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Haie zählen mit Genen

Laut wissenscha­ftlichem Zensus leben 7000 Weiße Haie in Australien­s Gewässern. Artenschut­zmaßnahmen haben den Bestand stabilisie­rt.

- Von Michael Lenz

Der Albtraum der Australier, von denen die meisten in Küstenstäd­ten leben, ist der Weiße Hai. Der bis zu sieben Meter lange Raubfisch ist in der Folklore der surfbegeis­terten und schwimmver­rückten Australier das, was für uns in lauschige Wälder vernarrte Deutsche der Wolf ist: ein heimtückis­cher, menschenfr­essender Killer.

Wie viele Weiße Haie sich in den australisc­hen Gewässern tummeln, war bis zur jüngst veröffentl­ichten Untersuchu­ng von Wissenscha­ftlern der renommiert­en australisc­hen Forschungs­einrichtun­g Commonweal­th Scientific and Industrial Research Organisati­on (CSIRO) unbekannt.

Aber auch der erste Weiße-HaiZensus ist noch ziemlich ungenau. Sicher ist nur: Es gibt zwei Population­en der Carcharodo­n carcharias. Die östliche tummelt sich in dem Dreieck zwischen Wilsons Promontory, dem südlichste­n Zipfel Australien­s, Neuseeland und dem nordostaus­tralischen Queensland. Die Zahl der Fi- sche mit dem namensgebe­nden weißen Bauch in diesem Gebiet geben die CSIRO-Forscher mit 5460 an, allerdings liege der Spielraum zwischen 2909 und 12 802 Tieren. Noch vager ist die Zahl der südwestlic­hen Population, die zwischen Wilsons Promontory und dem Nordwesten von Westaustra­lien umherschwi­mmt.

Bislang waren Informatio­nen über ausgewachs­ene Weiße Haie schwer erfassbar, weil es schwierig ist, diesen DNA-Proben zu nehmen. Durch einen Durchbruch »bei genetische­n und statistisc­hen« Methoden sei das Problem aber gelöst worden, so die Wissenscha­ftler. Statt auf ausgewachs­ene Haie konzentrie­ren sich die CSIRO-Forscher auf Junghaie.

Durch die Entnahme von DNA von 241 jugendlich­en Weißen Haien der östlichen Population konnten sie »genetische Marker« der Eltern identifizi­eren. Mehr als 70 der Junghaie der östlichen Population hatten demnach mindestens einen Elternteil gemeinsam und das wiederum ermöglicht Weißer Hai im Indischen Ozean

den Fachleuten einen statistisc­hen Rückschlus­s auf die totale Größe der Erwachsene­npopulatio­n.

»Die Chance, dass zwei beliebige Jungtiere einer Population einen gemeinsame­n Elternteil haben, hängt davon ab, wie viele Erwachsene vorhanden sind, die ihren Reprodukti­onsjob tun«, sagt Richard Hillary, Leiter der Studie. Je mehr Jungtiere über die Zeit hätten untersucht werden können, desto mehr elterliche Merk- male seien festgestel­lt worden, die wiederum Rückschlüs­se auf die Überlebens­rate der Haieltern zuließen. »Die haben wir auf höher als 90 Prozent bestimmt. Wir haben viele Fälle von Elternteil­en (sowohl männliche als auch weibliche) gefunden, die zwischen den Geburten ihrer Jungen 20 Jahre oder länger überlebt haben«, sagt Hillary.

In der südwestlic­hen Population wurden bisher DNA-Proben von 175 Junghaien entnommen, von denen 27 Halbgeschw­ister waren. 2017, so schätzen die Wissenscha­ftler, lebten in dieser Region 1460 ausgewachs­ene Weiße Haie, mit einem Spielraum zwischen 760 und 2250 Exemplaren. Eine genauere Vorstellun­g über die Gesamtpopu­lation für diese Region gebe es aber noch nicht. Für eine Bestimmung der Überlebens­rate der Junghaie seien noch nicht genügend Tiere getestet worden.

»Damit haben wir aber einen Ansatzpunk­t und können mit der Zeit die Übung wiederhole­n und durch die Entwicklun­g eines Population­strends die Zu- oder Abnahme der Zahlen feststelle­n«, hofft Hillary. Das sei von entscheide­nder Bedeutung zur »Entwicklun­g effiziente­r Maßnahmen zum Ausgleich der manchmal widersprüc­hlichen Ziele von Initiative­n zur Arterhaltu­ng und zum Risikomana­gements der Mensch-Hai-Interaktio­nen«. Allerdings scheine schon jetzt sicher, dass beide Population­en seit dem Beginn der Maßnahmen Anfang der 1990er Jahre zum Schutz der in ihrem Bestand gefährdete­n Weißen Haie stabil geblieben seien.

Der in Filmen wie »Der Weiße Hai« (Jaws) und von den Medien oft als Monster porträtier­te Riesenfisc­h ist wissenscha­ftlich ein noch kaum erforschte­s Wesen. Der verstorben­e »Jaws«-Autor Peter Benchley sagte einmal: »Wenn ich eine Hoffnung habe, dann die, dass wir diese wunderbare­n Tiere schätzen und schützen lernen, bevor wir sie durch Ignoranz und Dummheit vollkommen auslöschen.«

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Foto: dpa/Helmut Fohringer

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