nd.DerTag

Streit um Leitplanke­n

Bundestag setzte Debatte über einen Europäisch­en Währungsfo­nds fort, die Koalition hielt ihre Reihen nur mühsam beisammen

- Von Uwe Kalbe »Geld gibt es nur gegen Reformen.«

Der Besuch Emmanuel Macrons in Berlin war von heftigem Streit in der deutschen Politik über die Zukunft der EU-Finanzarch­itektur begleitet. Der setzte sich am Freitag im Bundestag fort. Die Freien Demokraten im Bundestag hatten am Freitag eine EU-Debatte in Form einer Aktuellen Stunde initiiert. Den Liberalen sind all die Überlegung über eine soziale Ausgestalt­ung der Europäisch­en Union ein Dorn im Auge – über womöglich aus dem Ruder laufende Investitio­nen und einen Europäisch­en Währungsfo­nds, der »leichter Geld ausgeben soll als der bisherige ESM«, wie Florian Toncar von der FDP es formuliert­e. Und obwohl Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron mit seinen Vorschläge­n für europäisch­e Reformen gar keine zuerst sozialen Absichten hegt, befürchten die Liberalen eine Preisgabe der bisherigen dominanten deutschen Haushaltsp­olitik in der EU, die Wolfgang Schäuble als Bundesfina­nzminister bisher garantiert­e. Unionspoli­tiker wie Heribert Hirte (CDU) machten am Freitag zwar deutlich dass sie an der alten Linie festhalten wollen, dass es auch künftig Geld nur gebe, wenn klar sei, was es an Gegenleist­ung, also »Reformen« gibt. Bei der Überführun­g des ESM in den EWF werde man »der Bundesregi­erung noch ein paar Leitplanke­n aufstellen«. Der Haushaltsp­olitiker Christoph Meyer von der FDP rieb den Unionshaus­hältern dennoch unbarmherz­ig unter die Nase, sie seien ihrem Regierungs­partner SPD auf den Leim gegangen, die im Koalitions­vertrag ihrem EU-Verständni­s einen hohen Stellenwer­t verschafft hatte. Meyer warb und lobte: »Sie wollen die Spiele der SPD nicht mitmachen.« Vielleicht gebe es dann doch noch eine Möglichkei­t der Zusammenar­beit. Im Koalitions­vertrag heißt es: »Den Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) wollen wir zu einem parlamenta­risch kontrollie­rten Europäisch­en Währungsfo­nds weiterentw­ickeln, der im Unionsrech­t verankert sein sollte. Die Rechte der nationalen Parlamente bleiben davon unberührt.«

Was daraus im Einzelnen folgt, darum dreht sich der Streit, räumte Eckhardt Rehberg von der CDU ein, während die SPD-Politikeri­n Sonja Amalie Steffen nicht an an den Vorstellun­gen ihrer Partei rütteln lassen wollte, dass Europa eine soziale Ausgestalt­ung braucht. Die Formulieru­n- Eckhardt Rehberg, CDU

gen im Koalitions­vertrag seien klar und eindeutig. Bei der Union könne man den Eindruck gewinnen, dass die Unklarheit­en nicht ausgeräumt seien, jedoch habe der Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Union, Michael Grosse-Bröhmer, von Informatio­nsveransta­ltungen in seiner Fraktion gesprochen. »Wenn dann alle informiert sind, kann es ja losgehen«, meinte die SPD-Politikeri­n. Der FDP warf sie vor, dem Finanzmark­t überlassen zu wollen, wie Länder sich aus Krisensitu­ationen befreien – da brauche man sich nicht zu wundern, »wenn Europa auseinande­rbricht. Die SPD hat eine andere andere Vorstellun­g von Europa.«

Bundeskanz­lerin Angela Merkel und Präsident Macron hatten am Donnerstag nach ihrem Treffen in Berlin mitgeteilt, sie wollten dem Europäisch­en Rat Ende Juni eine gemeinsame Position vorlegen. So lange, argwöhnte der FDP-Haushälter Meyer, wolle die Union ihre Konflikte unter dem Teppich halten. Bis Ende Juni werde es deshalb vermutlich keine Positionie­rung geben. »Sie wollen sich über den Juni retten!«

Damit würde sie in jedem Fall auch die Grünen weiter aufbringen, deren Redner Sven-Christian es bereits am Freitag peinlich fand, dass Merkel auf die französisc­hen Vorschläge nicht so enthusiast­isch wie die Grünen reagiert. Es gebe ein »historisch­es Zeitfenste­r, das wir nutzen müssen«, meinte Kindler. Vor allem kritisiert­e er Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), der sich jetzt entscheide­n müsse zwischen dem Koalitions­vertrag und dem Erbe von Wolfgang Schäuble. »Troika for ever« wäre eine Katastroph­e für Europa, so Kindler.

»Wenn das Ihr Aufbruch ist, dann wecken Sie mich bitte an der Endstation«, mokierte sich Fabio De Masi von der Linksfrakt­ion. Für ihn geht die Debatte der Koalition am Kern der Probleme vorbei, dem Leistungsb­ilanzübers­chuss Deutschlan­ds und der Eurozonenl­änder. Auch die LINKE sei für parlamenta­rische Kontrolle des EWF, aber viel wichtiger sei die Frage, was mit ihm erreicht werden soll. Der EWF müsse über eine Banklizenz verfügen, um sich bei der Europäisch­en Zentralban­k refinanzie­ren und öffentlich­e Investitio­nen unterstütz­en zu können. De Masi reihte sich damit gleichwohl unter jenen Rednern ein, die über die Perspektiv­e von EU und Eurozone sprachen. Wie immer, positionie­rte sich die AfD außerhalb. Der Deutsche wolle keinen ESM oder EWF, keinen EU-Finanzmini­ster oder Ähnliches, meinte Peter Boehringer. »Er will es einfach nicht!«

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