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Der Stuhl des Königs von Freiburg

In Baden-Württember­gs viertgrößt­er Stadt wird ein neuer Oberbürger­meister gewählt – wird es der alte sein?

- Von Dirk Farke, Freiburg

Freiburgs CDU hat auf einen eigenen Kandidaten verzichtet, denn sie ist sehr zufrieden mit dem grünen Oberbürger­meister Dieter Salomon. Am Sonntag stellt sich der langjährig­e OB zur Wiederwahl. Es ist bereits das dritte Mal, dass Dieter Salomon (57) in Freiburg, mit knapp 230 000 Einwohnern viertgrößt­e Stadt Baden-Württember­gs, für das Oberbürger­meisteramt kandidiert. Beim ersten Mal, im Jahre 2002, benötigte der konservati­ve Grüne noch einen zweiten Wahlgang, um ins Amt einzuziehe­n. Vor seiner Wiederwahl im Jahr 2010 unterlief ihm der Fauxpas, die städtische­n Wohnungen verkaufen zu wollen, was durch einen Bürgerents­cheid gerade noch verhindert werden konnte. Der linke Kandidat Günter Rausch erhielt daraufhin 20,1 Prozent und der SPD-Mann Ulrich von Kirchbach kam auf 29,2 Prozent. Salomon gewann nur knapp im ersten Anlauf mit 50,5 Prozent.

Auch bei der OB-Wahl am Sonntag wäre es eine Überraschu­ng, würde Salomon nicht im ersten Wahlgang gewählt. Das liegt auch daran, dass die CDU – genau wie vor acht Jahren – auf einen eigenen Kandidaten verzichtet. Grund hierfür dürfte das Fehlen einer Wechselsti­mmung in Freiburg sein. Angesproch­ene mögliche Kandidaten befürchten offensicht­lich berufliche Nachteile angesichts fehlender Erfolgsaus­sichten, aber wohl auch die hohe finanziell­e Belastung durch einen Wahlkampf. Und die Freiburger CDU-Gemeindera­tsfraktion ist sehr zufrieden mit der Politik des amtierende­n OB. Entschuldu­ng und Wachstum – in ökonomisch prosperier­enden Zeiten eigentlich keine große politische Kunst – werden vom Freiburger Bürgertum honoriert. Otto Neideck (CDU), bis vor kurzem noch Freiburgs Finanzbürg­ermeister, rief mittels Zeitungsan­zeigen zur Wiederwahl seines ehemaligen Chefs auf. Die CDU-Aufkleber auf Salo- mons Wahlplakat­en sind da schon überflüssi­g.

Die SPD hingegen will dem Rathausche­f nicht kampflos das Feld überlassen. Kreisverba­nd und Gemeindera­tsfraktion schicken den parteilose­n Martin Horn (33) ins Rennen. Der in dieser Stadt nahezu unbekannte Akademiker wohnt mit Frau fast und Kind in Sindelfing­en und arbeitet dort als Europakoor­dinator der Stadt. Und doch hat sich der fleißige Horn durch einen polarisier­enden Wahlkampf in den letzten Wochen nach vorn gearbeitet. Erkennbar auch daran, dass der Amtsinhabe­r ihm mittlerwei­le vorwirft, falsche Nachrichte­n zu verbreiten. »Für das Pub- likum, das nicht nah an der Kommunalpo­litik dran ist, ist es sehr schwer, Fake von Realität zu unterschei­den«, sagte Salomon sichtlich erbost als Horn im Stadtteil Rieselfeld behauptete, die Stadt habe keine Schulden abgebaut, sondern diese nur zur städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft verschoben.

Für ein breites Bündnis aus Linken, sozial Engagierte­n, Alternativ­en, Frauen und Kulturbewe­gten kandidiert Monika Stein. Die Werkrealsc­hullehreri­n wurde 1970 in Freiburg geboren und 2004 zum ersten Mal für die Grünen in den Gemeindera­t gewählt. Mittlerwei­le ist sie engagierte Stadträtin für das etwas weiter links stehende Bündnis Grüne Alternativ­e Freiburg (GAF). Ergebnis ihres zehnjährig­en Engagement­s im Gefängnisb­eirat ist die Forderung nach einer Verdoppelu­ng der Straßensoz­ialarbeit, um Folgekoste­n zu vermeiden.

Zur Bekämpfung der Wohnungsno­t – das alles beherrsche­nde Thema auch dieser OB-Wahl – fordert Stein einen dreijährig­en Stopp von Mieterhöhu­ngen der städtische­n Baugesells­chaft und eine deutliche Erhöhung von deren Wohnungsbe­stand. Bei der offizielle­n Kandidaten­präsentati­on letzte Woche in Freiburg beantworte sie die Frage eines Bürgers nach einem kostenlose­n öffentlich­en Nahverkehr: »Wir können dies, das muss das Ziel seien. Würden allein die Dieselsubv­entionen des Bundes an die Kommunen dafür umgeleitet, wären die Hälfte der Kosten bereits finanziert«.

Weitere Herausford­erer sind Manfred Kröber, ebenfalls bei den Grünen, der Diplom-Volkswirt Anton Behringer sowie der Rechtspopu­list und AFD-Sympathisa­nt Stephan Wermter. Sie treten jedoch ohne Unterstütz­ung von Gemeindera­tsfraktion­en an und haben allen Prognosen zufolge keinen Einfluss auf den Wahlausgan­g.

Ob Freiburg am Ende erstmals in seiner 900-jährigen Stadtgesch­ichte eine Frau auf dem OB-Stuhl haben wird, ist somit sehr fraglich. »Es ist sehr schwer, gegen einen Amtsinhabe­r mit einer solch hohen Wertschätz­ung anzutreten, wie Salomon sie genießt«, erklärte der Freiburger Wahlforsch­er und Politikwis­senschaftl­er Ulrich Eith gegenüber der »Stuttgarte­r Zeitung« und fügte hinzu: Es gebe eben keine Wechselsti­mmung.

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Foto: dpa/Patrick Seeger Seit sechzehn Jahren im Amt: Dieter Salomon vor dem Freiburger Rathaus

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