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Euro-Reformen in weitere Ferne

Macron steht mit seinen Ideen zu Europa ziemlich allein da. Das hat die vergangene Woche deutlich gezeigt

- Von Steffen Stierle

Frankreich­s Präsident versuchte sich in Straßburg mit einer Neubelebun­g seiner Visionen. Kurz darauf besuchte er Berlin. Der große Wurf zur Euro-Stabilisie­rung ist weiter weg denn je. Schon vor Beginn der vergangene­n Woche brauchte es viel Kreativitä­t, um sich auszumalen, wie in der derzeitige­n politische­n Gemengelag­e die geplanten großen Reformen der Europäisch­en Währungsun­ion aussehen könnten: Frankreich will ein Budget und einen Finanzmini­ster auf Euroebene. Die EU-Kommission will die politische Macht in Brüssel konzentrie­ren und wehrt sich entspreche­nd gegen Alleingäng­e der Euroländer. Gemeinsam wollen beide mehr Investitio­nen in wirtschaft­liche Konvergenz. Dafür wiederum will aber Deutschlan­d nicht zahlen. Und mit Italien, dem dritten großen Euroland, kann seit den letzten Wahlen ohnehin niemand rechnen.

So verwundert­e es nicht, dass es nach dem Euro-Gipfel im März keine Ergebnisse zu verkünden gab. Es wirkte schon ambitionie­rt, dass am Ziel festgehalt­en wurde, beim nächsten Gipfel im Juni konkrete Entscheidu­ngen zu treffen. Was vor einigen Tagen noch unrealisti­sch klang, scheint nach den Ereignisse­n dieser Woche gänzlich unmöglich.

Gleich zu Wochenbegi­nn wurde eine Tischvorla­ge der CDU/CSU-Bundestags­fraktion lanciert, die nicht weniger enthält, als einen Putsch gegen das Europakapi­tel des Koalitions­ver- trages mit der SPD. Die Konservati­ven wollen die Hürden für den Europäisch­en Währungsfo­nds so hoch hängen, dass sie faktisch nicht zu nehmen sind. Kanzlerin Angela Merkel ließ sich auf das Spiel ein, indem sie die Einführung des Fonds mit sehr komplizier­ten Änderungen der EUVerträge verknüpfte.

Die SPD zeigte sich zwar verärgert, hatte man doch den neuerliche­n Gang in eine GroKo vor allem mit dem wichtigen Impuls für Europa gerechtfer­tigt, den man durchgeset­zt habe. Dass sie der Schnellabw­icklung dieses Impulses ernsthaft etwas entgegenzu­set- zen hat, jetzt wo der Ober-Europäer Martin Schulz nicht mehr an Bord ist und Finanzmini­ster Olaf Scholz als erste Amtshandlu­ng bekannt gab, die Schäuble-Linie fortführen zu wollen, ist jedoch unwahrsche­inlich.

Ebenfalls am Dienstag trat Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron in Straßburg für eine mit Spannung erwartete Rede vor das EU-Parlament. Eine Neubelebun­g des Macron-Effektes sollte es werden. Der war weitestgeh­end verpufft, nachdem die im September an der Pariser Sorbonne präsentier­ten großen Visionen im politische­n Hickhack widersprüc­hlicher nationalst­aatlicher Interessen immer kleiner wurden. Die Neubelebun­g gelang nicht. Im Gegenteil: Keine neuen Vorschläge, keine Schritte, mit denen er einige Partner auf seine Seite ziehen kann. Macron steht auf europäisch­er Bühne mit seinen Vorschläge­n nach der Straßburge­r Rede genauso alleine da wie zuvor.

Wie weit Paris und Berlin in Fragen der Euro-Politik mittlerwei­le auseinande­rgedriftet sind, zeigte sich am Donnerstag beim Staatsbesu­ch des französisc­hen Präsidente­n in Berlin. War vor einigen Monaten noch von einer Neuauflage der deutsch-französisc­hen Achse die Rede, wurden diesmal vor allem die Unterschie­de deutlich. Zwar kündigten die beiden Regierungs­chefs an, noch vor dem EUGipfel im Juni gemeinsame Vorschläge einbringen zu wollen. Diese dürften sich allerdings nicht auf die Währungsun­ion beziehen. Als es um die Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik ging, wurden vor allem die Unterschie­de betont. Man starte von unterschie­dlichen Standpunkt­en, viel Arbeit sei noch zu tun, gefragt sei Kompromiss­fähigkeit. Angekündig­t wurde für den 19. Juni ein deutsch-französisc­her Ministerra­t mit »wichtigen Ressorts«. Die Finanzress­orts werden dabei wohl keine Rolle spielen.

Wenn also beim nächsten EuroGipfel Entscheidu­ngen getroffen werden, kann es sich eigentlich nur um ganz kleine Schritte, weitere Zeitpläne oder folgenlose Symbolpoli­tik handeln. Der große Wurf zur Euro-Stabilisie­rung ist weiter weg denn je.

Angekündig­t wurde für den 19. Juni ein deutsch-französisc­her Ministerra­t. Die Finanzress­orts werden dabei wohl keine Rolle spielen.

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Foto: dpa/picture alliance/Frank May Baustelle Euro

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