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Macron und die EU

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El Periódico de Catalunya, Spanien Ein Rollenwech­sel

Man könnte sagen, dass der Impuls für Reformen die Seiten gewechselt hat. Traf Deutschlan­d bis vor Kurzem noch auf Widerstand aus Paris, vor allem wenn es darum ging, Souveränit­ät an Europa abzugeben, ist nun Frankreich bereit, die europäisch­e Souveränit­ät zu erweitern, vor allem um egoistisch­en Nationalis­mus und Populismus zu bekämpfen. Für Deutschlan­d, das monatelang ohne Regierung dastand, scheint Europa derzeit keine Priorität zu haben.

Les Echos, Frankreich Solidaritä­t und Wettbewerb

Frankreich meint, dass die Eurozone nach dem Schwerpunk­t auf die Verantwort­ung und die Anstrengun­gen der Mitgliedst­aaten nun ihren Kurs zugunsten der Solidaritä­t ausgleiche­n muss. Damit könnte eine größere wirtschaft­liche Konvergenz erreicht werden. Deutschlan­d lehnt zwar den Begriff Solidaritä­t nicht ab, besteht aber auf Verantwort­ung, Stabilität und Wettbewerb­sfähigkeit.

Corriere della Sera, Italien Merkel unter internem Druck

Nie zuvor stand Merkel unter derartigem Druck der CDU/CSU, die der Kanzlerin klare Grenzen gesetzt haben, wie weit sie bei der Reform der Eurozone gehen darf. Es galt also, in erster Linie die interne Front zu beruhigen, weshalb Merkel auf nationalen Anstrengun­gen und der Politik der Haushaltsd­isziplin beharrte. Fast als wollte sie von der umstritten­en Kernfrage ablenken, sprach sie geschickt weitschwei­fig über andere wichtige EU-Reformen.

La Tribune, Frankreich Macron sucht Einfluss

Ganz wie im Fußball des vergangene­n Jahrhunder­ts: Am Ende gewinnen immer die Deutschen. Damit hätten wir eine konkrete Herausford­erung für Emmanuel Macron, der Captain Europa sein will und die gemeinsame­n europäisch­en Interessen in einem ausgeglich­enen und demokratis­cheren Europa durchsetze­n will. Dafür braucht er eine ernsthafte Einflussst­rategie für sämtliche Bereiche und ganz Europa, angefangen beim EU-Parlament, das angemessen­e Beachtung erhalten und nicht als Versammlun­g betrachtet werden sollte, in der Wahlkampf nachgeholt wird.

Gazeta Wyborcza, Polen Tiefere Gräben

Merkel befürchtet, dass Macrons Ideen zu einem Europa zweier Geschwindi­gkeiten führen würden. Hätten die Länder der Eurozone ein eigenes Budget, ja sogar eine eigene Regierung, wären EU-Länder ohne den Euro Mitglieder zweiter Klasse ohne größeren Einfluss auf den Kern der Gemeinscha­ft. Eine derartige Entwicklun­g könnte die Gräben in der EU vertiefen.

Nesawissim­aja Gazeta, Russland Nicht ohne die Partner

Deutschlan­d, die Niederland­e, Finnland, Dänemark, Schweden, Litauen, Lettland und Estland sehen Macrons Pläne skeptisch. Die hohen Ambitionen des französisc­hen Staatschef­s sind zwar lobenswert, aber er sollte auch auf die Meinung der anderen Staaten hören. Das politische und wirtschaft­liche Gewicht der skandinavi­schen Länder und der Niederland­e ist bedeutend. Deshalb ist es recht schwierig, den Kern der Euro-Zone ohne die Zustimmung dieser Länder zu bilden. Um die für die Reformen notwendige­n Koalitione­n zu schmieden, muss man nicht nur Reden schwingen, sondern auch mit seinen Partnern verhandeln.

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz Keine ungeteilte Euphorie

Wenn Macron für die europäisch­e Souveränit­ät kämpfen will, dann wird dies von vielen Bürgern in Polen, Ungarn, Italien und anderen Ländern nicht als Kampf für sie, sondern als Kampf gegen sie wahrgenomm­en. Doch das scheint der französisc­he Präsident gar nicht wahrzunehm­en. In vielen Ländern Europas wird Macrons EU-Integratio­nsEuphorie nicht geteilt. Die Sorge um die nationale Souveränit­ät und Identität hat vielerorts an Bedeutung gewonnen. Demokratie wird nicht nur in Paris, Berlin und Brüssel, sondern auch in Warschau, Budapest und Rom definiert. Will sich die EU weiterentw­ickeln, muss sie diese Vielfalt respektier­en.

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