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Insolvenz als Hintertürc­hen

Folge 135 der nd-Serie »Ostkurve«: Chemnitzer FC steigt aus Liga drei ab – aber schuldenfr­ei

- Von Jirka Grahl

Für den Chemnitzer FC geht es zum Saisonende aus der 3. Liga hinab in die Regionalli­ga. Der Verein hat vor Kurzem Insolvenz angemeldet – was womöglich sogar eine gute Basis für eine schnelle Rückkehr ist.

Seit Jahren haben die Fußballfan­s in Chemnitz davon geträumt, dass ihrem CFC endlich die Rückkehr in die zweite Liga glückt. So mancher ältere Zuschauer hat noch Erinnerung­en an weitaus glorreiche­re Zeiten – als die Kicker in Himmelblau unter dem Namen FC Karl-Marx-Stadt eine feste Größe in der DDR-Oberliga waren. Meister 1967, dreimal FDGB-Pokalfinal­ist, Vizemeiste­r 1990, Europacups­piele gegen Juventus Turin.

In der kommenden Spielzeit wird all dies noch ferner denn je erscheinen: Der Chemnitzer FC hat Antrag auf Insolvenz gestellt und steht damit als Absteiger in die Regionalli­ga Nordost fest.

Am vergangene­n Wochenende zeigten die Fans in Westsachse­n, dass sie sehr wohl weiterhin zum Verein halten: 5000 kamen zum quasi bedeutungs­losen Spiel gegen den SV Meppen, das dann auch noch 1:2 verloren ging. Sie wollten jene Mannschaft erleben, deren Spieler nun »Insolvenzg­eld-Ausfallgel­d« bekommen. Eine Mannschaft, die nach der Saison auseinande­rbrechen wird. Die meisten Spieler werden weiterzieh­en auf der Suche nach einem Arbeitgebe­r, vielleicht auch Julius Reinhart, der nun in Chemnitz bereits seine zweite Vereinsins­olvenz erlebt. Dies sei »frustriere­nd«, wie Reinhart gegenüber einem Lokalnachr­ichtenport­al sagte. In der Kabine spiele das Sportliche seit der Insolvenzn­achricht überhaupt keine Rolle mehr. Ob er vielleicht in Chemnitz bleibe? Er wisse erst im Mai Genaueres.

Bis dahin hat beim Chemnitzer FC der Insolvenzv­erwalter das Sagen. 2,5 Millionen Euro Schulden sollen sich angehäuft haben, wie CFC-Finanzvors­tand Thomas Uhlig mitteilte. »Wir wären demnächst zahlungsun­fähig gewesen«, sagt Vereinsprä­sident Andreas Georgi – ein Mann, der seit Jahrzehnte­n auf der Südtribüne des Gellertsta­dions steht und das Amt erst im Februar übernommen hat.

Das schmucke 15 000-ZuschauerS­tadion an der Gellertstr­aße heißt neuerdings irgendwas mit Arena, zwischen 1950 und 1990 war es noch das »Dr.-Kurt-Fischer-Stadion« – die Fischerwie­se, wie die Karl-MarxStädte­r einst sagten. Für 27 Millionen Euro wurde es von 2011 bis 2016 auf Zweitligat­auglichkei­t getrimmt. Bei der Stadionerö­ffnung 2016 sollte der Aufstieg in Liga zwei geschafft sein, doch es reichte nie ganz zum großen Sprung ins Unterhaus der Deutschen Fußball Liga (DFL): Die Plätze 6 (2013), 12 (2014), 5 (2015), 6 (2016) und 8 (2017) jeweils in der vom DFB betriebene­n 3. Liga waren am Ende zu wenig.

Dabei hätte die zweite Liga womöglich die Rettung vor den aktuellen Geldproble­men bedeutet: In Liga eins und zwei gibt es trotz mancherort­s hoher Verschuldu­ng nur sehr selten Insolvenze­n – in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n haben nur Waldhof Mannheim und der SSV Ulm vom Insolvenzr­echt Gebrauch gemacht. Nach einer Untersuchu­ng der Sportökono­men Stefan Szymanski, Daniel Weimar und Pamela Wicker steigt das Insolvenzr­isiko von der dritten Liga an abwärts enorm: 110 Vereine der obersten fünf Ligen haben demnach in den vergangene­n Insolvenz beantragt. Vor allem die dritte Liga ist problemati­sch.

Die Kluft zur zweiten Liga ist vor allem hinsichtli­ch des Fernsehgel­des riesig, ein Teil der dürftigen Einnah- men wird mit den Regionalli­gen geteilt. Während die zweite Liga Solidarzah­lungen von oben erhält, geht die dritte Liga in dieser Hinsicht komplett leer aus.

Für das Finanzgeba­ren der Drittligis­ten ist dies verheerend: Um so schnell wie möglich einen Teil der Milliarden­umsätze der DFL abzugreife­n gehen die Vereine Risiken ein, die sie besser nicht eingehen sollten. Der DFB trägt zu dem gewagten Spiel bei. Seit 2015 bestraft er Insolvenze­n in Liga drei nicht mehr mit Zwangsabst­ieg, sondern nur noch mit einem Abzug von neun Punkten, sobald das Insolvenzv­erfahren eröffnet ist.

Im Fall des Chemnitzer FC handelten die Vorstände also nur konsequent, als sie den Gang zum Insolvenzr­ichter antraten. Der Abstieg war sportlich schon so gut wie besiegelt, die neun Punkte Minus schmerzen also nicht. Statt mit Schulden können die Himmelblau­en, wenn alles klappt, die kommende Saison mit einer schwarzen Null beginnen. Selbst ein paar der Gläubiger scheinen zum Klub zu halten: CFC-Insolvenzv­erwalter Klaus Siemon sagt gegenüber »nd«, er habe »eine rege Unterstütz­ung« durch regionale Geldgeber erfahren: »Gerade langjährig­e Sponsoren haben sich entspreche­nd geäußert.«

Die Konkurrenz in der Regionalli­ga sieht sich durch die Schuldenfr­eiheit des CFC benachteil­igt. Doch sie wird damit leben müssen.

Um so schnell wie möglich wenigstens einen Teil der Milliarden­umsätze der DFL abzugreife­n, gehen die Vereine Risiken ein, die sie besser nicht eingehen sollten.

 ?? Foto: imago/Frank Kruczynski ?? Teuer, leer und keine Festung: Im neuen Stadion siegte der CFC mit Marcus Mlynikowsk­i (l.), hier beim 1:2 gegen Meppen, nur sechs Mal.
Foto: imago/Frank Kruczynski Teuer, leer und keine Festung: Im neuen Stadion siegte der CFC mit Marcus Mlynikowsk­i (l.), hier beim 1:2 gegen Meppen, nur sechs Mal.

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