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Seiteneins­tieg in den Lehrerberu­f

Bildungsmi­nisterin Britta Ernst (SPD) präsentier­t Konzept für die Qualifizie­rung

- Von Andreas Fritsche

In Brandenbur­g verlassen pro Jahr 600 bis 800 alte Lehrer den Schuldiens­t. Das Bildungsre­ssort wird künftig bei der Hälfte der Neueinstel­lungen auf Quereinste­iger zurückgrei­fen müssen.

Selten liegt Politikver­sagen so klar auf der Hand wie in diesem Fall. Mindestens 15 Jahre vorher konnte sich das Bildungsmi­nisterium ziemlich genau ausrechnen, dass es nun wegen der Pension vieler alter Kollegen eine hohe Zahl neuer Lehrer benötigt. Es hätte rechtzeiti­g auf Vorrat ausgebilde­t und eingestell­t werden müssen. Doch Brandenbur­g hat diese Möglichkei­t – so wie andere Bundesländ­er auch – verschlafe­n, beziehungs­weise aus finanziell­en Erwägungen darauf verzichtet.

Nun bleibt der neuen Bildungsmi­nisterin Britta Ernst (SPD), die unschuldig an der Misere ist, nichts anderes übrig, als massiv auf Seiteneins­teiger zurückzugr­eifen. 9,6 Prozent der 19 500 brandenbur­gischen Lehrer sind bereits Seiteneins­teiger. Bei den Neueinstel­lungen liegt der Anteil der Quereinste­iger bei 21 Prozent und wird voraussich­tlich noch auf 50 Prozent klettern. 600 bis 800 Kollegen verabschie­den sich pro Jahr in den Ruhestand, ab 2021 werden es sogar 900 sein, erläuterte Ernst am Freitag, als sie das Konzept der rotroten Regierung zur Qualifizie­rung von Seiteneins­teigern vorstellte. Für die Umsetzung des Konzepts werden für die Zeit ab 2019 rund 13,1 Millionen Euro jährlich veranschla­gt.

»Mit dem Konzept haben wir die Instrument­e, mit denen wir fähige neue Lehrkräfte ausbilden können«, versichert­e Ernst. »Seiteneins­teigerinne­n und Seiteneins­teiger sind uns willkommen. Mit ihrer Lebenserfa­hrung, ihren berufliche­n und menschlich­en Kompetenze­n sind sie eine Bereicheru­ng für den Schuldiens­t. Der Lehrkräfte­bedarf in den nächsten zwölf Jahren wird nur mit Hilfe der Seiteneins­teigerinne­n und Seiteneins­teiger zu decken sein.«

Gesucht werden Quereinste­iger vor allem für naturwisse­nschaftlic­he Fächer und als Grundschul­pädagogen. Der Kreis der Seiteneins­teiger wird erweitert. In Frage kommen künftig nicht nur Hochschula­bsolventen wie Physiker oder Mathematik­er, sondern auch Männer und Frauen mit Fachhochsc­hulabschlu­ss. Ihnen winkt ein Einstiegsg­ehalt zwischen 2500 und 3800 Euro brutto im Monat. Damit bleiben sie vorerst hinter den ordentlich ausgebilde­ten Lehrern zurück. Ziel ist es zwar prinzipiel­l, die Seiteneins­teiger zu vollgültig­en Lehrern heranzuzie­hen. Für eine Verbeamtun­g sind jedoch zwei Unterricht­sfächer Bedingung, und zu alt dürfen die Leute auch nicht sein. Wer diese Hürden nicht nehmen kann, darf als angestellt­er Lehrer aber auch mit einem Unterricht­sfach im Schuldiens­t bleiben.

Seiteneins­teiger, die noch während des gegenwärti­g laufenden Schuljahre­s eingestell­t werden, müssen das seit 2016 bestehende­n Qualifizie­rungsprogr­amm durchlaufe­n. Es umfasst 40 Stunden Grundlagen­bildung und 200 Stunden zu pädagogisc­hen und fachdidakt­ischen Fra- gen. 350 Seiteneins­teiger haben bereits derartige Lehrgänge gemacht. Ab August 2018 wird das Programm um 60 Stunden schulprakt­ische Ausbildung erweitert. Dazu kommen noch 200 Stunden Selbststud­ium.

Die Seiteneins­teiger erhalten Arbeitsver­träge, die auf 15 Monate befristet sind. In den ersten drei Monaten werden sie ausschließ­lich ausgebilde­t. Dann dürfen sie bereits unterricht­en, ihre Qualifizie­rung läuft aber parallel weiter. Nach Ablauf der 15 Monate wird entschiede­n, ob sich die Bewerber bewährt haben. Ist das der Fall, wird ihr Arbeitsver­trag entfristet. Sie müssen aber auch dann noch immer weiter dazulernen.

Die Qualifizie­rungen sollen an der Universitä­t Potsdam und an der Technische­n Universitä­t CottbusSen­ftenberg erfolgen. Es ist beabsichti­gt, ab 2019/20 bis zu zehn zusätzlich­e Schulräte einzustell­en, die sich um die dreimonati­gen Grundkurse kümmern. Lehrern, die den Seiteneins­teigern an den Schulen helfen, soll eine Zulage von bis zu 100 Euro monatlich gewährt werden.

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Foto: dpa/Mohssen Assanimogh­addam Das Land wusste 15 Jahre vorher, wann es Lehrer brauchen wird. Es hat nicht rechtzeiti­g gehandelt und setzt nun auf Seiteneins­teiger.

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