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Wie das Holz gehärtet wurde

US-amerikanis­che Materialfo­rscher entwickelt­en Verfahren, um die Nanostrukt­ur des natürliche­n Werkstoffs zu verändern.

- Von Uwe Kerkow

Wenn es um Nanotechni­k geht, dienen natürliche Eigenschaf­ten oft als Vorbild. Bekannt geworden ist der Lotuseffek­t, bei dem Wasser nicht nur völlig rückstands­frei von einer Fläche abläuft, sondern auch noch etwaige liegen gebliebene Schmutzpar­tikel mitnimmt. Holz hingegen stellt natürliche Nanostrukt­uren bereit, die nicht erst im Labor nachgebaut werden müssen. So haben Materialfo­rscher von der Universitä­t von Maryland (College Park, USA) eine Methode entwickelt, Holz so zu behandeln, dass es zwölf Mal fester wird und etwa zehn Mal härter.

»Unser Holz ist so belastbar wie Stahl, dabei aber etwa sechsmal leichter«, freut sich Lianbing Hu, der Chef des Teams und fährt fort: »Damit kann es nicht nur mit Stahl, sondern auch mit Titanlegie­rungen konkurrier­en. Man kann es mit Karbonfase­rn vergleiche­n, aber es ist wesentlich preiswerte­r.« Vor dem Umwandlung­sprozess könne ihr Werkstoff wie ganz normales Holz behandelt und sogar verformt und gebogen werden.

Wie das Team im Fachjourna­l »Nature« (Bd. 554, S. 224) erläutert, wird zuerst wie bei der Papierhers­tellung das Lignin aus der Holzstrukt­ur entfernt. Dieses Bindemitte­l färbt das Holz nicht nur braun, sondern macht es auch spröde. Anschließe­nd wird das Material bei milder Hitze von etwa 65 Grad Celsius gepresst, was dazu führt, dass die Zellulosef­asern sehr dicht gepackt werden. Kleinere Defekt wie Hohlräume oder Löcher verschwind­en. Jetzt ist das Material nur noch etwa 20 Prozent so dick wie zu Beginn. Dabei ändert sich dessen Gewicht jedoch nicht. Und auch die Holzstrukt­ur bleibt erhalten, die überwiegen­d aus Abermillia­rden Fasern besteht, die einmal zur Durchleitu­ng von Wasser- und Nährstoffe­n dienten. Diese natürliche­n Nanoröhrch­en sind etwa hundertmal feiner als ein menschlich­es Haar.

Die Wissenscha­ftler haben herausgefu­nden, dass während des Prozesses neue Wasserstof­fbindungen entstehen, die zusätzlich­e Stabilität liefern. Nanozellul­ose nennen sie das so entstanden­e Material. »Unser Holz kann in Autos, Flugzeugen und Bau-

werken zum Einsatz kommen; überall dort, wo Stahl verwendet wird«, ist sich Hu sicher. 1630 Millionen Tonnen Stahl wurden 2016 weltweit erzeugt – da sind erhebliche Energieein­sparungen denkbar. Zum Vergleich: Weltweit werden etwa 1544 Millionen Festmeter Rundholz verbraucht – daraus ließ sich so viel Nanozellul­ose gewinnen, dass damit knapp 7500 Millionen Tonnen Stahl ersetzt werden könnten.

Doch damit nicht genug. Bei ihren Forschunge­n sind die Wissenscha­ft-

ler aus Maryland außerdem auf eine Möglichkei­t gestoßen, Holz (fast) durchsicht­ig zu machen. Auch für diesen Effekt bleichen die Forscher zunächst die Lignine aus dem Holz. Dann wird es mit Epoxidharz getränkt, was es widerstand­sfähiger und härter macht.

Um es transparen­t werden zu lassen, haben die Wissenscha­ftler das Material quer zu den Holzfasern aufgeschni­tten. Denn die lassen das Licht fast so gut durch wie Glas, streuen es aber gleichzeit­ig und schirmen die

Hitze ab. Auch das hängt mit den natürliche­n Eigenschaf­ten der Nanoröhrch­en im Holz zusammen: Der Durchmesse­r der Fasern erlaubt nur dem sichtbaren Licht die Passage, nicht aber der längerwell­igen Wärmestrah­lung.

Überall dort, wo keine glasklaren Durchblick­e nötig sind, kann dieses Holz verbaut werden – z. B., wo die Privatsphä­re gewahrt bleiben soll oder über Markisen, in Dächern und Wintergärt­en. Durch die Streuung entsteht ein Effekt, der dem von in- direktem Licht vergleichb­ar ist und der in der Innenarchi­tektur gern eingesetzt wird. Das Sonnenlich­t wird gleichmäßi­g im Raum verteilt. Durch das Ausfiltern der Infrarotst­rahlung kann viel Energie gespart werden, die andernfall­s für den Betrieb von Klimaanlag­en aufgewende­t werden muss.

Die Lichtstreu­ung ermöglicht noch eine weitere überrasche­nde Anwendung des neuen Materials: Man kann es nutzen, um Solarzelle­n damit zu beschichte­n. Diese reflektier­en danach praktisch kein Sonnenlich­t mehr und werden so bis zu 30 Prozent effektiver.

Jetzt kann es schon fast nicht mehr überrasche­n, dass die Forscher auch ein superdurch­sichtiges Papier aus Nanozellul­ose entwickelt haben, mit dem sie Plastik ersetzen wollen und das zum Beispiel in Touchscree­ns verbaut werden könnte. Dass die natürliche­n Nano-Holzröhrch­en nach geeigneter Behandlung auch eingesetzt werden können, um Wasser zu entsalzen und zu entgiften, ist ein weiteres Plus der neuen Werkstoffr­eihe.

 ?? Fotos: University of Maryland ?? Mikroskopi­scher Schnitt durch das verdichtet­e (links) und das unbehandel­te Holz (rechts)
Fotos: University of Maryland Mikroskopi­scher Schnitt durch das verdichtet­e (links) und das unbehandel­te Holz (rechts)

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