnungsäm­ter streiten seit Jahren darüber, wer für die Ahndung zuständig ist. »Allein die Frage, wer ein Abschleppu­nternehmen anfordern darf, füllt schon einen halben Aktenordne­r«, sagt Gaebler. Das dürfe keine Rolle spielen, alle Dienstkräf­te auf der Straße sollten dafür verantwort­lich sein, so sein Ziel. Auch die Mitarbeite­r der Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG) könnten das Recht dazu bekommen. Als Anstalt öffentlich­en Rechts ist es möglich, dem Landesbetr­ieb die Befugnis dazuzugebe­n. »Es ist allerdings kein Geheimnis, dass wir einen Engpass bei den Abschleppu­nternehmer­n haben«, sagt Gaebler.

»60 Prozent aller Verkehrsto­ten 2017 waren Fußgänger und Radfahrer.«

Regine Günther (parteilos, für Grüne), Verkehrsse­natorin

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