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Verschwend­ung auf allen Ebenen

Tonnenweis­e Lebensmitt­el werden jedes Jahr weggeworfe­n, doch es fehlt eine politische Strategie dagegen

- Von Grit Gernhardt

Essen wegzuwerfe­n ist nicht nur ethisch bedenklich, sondern auch eine Verschwend­ung von Ressourcen und erhöht zudem den Treibhausg­asausstoß. Der WWF fordert nun eine Strategie vom Bund.

Beim Thema Umweltschu­tz ging es lange hauptsächl­ich um Schadstoff­e in der Luft oder die Abholzung der Urwälder. In den vergangene­n Jahren ist aber das Konsumgeba­ren vor allem der reichen Länder als Ursache für viele andere Probleme stärker in den Fokus gerückt. Denn wir leben in Wegwerfges­ellschafte­n.

Besonders dramatisch ist die Essensvers­chwendung. In Deutschlan­d werden pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmi­ttel weggeworfe­n – nicht nur von Verbrauche­rn, sondern auch bereits bei der Ernte sowie während Verarbeitu­ng und Zubereitun­g. »Eine Verschwend­ung mit enormen ökologisch­en Folgekoste­n«, kritisiert­e am Freitag der WWF. Über die Hälfte der Lebensmitt­elabfälle wäre demnach vermeidbar – wenn es vernünftig­e Konzepte gäbe.

Denn die Lebensmitt­elverschwe­ndung hat enorme Folgen: Laut WWFBerechn­ungen werden hierzuland­e jährlich 2,6 Millionen Hektar Ackerland – rund sieben Prozent der Gesamtanba­ufläche – bewirtscha­ftet, nur um die darauf angebauten Produkte wegzuwerfe­n. 48 Millionen Tonnen Treibhausg­ase würden so unnötig freigesetz­t.

Um herauszufi­nden, wo die größten Probleme liegen, hat die Umweltschu­tzorganisa­tion die Studie »Lebensmitt­elverschwe­ndung – Was tut die Politik? Ein Blick auf die Bundesländ­er« beim Institut für nachhaltig­e Ernährung der Fachhochsc­hule Münster in Auftrag gegeben. Das Fazit: Die Bundesregi­erung und die 16 Bundesländ­er tun zu wenig, um Lebensmitt­elverschwe­ndung abzubauen. Doch es gibt hoffnungsv­olle Ansätze: Bayern, Baden-Württember­g, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen gehen das Thema demnach seit längerem und sehr umfassend an. Zum Mittelfeld gehören Berlin, Brandenbur­g, Hessen, Saarland und Schleswig-Holstein. Besonders schlecht schneiden Bremen, Hamburg, Mecklenbur­g-Vorpommern, Niedersach­sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab.

Doch seien die Ansätze in den Ländern sehr verschiede­n, so gebe es Nachhaltig­keitsstrat­egien, Abfallwirt­schaftsplä­ne, Energie- und Klima- schutz programme, verbrauche­r politische Strategien, Forschungs-undL andes entwicklun­gsstrategi­en, in denen das Problem aufgegriff­en werde. Es fehle aber die Bundes koordinati­on.

»Deutschlan­d hat sich verpflicht­et, bis 2030 die Lebensmitt­el verschwend­ung zu halbieren «, erinnerte JörgAndrea­s Krüger, Direktor Ökologisch­er Fuß abdruck beimWWF Deutschlan­d. Bisher sei es aber bei der Ankündigun­g geblieben. Die neue Bundesregi­erung müsse schnell eine Strategie zur Vermeidung von Lebensmitt­el verlusten entwickeln. Dabei müssten Industrie, Handel und Landwirtsc­haft viel stärker in den Fokus rücken: »Über 60 Prozent der Verluste entstehen entlang der Wert- schöpfungs­kette – vom Produzente­n bis hin zum Großverbra­ucher«, sagte Studienkoo­rdinatorin Tanja Dräger de Teran vom WWF. Sie kritisiert­e zudem, dass es zu wenige und wenig wirksame Kontrollen gebe.

Der WWF fordert von der Koalition, bis 2020 eine Strategie mit verbindlic­hen Zielen und Maßnahmen für die Branchen entlang der Wertschöpf­ungskette zu erarbeiten. Zudem sei ein gesamtgese­llschaftli­cher Dialog zur Vermeidung von Lebensmitt­elverluste­n notwendig, in den alle Akteure einbezogen werden müssten, auch Krankenkas­sen, Versicheru­ngen und Bildungstr­äger. Eine unabhängig­e Koordinier­ungsstelle solle die Prozesse leiten, nationale und internatio­nale Aktivitäte­n koordinier­en und regelmäßig Bericht erstatten.

Und nicht nur bei den Lebensmitt­eln selbst ist noch viel zu tun, denn bei deren Verpackung geht das Müllproble­m weiter: Der Naturschut­zbund Deutschlan­d (NABU) machte anlässlich des am Samstag stattfinde­nden Earth Day darauf aufmerksam, dass hierzuland­e insgesamt 63 Prozent des Obst und Gemüses vorverpack­t verkauft werden – meist in Plastik. Dabei seien Obst und Gemüse meist robust genug, um lose verkauft zu werden. »Supermärkt­e müssen wieder mehr lose Ware anbieten, um Plastikmül­l zu vermeiden«, sagte NABU-Geschäftsf­ührer Leif Miller. In Deutschlan­d liege der Anteil der Verpackung­en am Kunststoff­müll bei 60 Prozent – nur die Hälfte des gesamten Plastikmül­ls werde recycelt. Wozu das führt, zeigt die Vermüllung der Meere.

»Deutschlan­d hat sich verpflicht­et, bis 2030 die Lebensmitt­elverschwe­ndung zu halbieren.« Jörg-Andreas Krüger, WWF Deutschlan­d

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