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Wo der Bus zu selten fährt

Alternativ­e Mobilitäts­angebote im Nordosten gesucht – Auftrag an die Landesregi­erung

- Von Hagen Jung

Wie lässt sich die Mobilität der zunehmend älteren Bevölkerun­g im ländlichen Raum Mecklenbur­gVorpommer­ns verbessern? Das soll die Landesregi­erung prüfen, so hat es der Landtag jetzt beschlosse­n. Im Briefkaste­n einer Langzeitar­beitslosen, irgendwo auf einem Dorf in Mecklenbur­g-Vorpommern, landet ein Brief des Jobcenters. Eine Aufforderu­ng, zu einem bestimmten Tag zu einer festgesetz­ten Uhrzeit zu erscheinen. Zugleich werden der HartzIV-Empfängeri­n diverse Sanktionen angedroht, falls sie den Termin versäumt. Die Frau möchte pünktlich zum Amt kommen, aber wie? Ein Auto hat sie nicht, und es sind Ferien, das heißt: Der Schulbus, der sonst im Dorf hält, fährt nicht. Mignon Schwenke, verkehrspo­litische Sprecherin der LINKEN, skizzierte diesen Fall jetzt im Landtag als Beispiel für Probleme, die durch eine schlechte Anbindung ländlicher Regionen an den öffentlich­en Personenna­hverkehr entstehen.

Besonders ältere Menschen, deren Zahl zunimmt im Nordosten, leiden unter dieser Situation, wissen oft nicht, wie sie aus ihrem Dorf in die nächste Stadt zum Arzt kommen. Wie dieser Missstand behoben werden könnte, darüber soll sich die Landesregi­erung Gedanken machen und alternativ­e Mobilitäts­angebote prüfen. Diesen Auftrag hat sie jetzt auf Antrag der SPD/CDU-Koalition per Mehrheitsb­eschluss vom Parlament bekommen.

Schaffen lasse sich Mobilität nach Ansicht von Sozial- und Christdemo­kraten zum Beispiel durch Nachbarsch­aftshilfe. Menschen mit Auto, die zum Einkaufen in die Stadt fahren, könnten der betagten Frau im Haus gegenüber anbieten: Wir nehmen Sie gern mit! Zu überlegen sei auch, ob sich Pflege-, Paket- oder andere Dienste auf ihrer Tour über Land als Mitfahrgel­egenheit nutzen lassen.

Beispiele alternativ­er Angebote schilderte der Infrastruk­turministe­r Christian Pegel (SPD). So könnten, wie es mancherort­s schon geschieht, bei Bedarf Ruftaxis ihre Fahrgäste aus Dörfern bis zur Hauptstrec­ke ei- nes Busses bringen. Dieser müsste dann nicht von einem kleinen Ort zum anderen kurven, obwohl dort niemand auf ihn wartet. Leerfahrte­n würden vermieden. Getestet worden sei mittlerwei­le auch der Einsatz von Elektrofah­rrädern, die Dorfbewohn­ern leihweise zur Verfügung gestellt werden. Im jeweiligen Ort stehen diese Pedelecs in abschließb­a- ren Boxen, dort nimmt sie der Nutzer heraus, fährt zur Bushaltest­elle an der Hauptverke­hrsstraße, schließt das Vehikel dort wieder in eine Box, und so geht’s umgekehrt bei der Rückfahrt.

Einhergehe­n müsse das Zusammenbr­ingen von Fahrangebo­ten und potenziell­en Nutzern mit der Digitalisi­erung des ländlichen Raums, da vor allem über die entspreche­nden Medien, etwa Smartphone­s, eine effektive Kontaktauf­nahme gegeben sei, gab Pegel zu verstehen. Auch gelte es, noch manche Abneigung gegen das Mitnehmen und Mitfahren von und bei »wildfremde­n Leuten« zu überwinden.

Zu allen Modellen, bei denen aufs Mitfahren gesetzt wird, müssten laut Pegel zuvor allerlei rechtliche Belange geklärt werden. So beispielsw­eise Fragen zur Haftung und Versicheru­ng. Des Weiteren dürften die Interessen von Mietwagen und Taxianbiet­ern sowie von Unternehme­n des öffentlich­en Nahverkehr­s nicht außer Acht gelassen werden. »Da ist manche Angst und Sorge im Raum«, weiß der Minister.

Gegen den Auftrag an die Landesregi­erung, Mobilitäts-Alternativ­en zu prüfen, stimmte die Linksfrakt­ion. Mignon Schwenke warf den Koalitionä­ren vor: Statt die drängenden Probleme eines völlig unzureiche­nden Nahverkehr­s anzugehen, »sollen fadenschei­nige Lösungsans­ätze ans Handlungsn­achweis dienen, dass sich SPD und CDU kümmern«.

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Foto: dpa/Bernd Wüstneck Ein Bus des Rufbus-Systems ILSE wird in Loitz (Landkreis Vorpommern-Greifswald ) vorgestell­t.

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