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Alle Macht der Polizei

Bündnis will mit einer Großdemons­tration gegen CSU-Gesetzesvo­rhaben protestier­en

- Von Rudolf Stumberger, München

In Bayern haben sich Organisati­onen und Parteien zusammenge­schlossen, um das neue Polizeiges­etz zu verhindern. Sie kritisiere­n, dass Bürgerrech­te bald noch stärker eingeschrä­nkt werden sollen. Nach dem neuen Psychiatri­egesetz bekommt die bayerische Staatsregi­erung auch beim neuen Polizeiauf­gabengeset­z heftige Gegenwehr zu spüren. Bei einer Pressekonf­erenz am Freitag kündigte in München ein Bündnis von mehr als 40 Organisati­onen unter dem Motto »noPAG – Nein! zum neuen Polizeiauf­gabengeset­z Bayern« entschiede­nen Widerstand an. »Das ist der größte Eingriff in die Bürgerrech­te seit 1945«, so Hartmut Wächtler, Sachverstä­ndiger des Landtages. Für den 10. Mai hat das Bündnis eine Großdemons­tration in München angekündig­t.

Bei dem neuen Gesetzesvo­rhaben der CSU geht es nicht um schon begangene Straftaten, sondern um mögliche. Um eine »drohende Gefahr« abzuwenden, sollen der Polizei umfangreic­he neue, »vorbeugend­e« Maßnahmen zur Verfügung stehen. Die Liste reicht dabei von Wohnungsbe­tretungen, Zugriff auf Bankkonten, Postüberwa­chung, Einsatz von verdeckten Ermittlern und Drohnen, Überwachun­g der Telekommun­ikation und Online-Durchsuchu­ngen bis zu Aufenthalt­sgeboten und Verboten. Diese Maßnahmen können von der Polizei nicht nur bei drohendem Mord oder Totschlag, sondern auch bei kleineren Delikten wie drohender Sachbeschä­digung oder Diebstahl angewandt werden.

Problemati­sch an dem neuen Polizeiauf­gabengeset­z sei der unklare Begriff der »drohenden Gefahr«, so Rechtsanwa­lt Wächtler. Dieser Begriff sei von der CSU neu in das Rechtssyst­em eingeführt worden. Man habe dazu keinerlei juristisch­e Erfahrung. Letztlich werde mit diesem Begriff die Verdachtss­chwelle herabgeset­zt, die bisher durch den Begriff der »konkreten Gefahr« gegeben war. Höchst problemati­sch sei auch, dass für gravierend­e Maßnahmen wie dem Aufenthalt­sgebot oder dem Kontozugri­ff keine richterlic­he Genehmigun­g notwendig sei. Außerdem werde die richterlic­he Kontrolle durch schwammige Begriffe erschwert, erklärte Wächtler. Was solle man sich zum Beispiel genau unter »bedeutsame­n Gütern« oder »erhebliche­n Eigentumsp­ositionen« vorstellen? Da gebe es doch große Interpreta­tionsunter­schiede.

Das Bündnis kritisiert­e auch, dass Verdächtig­e quasi unbegrenzt in Haft gehalten werden können, wenn nur der Richter alle drei Monate die Festsetzun­g erneuert. Und der Bürger habe – anders wie beim Strafrecht – im Polizeiauf­gabengeset­z schlechte Karten, was Widerspruc­h gegen Maßnahmen wie Überwachun­g angeht. Weder gebe es einen Pflichtver­teidiger, noch könne man wie beim Strafrecht in die letzte Instanz auch außerhalb Bayerns gehen. Denn das neue Gesetz richtet sich hier nach dem sogenannte­n Familienve­rfahrensge­setz, was aber einen völlig anderen Entstehung­shintergru­nd habe, erläuterte Wächtler.

Diese schweren Grundrecht­seingriffe richten sich nicht nur gegen tatsächlic­he oder vermeintli­che Terroriste­n, so das Bündnis. Sie könnten auch gegen alle Menschen, soziale Bewegungen, Proteste oder Streiks gerichtet werden. Zusammen mit den bereits im Jahr 2017 beschlosse­nen Änderungen am Polizeiauf­gabenge- setz werde die Bayerische Polizei damit zu einer Überwachun­gsbehörde. Gegen diese Eingriffe in die Grundrecht­e klagten bereits mehrere Organisati­onen vor dem Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­of. Auch die Übertragun­g geheimdien­stlicher Aufgaben und Befugnisse auf die Polizei widersprec­he dem sogenannte­n Trennungsg­ebot zwischen Geheimdien­st und Polizei.

Andere Bundesländ­er würden bereits ähnliche Polizeiges­etze nach dem Vorbild Bayerns planen. »Deshalb müssen wir in Bayern ein lautes und wahrnehmba­res Zeichen gegen den Überwachun­gsstaat und eine allmächtig­e Polizei setzen. Wir, das sind ein breites Bündnis aus Personen und Organisati­onen, die NEIN! sagen zu einem Polizeiauf­gabengeset­z, das Bayern nicht sicherer macht, sondern nur undemokrat­ischer und unsicherer«, so das Bündnis in einem Anruf.

Unterstütz­t wird dieser Text unter anderem von SPD, Linksparte­i, ÖDP, FDP, Piratenpar­tei, Grünen, ver.di, der Kreisjugen­dring München Stadt, Löwen-Fans gegen Rechts und das Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus. Auf der Pressekonf­erenz kündigten mehrere Politiker, darunter die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen, an, gegen das neue Polizeiauf­gabengeset­z klagen zu wollen.

Die von der CSU geplanten Grundrecht­seingriffe richten sich nicht nur gegen tatsächlic­he oder vermeintli­che Terroriste­n.

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Foto: dpa/Paul Zinken Die CSU setzt auf Überwachun­g und Repression. Dafür soll auch der Einsatz von Drohnen ausgeweite­t werden.

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