nd.DerTag

EU-Parlament bleibt barrierefr­ei

Bundesregi­erung schafft es nicht rechtzeiti­g, Sperrklaus­el für 2019 durchzuset­zen

- Von Ansgar Haase

Vielfalt tut gut: Das gilt nach Ansicht der Bundesregi­erung aber nicht für das EU-Parlament. Der Plan, noch vor der Wahl 2019 eine Sperrklaus­el einzuführe­n, scheint allerdings gescheiter­t. Deutsche Kleinstpar­teien werden wohl auch 2019 Chancen auf einen Einzug ins Europaparl­ament haben. Nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur scheiterte die Bundesregi­erung mit dem Vorhaben, über die EU rechtzeiti­g eine neue Sperrklaus­el beschließe­n zu lassen. Sie sollte dafür sorgen, dass deutsche Parteien mit einem niedrigen einstellig­en Wahlergebn­is keinen Sitz im Europaparl­ament bekommen.

Vermutlich dürfte die Sperrklaus­el zwar doch noch beschlosse­n werden. Für die Wahl am 26. Mai 2019 würde dies aber gegen den europäisch­en Verhaltens­kodex für Wahlen verstoßen. Die Leitlinien der sogenannte­n Venedig-Kommission des Europarate­s sehen nämlich vor, dass es zwölf Monate vor einer Wahl keine Wahlrechts­änderungen mehr geben sollte. Hält sich die Bundesregi­erung daran, kann die Sperrklaus­el, die zwischen zwei und fünf Prozent liegen soll, erst 2024 zum Einsatz kommen.

Die geplante Änderung hätte beispielsw­eise die Ökologisch­Demokratis­che Partei (ÖDP), die Piratenpar­tei, die rechte NPD, die Freien Wähler oder die Partei von Satiriker Martin Sonneborn treffen können. Sie alle hatten 2014 den Einzug ins EU-Parlament geschafft, weil das Bundesverf­assungsger­icht kurz zuvor die DreiProzen­t-Hürde im deutschen Europawahl­gesetz ersatzlos gestrichen hatte. Die Sperrklaus­el verstoße gegen die Grundsätze der Wahlrechts­gleichheit und der Chancengle­ichheit der Parteien, hieß es im Urteil. Im Gegensatz zum Bundestag komme es im Eu- ropaparlam­ent nicht so auf stabile Mehrheitsv­erhältniss­e an.

Um dem Einflussbe­reich des Bundesverf­assungsger­ichts zu umgehen, soll die Sperrklaus­el nun über EU-Recht eingeführt werden. Die Bundesregi­erung schaffte es

allerdings nicht, alle anderen Staaten rechtzeiti­g zur Zustimmung zu bewegen.

Die Kleinstpar­teien pochen auf das Bundesverf­assungsger­icht. »Die Ignoranz der Bundesregi­erung gegenüber einer Entscheidu­ng des obersten deutschen Ge- richts kennt offensicht­lich keine Grenzen mehr«, kommentier­te jüngst ÖDP-Generalsek­retär Claudius Moseler. Der derzeit für die Freien Wähler im Europaparl­ament sitzende Arne Gericke sprach von einem diskrimini­erenden Schritt, der Millionen Wähler in Deutschlan­d entmündige­n solle.

Die Parteien argumentie­ren auch, die Gefahr einer Zersplitte­rung sei gering, weil sich die Abgeordnet­en kleiner Parteien sehr oft einer Fraktion anschließe­n, die in etwa ihre politische­n Vorstellun­gen vertritt. Fünf der sieben deutschen Einzelmand­atsträger sind Mitglied einer der großen EUParlamen­tsfraktion­en. Der Büroleiter des Europaabge­ordneten Sonneborn, Dustin Hoffmann, weist zudem darauf hin, dass die Sperrklaus­el so konzipiert wurde, dass sie lediglich Deutschlan­d und mit Einschränk­ungen Spanien treffen soll. »Das ist Spezialges­etzgebung für Deutschlan­d«, kritisiert er.

»Ein diskrimini­erender Schritt, der Millionen Wähler in Deutschlan­d entmündige­n soll.« Arne Gericke, Freie Wähler

Newspapers in German

Newspapers from Germany