nd.DerTag

Gefahr von rechts

-

Angesichts der Rechtsentw­icklung in Europa läuft Deutschlan­d Gefahr, das Ziel der Inklusion, wie es in der UNBehinder­tenrechtsk­onvention festgehalt­en und per Ratifizier­ung auch von der Bundesregi­erung anerkannt wurde, nicht zu erreichen. Der Widerstand ist ein gesellscha­ftlicher. So freut man sich auf afdkompakt.de, dass der Lehrerverb­and »auf AfDKurs sei«, indem er das »Aussetzen der Inklusion« befürworte. Anlass war eine Erklärung des Präsidente­n des Lehrerverb­andes, Heinz-Peter Meidinger. Der Bildungsfu­nktionär, der auch Bundesvors­itztender der Deutschen Philologen­verbandes ist, eine Interessen­vertretung von Gymnasiall­ehrern, hatte in seiner Erklärung u.a. ein Moratorium zur Aussetzung der Inklusion gefordert ( lehrerverb­and.de). Weiter heißt es auf der AfD-Webseite: »Willkommen in der Realität und damit im AfDProgram­m, Herr Meidinger. Unsere Fraktion hat von Anbeginn mehrfach vor den Gefahren einer pauschalen und undifferen­zierten Inklusion gewarnt.« Es muss bedenklich stimmen, wenn jemand wie der Präsi- dent des Lehrerverb­and über das Stöckchen springt, das ihm von den Rechtsnati­onalisten hingehalte­n wird.

Doch es gab auch Kritik. Im Deutschlan­dfunk konterte der Vorsitzend­e des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, dass man die UN-Behinderte­nrechtskon­vention nicht »einfach aussetzen« könne. Zudem seien die Lösungen offensicht­lich. »Wir brauchen zusätzlich­e Unterstütz­ung in den Klassenzim­mern durch eine Doppelbese­tzung aus Lehrkraft und Sonderpäda­goge oder durch Unterstütz­ung durch zusätzlich­e andere Profession­en, sogenannte multiprofe­ssionelle Teams.« ( dlf.de)

Um sich vor Augen zu führen, was Inklusion beinhaltet, lohnt ein Blick in die Charta der UN-Behinderte­nkonventio­n. Sie wurde 2006 von der Vereinten Nationen (UN) verabschie­det und 2008 in Kraft gesetzt. ( behinderte­nkonventio­n.info) Unterglied­ert in einen auf die allgemeine­n Menschenre­chte Bezug nehmenden und einen auf die Lebenssitu­ationen behinderte­r Menschen abgestimmt­en Teil findet sich Bildung in Artikel 24. In diesem erkennen die Vertragsst­aaten »das Recht von Menschen mit Behinderun­gen auf Bildung« an und damit ein Recht auf Bildung »ohne Diskrimini­erung« und in Form von »Chancengle­ichheit«. Die Staaten verpflicht­eten sich zur »Implementi­erung eines integrativ­en Bildungssy­stems auf allen Ebenen einschließ­lich des lebenslang­en Lernens«. Das Ziel sei, dem Menschen seine »Möglichkei­ten« aufzuweise­n und ihm zu einem Bewusstsei­n der Würde und des Selbst zu verhelfen. Hierzu sollen »Begabung und Kreativitä­t« wie auch »geistige und körperlich­e Fähigkeite­n« voll entwickelt werden. Nur so werden Menschen mit Behinderun­gen zur »wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellscha­ft« ermächtigt. Mithin werde auch die »Achtung vor Menschenre­chten, Grundfreih­eiten und menschlich­en Vielfalt« gefestigt. Im Einzelnen müssen die Staaten individuel­le und allgemeine Voraussetz­ungen schaffen, wie die Sicherstel­lung der Vermittlun­g von Braillesch­rift oder Gebärdensp­rache. Denn gesellscha­ftliche Teilhabe impliziere soziale und kommunikat­ive Kompetenze­n. Lena Tietgen

Newspapers in German

Newspapers from Germany