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Neumünster misst mit zweierlei Maß

Schleswig-Holstein: Unterstütz­ungsverein der türkischen AKP wird hofiert

- Von Dieter Hanisch, Neumünster

Wenn es um die Vergabe städtische­r Räumlichke­iten im schleswig-holsteinis­chen Neumünster geht, wird offenbar mit zweierlei Maß gemessen. Am Samstag steht der Stadt dadurch eine verkappte Wahlkampfv­eranstaltu­ng für die Partei des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan bevor.

Offiziell ist es die 2004 gegründete Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die in die Stadthalle Neumünster einlädt. Die als Verein eingetrage­ne Gruppierun­g, welche die ultrakonse­rvative türkische AKP unterstütz­t, wird erfahrungs­gemäß die Veranstalt­ung dazu nutzen, Werbung für die Erdogan-Partei zu machen. Erst vor wenigen Tagen hatte Erdogan bekannt gegeben, dass die Parlaments- und Präsidents­chaftswahl­en von November 2019 auf den 24. Juni dieses Jahres vorgezogen werden.

»Graue Wölfe« in der Stadt Während die CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sich strikt gegen türkische Wahlverans­taltungen auf deutschem Boden ausspricht, empfängt der kürzlich in die CDU eingetrete­ne Neumünster­aner Oberbürger­meister Olaf Tauras eine UETD-Abordnung im Rathaus – ganz so, als hätten sich die demokratie­feindliche­n Handlungen des türkischen Präsidente­n und seiner Gefolgsleu­te nicht bis dorthin herumgespr­ochen. Ferner dürften UETD-Kontakte speziell in Baden-Württember­g zum rockerähnl­ichen Osmanen Germania Boxclub nicht gerade vertrauens­fördernd sein. Über die OsmanenGru­ppierung ist bekannt, dass sie gelegentli­ch bei UETD-Veranstalt­ungen Security-Dienste leistet.

Wenn die UETD – die von sich behauptet, parteipoli­tisch unabhängig zu sein – in wenigen Tagen mehreren Hundert nationalis­tisch gesinnten Besuchern die Türen zur Stadthalle öffnet, wird Neumünster einem unguten Ruf gerecht: eine Hochburg türkischer Ultranatio­nalisten im hohen Norden zu sein. Im Januar 2016 wurde eine prokurdisc­he Demonstrat­ion in der mittelhols­teinischen Stadt durch türkische Nationalis­ten gewaltsam angegriffe­n und auf Anraten der Polizei vorzeitig abgebroche­n. Im Dezember 2016 trafen sich Vertreter der rechtsradi­kalen »Grauen Wölfe« als Deutsch-Türkische Familienun­ion im städtische­n Bildungsze­ntrum des Vicelinvie­rtels sowie zu einem sogenannte­n Fest der Flaggen in der Stadthalle.

Linke durften nicht ins »Kiek In« 2017 dann konnte eine nationalis­tische türkische Theatergru­ppe ihre Hass- und Feindbildp­ropaganda mit dem Stück »Letzte Festung Türkei« auf die Bühne der Stadthalle bringen. Auf der Gästeliste für Samstag kündigt die UETD unter anderem Zafer Sirakaya an, von 2014 bis 2016 AKPRepräse­ntant in Brüssel. Laut einem türkischen Nachrichte­nportal soll zudem der AKP-Parlaments­abgeordnet­e Yalcin Akdogan nach Schleswig-Holstein kommen.

Die wiederholt­e Bereitstel­lung öffentlich­er Räume für nationalis­tisch ausgericht­ete Kräfte der türkischen Community in Neumünster steht im Kontrast zum Umgang mit linken Gruppen. So wurde dem Verein »Marxistisc­he Linke« Mitte Februar verwehrt, ein Treffen in der städtische­n Begegnungs­stätte »Kiek In« zu veranstalt­en. Der neue Leiter der Einrichtun­g, Torge Rupnow, hatte dies mit »verfassung­srechtlich­en Bedenken« begründet. In der linken Splittergr­uppe sind neben DKP-Aktivisten auch einige Sozialdemo­kraten aktiv. Rupnow hatte auf Nachfrage eingeräumt, dazu beim Verfassung­sschutz Informatio­nen eingeholt zu haben.

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